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Abhören? Egal, ich habe nichts zu verbergen!

11. Juli 2014

Abhören? Egal, ich habe nichts zu verbergen!

Bild: Ron and Joe – Shutterstock

Ein Jahr nach den Snowden-Enthüllungen: Jeder Zehnte ist vorsichtiger geworden, die Mehrheit reagiert eher gleichgültig.

Von Meike Otternberg

Der Stein kam vor etwas mehr als einem Jahr ins Rollen. Am 9. Juni 2013, ein Sonntag. Es war der Tag, an dem die Weltöffentlichkeit erstmals den Namen Edward Snowden hörte. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter war nach Hongkong geflüchtet und enthüllte dort in einem Interview mit dem britischen „Guardian“ Hintergründe über das, was seitdem als gigantische Ausspäh-Affäre bekannt ist: NSA und GCHQ haben mit ihren Aktionen PRISM und Tempora überall geschnüffelt. Fünf Tage später erwirkte das FBI mit einer Strafanzeige u. a. wegen Spionage einen Haftbefehl gegen ihn.

Für die einen ist Snowden ein Held, für die anderen ein Verräter. Was hat sich – ein Jahr nach seinen Enthüllungen – durch seine Aussagen für uns alle geändert? Privat und im allgemeinen Netzverhalten? Was fürchten wir, was lässt uns gleichgültig?

Schlussfolgerungen unterschiedlich

Im Auftrag von DIVSI führte dimap zum Jahrestag dieses denkwürdigen Vorgangs zu Fragen dieser Art aktuell eine repräsentative Bevölkerungsstudie durch. In computergestützten Telefoninterviews wurden insgesamt 1007 Bundesbürger ab 16 Jahren als Zufallsauswahl befragt.

Die Berichterstattung über den Fall Snowden wird von der Mehrheit als genau richtig bezeichnet. Insgesamt fühlen sich 41 Prozent hinreichend informiert. 29 Prozent halten die Informationen dagegen für „zu wenig umfangreich“. 15 Prozent haben zu dieser Frage keine Meinung.

Sehr unterschiedlich dagegen sind die Schlussfolgerungen, die von den Deutschen zum Thema Datenschutz im Internet seit Bekanntwerden der Spionageaffäre gezogen werden.

Beinahe jeder zweite (insgesamt 48 %) meint, dass das Vorgehen der Geheimdienste unser Recht auf Privatsphäre und damit die Grundrechte verletze. Am stärksten ist dieser Gedanke bei den 16- bis 24-Jährigen ausgeprägt. 60 Prozent dieser Gruppe sind davon überzeugt. Insgesamt 22 Prozent sehen solche Geheimdienstaktion allerdings als „gerechtfertigt“ an, „solange es der Sicherheit aller dient“.

Mehrheitlich wird kritisiert, dass derzeit zu wenig für den Datenschutz in Deutschland unternommen wird. 47 Prozent sind insgesamt dieser Ansicht. Bei den Gruppen 25 bis 34 Jahre sowie 55 bis 64 Jahre liegt der Wert bei jeweils über 50 Prozent.

Die Umfrage zeigt, wie sehr die Menschen ein gutes Gespür dafür haben, dass der Schutz der Privatsphäre längst kein nationales, sondern ein internationales Anliegen ist. Hoffentlich findet die Politik bei diesem Thema insgesamt und nicht nur gegenüber den USA gemeinsame Positionen. Nur durch ein einheitliches und gemeinsames Auftreten der EU-Mitgliedsstaaten kann das Vertrauen der Menschen in die Digitalisierung gestärkt werden.

Matthias Kammer, Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI)

Auffällige Gleichgültigkeit

Generell lehnt die große Mehrheit den Zugriff auf private Daten im Netz durch Außenstehende ab. 83 Prozent aller Befragten würde einen Datenzugriff ausländischer Sicherheitsbehörden nicht erlauben. Im Vergleich zur repräsentativen PRISM Online-Blitzumfrage von DIVSI im Juni 2013 zeigt sich hier eine interessante Veränderung: Zwar waren bereits im vergangenen Jahr 84 Prozent dagegen, ausländischen Sicherheitsbehörden Zugriff auf private Daten zu gestatten – jeder Zweite war jedoch der Meinung, dass deutsche Sicherheitsorgane grundsätzlich durchaus Zugriff auf private Daten haben dürften. 2014 sehen dies nur noch 39 Prozent der Befragten so.

Die Untersuchung hat auch eine gewisse Gleichgültigkeit gezeigt. Zwar glaubt insgesamt die Mehrheit (56 %), jeder werde abgehört. Am stärksten (73 %) ist hiervon die Gruppe der 16- bis 24-Jährigen überzeugt. Andererseits sehen die meisten den Umgang mit Lauschangriffen recht locker. „Es interessiert mich nicht, ob meine Telefonate oder Mails abgehört oder aufgezeichnet werden. Ich habe nichts zu verbergen, und ich werde auch nichts ändern“, erklären 44 Prozent aller Befragten. Dabei ist gleichzeitig eine deutliche Mehrheit (55 %) sicher, dass die „meisten Menschen ihr tägliches Nutzungsverhalten nicht geändert“ haben. Von den 55- bis 64-Jährigen sind hiervon sogar zwei Drittel (66 %) überzeugt.

Nur 9 Prozent der Befragten geben an, wegen der Snowden-Enthüllungen beim Telefonieren, Mailen und Surfen im Internet „sehr viel vorsichtiger“ geworden zu sein. Weitere 14 Prozent verhalten sich seitdem „etwas vorsichtiger“.

Die Umfrage hat außerdem ergeben, dass das Internet insgesamt als die überwiegende Informationsquelle für das aktuelle Tagesgeschehen auf Platz 4 liegt (39 Prozent nutzen es hierfür). Spitzenreiter ist das Fernsehen (66 %) vor der Zeitung (53 %) und dem Radio (40 %).

Starke EU gefordert

Diese Wertigkeitsskala ändert sich allerdings mit Blick auf die speziellen Altersstruktuen. Das Internet als Informationsquelle ist bereits Spitzenreiter bei den 25- bis 34-Jährigen (75 %) sowie bei den 16- bis 24-Jährigen (62 %). Bei diesen Gruppierungen rutschen die klassischen Zeitungen mit 33 bzw. 21 Prozent deutlich ab. Diese Zahlen könnten eine allgemeine Verschiebung bei der Art von Informationssammlung signalisieren.

Die Mehrheit der Befragten (52 %) hält ein starkes, gemeinsames Auftreten der Europäischen Union beim Thema Datenschutz gegenüber den USA für wichtig. 26 Prozent finden, dass jeder Staat zunächst einmal seinen eigenen Standpunkt finden sollte. Und 16 Prozent haben quasi resigniert. Sie sind überzeugt, dass die USA ohnehin machen, was sie wollen.

Snowden selbst ist durch seine Enthüllungen übrigens zur prominenten Figur geworden. Insgesamt 80 Prozent der Befragten wissen ihn richtig einzuordnen. Dieser sehr hohe Bekanntheitsgrad bei allen soziodemografischen Gruppierungen macht deutlich, welche Aktualität die Vorgänge rund um seine Person und die Enthüllungen haben.

Weitere Infos zu unserer Umfrage über die Snowden-/NSA-Wahrnehmung in Deutschland

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Der Autor

Meike Otternberg

Meike Otternberg

Foto: Frederike Heim

ist Projektleiterin bei DIVSI, verantwortet diverse Studienprojekte des Instituts.

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