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Beteiligung im Internet: Im Prinzip sind alle dabei!

16. Oktober 2015

Beteiligung im Internet: Im Prinzip sind alle dabei!

Bild: venimo – Shutterstock

Neue DIVSI Studie zeigt ganz unterschiedliche Sichtweisen in den verschiedenen Milieus.

Von Meike Otternberg

Deutsche Internet-Nutzer sind auf einer Reihe von Feldern aktiv im Netz dabei. Sie nutzen es für Teilhabe an Kultur, Bildung, Gesundheit und Wirtschaft. Häufig findet Beteiligung im wirtschaftlichen Kontext statt, aber auch in Verbindung mit Hobbys oder für zivilgesellschaftliche Anliegen. So lautet ein Kernergebnis einer neuen qualitativen DIVSI-Untersuchung, realisiert mit den Experten des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen im Rahmen des DIVSI-Forschungsprogramms „Beteiligung im Internet“.

Gleichzeitig macht die Studie deutlich, dass Beteiligung im politischen Bereich eine eher untergeordnete Rolle spielt. Nur wenige setzen sich im Internet für politische Anliegen ein, indem sie Kommentare schreiben, Parteien folgen, in politischen Foren diskutieren oder E-Petitionen unterzeichnen. Es sind wenige, die sich digital an Politik beteiligen und sie auf diesem Weg beeinflussen oder verändern wollen.

Wer, wie, wann, warum?

Doch was verstehen die Internet-Nutzer eigentlich unter Beteiligung im Internet? Wer ist wie und mit welcher Absicht dabei? Die aktuelle Studie zeigt hier eine enorme Bandbreite. Sie beginnt bei der Vorstellung, dass bereits reines Online-Sein Beteiligung ist. Zitat: „Ich finde, man ist immer dann beteiligt, wenn man, wie z.B. bei einem Computer, auf das Internet-Symbol klickt. Weswegen ich die letzten Tage am Internet beteiligt war.“

Auf der anderen Seite gibt es jene, die unbedingt auf den kreativen, produktiven Aspekt Wert legen. Demnach beteiligt sich nur, wer etwas schafft, ergänzt oder verändert: „Damit sich jemand beteiligt, müsste man bloggen, in Foren Hilfestellung geben und versuchen, in irgendeiner Art und Weise Spenden zu sammeln, also in irgendeiner Weise im Netz aktiv sein.“

Eindeutig zeigt die Studie, dass die Nutzer zwischen „aktiver“ und „passiver“ Beteiligung differenzieren. Das Aufnehmen von Informationen oder die Nutzung von Diensten, ein bloßes Herumsurfen sind Formen „passiver Beteiligung“. Man ist irgendwie Teil unserer digitalen Lebenswelt, ohne aber selbst etwas zu leisten. Dennoch scheint auch eine passive Beteiligung nicht unwichtig. Allein durch die Nutzung des Mediums und seiner Angebote tragen die „passiv Beteiligten“ dazu bei, dass diese bestehen können.

Im Unterschied dazu verlangt aktive Beteiligung einen höheren Aufwand und ist durch ein Mehr an Eigenverantwortung geprägt. Die Gruppe der „aktiv Beteiligten“ trägt nachhaltig zur Ergänzung des Internets bei, etwa durch Kommentare in einem Forum. Solche Äußerungen können eine Diskussion beflügeln, wertvoller machen – und auf diese Weise auch das Internet insgesamt.

Auch negative Beteiligung ist ein Thema. Denn im globalen Netz lassen sich auch für zwielichtige Projekte und Ideen Anhänger finden. Es bestehen bei Internet-Nutzern außerdem Ängste, durch Unachtsamkeit im Internet ggf. mit den falschen Anliegen in Verbindung gebracht zu werden.

Datenspuren

Beteiligung im Internet bedeutet immer auch, dass man genau dadurch Datenspuren hinterlässt. Diese werden umso sichtbarer, je stärker das Engagement des Einzelnen ist. Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich die Nutzer darüber im Klaren zu sein scheinen. Zitat: „Umso öffentlicher ich mitmache, desto angreifbarer mache ich mich.“

Bei einer Beteiligung muss man sich also zwangsläufig exponieren und wird so angreifbar für Kritik, Beleidigungen, Mobbing, Verfolgung oder Überwachung. Um sich von solchen negativen Auswirkungen nicht beeinflussen zu lassen, brauchen die Nutzer Vertrauen in die persönliche und auch technische Sicherheit, in die eigenen Kompetenzen, in den Anstand anderer Nutzer und in die Durchsetzbarkeit rechtlicher Spielregeln.

Viele Nutzer scheinen dieses Vertrauen zumindest bislang nicht aufzubringen. Deshalb können und wollen sie nur bedingt von den möglichen Vorzügen einer Beteiligung im Internet profitieren.

Um ein fundiertes Verständnis von Beteiligung in den (digitalen) Lebenswelten deutscher Internet-Nutzer zu gewinnen, wurden diese auf Basis der sieben DIVSI Internet-Milieus befragt. Die Milieus sind Ausprägungen einer Typologie, die Menschen nach sozioökonomischen Merkmalen, aber auch nach ihren Einstellungen gegenüber dem Internet und ihren Nutzungsgewohnheiten unterscheidet. Im Prinzip differenzieren die Milieus die Bevölkerung in drei Cluster: Digital Natives, Digital Immigrants und Digital Outsiders. Innerhalb dieser Gruppierungen gibt es weitere Spezifizierungen.

Angekommen

Grundsätzlich ist – so zeigt die Untersuchung – Beteiligung im Internet nicht nur bei den Digital Natives und den Digital Immigrants angekommen. Auch die Digital Outsiders werten ihre meist sehr selektive Nutzung als „Beteiligung“. Diese Erkenntnis ist unabhängig davon, dass die milieuspezifische Auslegung des Begriffs ganz unterschiedlich ausfällt.

Abbildung 4: Die DIVSI-Internet-Milieus (2013)

Studienansatz: Die Untersuchung baut auf den DIVSI Internet-Milieus auf.

Spaltungsgefahr

Die „Internetfernen Verunsicherten“ bleiben praktisch außen vor! Viele haben Mühe, die Vorteile einer Beteiligung im Internet zu erkennen. Dazu passt in der Logik diese Begründung: „Man sagt doch, ich bin Online-Nutzer und nicht Online-Beteiligter.“

Hier droht eine neue Qualität der digitalen Spaltung, ein „Participation Divide“. Auf der einen Seite finden wir dann jene Nutzer, die von den Vorteilen einer Beteiligung im Internet profitieren. Jene, die Kontakte knüpfen, ihre Interessen vertreten, etwas dazulernen, Geld verdienen oder mit den Möglichkeiten des Internets einfach nur Spaß haben wollen.

Auf der anderen Seite stehen alle, die den Zugang nicht finden, die das Internet selten und – falls doch einmal – mit großen Vorbehalten nutzen. Eine aktive Beteiligung im Internet findet bei ihnen kaum statt.

Stöbern schon Beteiligung?

Reiseportal: Ist Stöbern nach Urlaub schon Beteiligung? (Bild: venimo – Shutterstock)

Dabei kann aktives Engagement nicht nur für jeden einzelnen Nutzer persönliche Vorteile bieten. Aus individuell gesammelten Pluspunkten erwachsen weitere Chancen für die Gemeinschaft. Denn durch Beteiligung entsteht Sozialkapital – eine Substanz von immenser Wichtigkeit für jede Gesellschaft. Schon das Gefühl der Gemeinsamkeit kann als ein Vorteil der Beteiligung im Internet betrachtet werden.

Folgestudie

Es zeigt sich einmal mehr, wie wichtig Information und Aufklärung sind. Neben sachlicher Überforderung spielt außerdem oft fehlendes Vertrauen und Unsicherheit eine Rolle. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind gefragt, Hürden für eine aktive Beteiligung im Internet zu senken. Und schon jeder einzelne Nutzer kann durch sein Verhalten zum guten Umgang miteinander beitragen.

Die Arbeiten am Gesamtprojekt „Beteiligung im Internet“ sind mit der jetzt vorgestellten zweiten Studie nicht abgeschlossen. 2016 wird sich als dritter Teil eine repräsentative Untersuchung zu den Fragenkomplexen anschließen.

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Der Autor

Meike Otternberg

Meike Otternberg

Foto: Frederike Heim

ist Projektleiterin bei DIVSI, verantwortet diverse Studienprojekte des Instituts.

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