Vier Jahre nach Veröffentlichung der ersten DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet stellte das DIVSI gemeinsam mit dem SINUS-Institut am 28. Juni in Berlin die aktualisierten DIVSI Internet-Milieus 2016 vor. Die Studie zeigt auf, dass die Digitalisierung der Gesellschaft und die Verbreitung des Internets zwar längst keine neuen Erscheinungen mehr sind, mit Blick auf die Innovationsdynamik der Digitalisierung aber noch immer von einer rasanten Entwicklung gesprochen werden kann. Deutlich wird, dass sich die resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen nicht auf das Online-Verhalten der Menschen beschränken, sondern auch ihre Einstellungen und Überzeugungen im Kontext Internet und digitale Medien betreffen.
Die technischen Entwicklungen der vergangenen vier Jahre und ihre steigende Bedeutung als selbstverständliche Infrastruktur haben deutliche Spuren im Alltag der Menschen hinterlassen. Zusammengefasst ergeben die Studienergebnisse im Kern Folgendes:
Neben der Identifikation übergeordneter Trends war es – wie in der Vorgängerstudie – wesentliches Ziel der Untersuchung, die unterschiedlichen digitalen Lebenswelten genauer zu verstehen. Die folgende Darstellung zeigt, wie sich die DIVSI Internet-Milieus 2016 entlang zweier Achsen verteilen: der sozialen Lage auf der vertikalen und der Einstellung zum Internet sowie der grundlegenden Werthaltung auf der horizontalen Achse. Je höher eine Gruppe in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung und Einkommen. Je weiter rechts ein Internet-Milieu angesiedelt ist, desto wichtiger und selbstverständlicher ist das Online-Sein und desto mehr Aktivitäten finden online statt – zumeist verbunden mit der Tatsache, dass diese Personen auch mehr Zeit online verbringen als diejenigen, die in der Grafik weiter links zu finden sind.
Insgesamt betrachtet können im Vergleich zu 2012 eine Zunahme und eine Ausdifferenzierung derjenigen Gruppen festgestellt werden, die dem Internet offen gegenüberstehen. Gleichzeitig wird der Anteil der weniger internetaffinen Menschen in Deutschland geringer.
Die Netz-Enthusiasten lieben das Internet. Sie können und möchten sich ein Leben „ohne“ nicht vorstellen. Sie sind besonders aktive und souveräne Nutzer, die ihren Alltag weitestgehend online leben und organisieren und eine ausgesprochene Begeisterung für Soziale Netzwerke teilen. 13 Prozent von ihnen sind fast den gesamten Tag online (7 Prozent im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung).
„Also, ohne das Internet ist es schon echt extrem schwer heutzutage. Natürlich, ich kann leben, aber mein Leben, so wie es jetzt ist, wäre komplett anders. Also auf den Kopf gestellt.“ (weiblich, 24 Jahre)
Souveräne Realisten sind unaufgeregte Intensivnutzer. Sie sind zwar von den bisherigen und in Zukunft zu erwartenden Errungenschaften und Möglichkeiten des Internets überzeugt, beobachten die digitale Entwicklung aber durchaus kritisch – insbesondere, wenn es um Soziale Netzwerke geht. In diesem Internet-Milieu sind 83 Prozent täglich online (gesamt: 59 Prozent).
„Meine gesamte Arbeit wäre ohne das Internet nicht möglich. Also das ist quasi die Basis meiner Existenz.“ (männlich, 32 Jahre)
Die Effizienzorientierten Performer sind vom Internet begeistert, allen voran von den mobilen Möglichkeiten, die den beruflichen wie privaten Alltag erleichtern. Die Verantwortung, für Sicherheit im Netz zu sorgen, sehen sie zwar – stärker als alle anderen Internet-Milieus – beim Staat, Sicherheitsrisiken begegnen sie aber dennoch proaktiv, souverän und pragmatisch.
„Ich brauche das Internet, und ich kann mir auch nicht mehr vorstellen, ohne zu leben, einfach, weil ich in der Welt lebe, in der ich lebe.“ (männlich, 39 Jahre)
Unbekümmerte Hedonisten partizipieren ausgiebig an den Möglichkeiten des Internets und sind dabei besonders begeistert von Sozialen Netzwerken. Dennoch sind sie nicht souverän im Umgang mit dem Netz und gestehen sich das auch selbst ein. Vor allem der Umgang mit persönlichen Daten ist unbedarft und ihre Gefahren- und Risikowahrnehmung widersprüchlich. Sicherheitsmaßnahmen ergreifen sie vergleichsweise selten – teils aus Unwissenheit, teils aus Arglosigkeit.
„Ohne Internet würde mir diese Gewohnheit fehlen, auch so etwas wie eine körperliche Gewohnheit, also aufzustehen und erst mal aufs Handy zu patschen.“ (weiblich, 26 Jahre)
Verantwortungsbedachte Etablierte sehen die Digitalisierung als positive und wichtige Entwicklung, an der sie in jedem Fall teilhaben möchten. Ihre Einstellung zum Netz ist aber nicht euphorisch, sondern eher abwägend und besonnen. Sie sind zwar regelmäßig, aber selektiv im Netz unterwegs. Soziale Netzwerke und Unterhaltungsansprüche spielen nur eine unterdurchschnittliche Rolle. In puncto Sicherheit sehen sie zuallererst den Nutzer selbst in der Verantwortung, erwarten aber auch vom Staat ein eindeutiges Engagement.
„Also, ich würde mich auch ohne Internet nicht langweilen. Dann könnte ich mich endlich meinen ganzen Büchern, meinen CDs und Sprach-CDs widmen, und dann habe ich auch noch das Fernsehen.“ (weiblich, 52 Jahre)
Vorsichtige Skeptiker sind zurückhaltende Nutzer. Sie sind häufig überfordert und wenig souverän im Umgang mit dem Internet. Gefahren im Kontext Datensicherheit erscheinen ihnen groß und unüberschaubar. Besonders kritisch sehen sie den Umgang von Unternehmen mit persönlichen Daten. Im Milieu-Vergleich haben sie mit die stärksten Bedenken im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung.
„Ohne Internet zu sein, ist ja wie Fasten. Das tut auch gut, mal auf etwas zu verzichten. Und dann sieht man erst, wie abhängig man vielleicht ist. Das wird einem dann erst bewusst, wie oft man online ist.“ (weiblich, 34 Jahre)
Internetferne Verunsicherte sind im Umgang mit dem Internet stark überfordert und nehmen deutlich mehr Risiken als Chancen wahr. Das führt zu einer extrem zurückhaltenden Nutzung oder zu einer rigorosen Meidung des Netzes (knapp drei Viertel sind Offiiner). Weil sie sich mit dem Internet kaum auskennen, delegieren sie die Verantwortung für die Sicherheit vor allem an den Staat und die Unternehmen und nehmen sich selbst vergleichsweise wenig in die Verantwortung.
Ich gehe sehr vorsichtig mit dem Internet um, eher distanziert. Also, ich bin ein Mensch, der lebt noch von Printmedien, das ist so, und da wird sich auch nicht mehr groß was ändern.“ (männlich, 61 Jahre)
Die DIVSI Internet-Milieus beschreiben nicht nur die verschiedenen Einstellungen zum Internet, sondern zeigen auch milieuspezifische Grade der Teilhabe bzw. Teilhabechancen am digitalen Leben auf.
Joanna Schmölz, Vize-Direktorin des DIVSI und verantwortlich für die Studien: „Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen eindrücklich, dass die Teilhabechancen an der digitalisierten Zukunft über die DIVSI Internet-Milieus ungleich verteilt sind. Und das ist längst mehr als eine Frage danach, ob jemand technischen Zugang zum Internet hat oder nicht. Zur Sicherstellung der digitalen und damit auch immer mehr der sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe reicht weder die Bereitstellung technischer Zugänge noch die Motivation zu mehr Internet-Nutzung aus. Entscheidend ist vielmehr, die Menschen auch entsprechend zu befähigen, sich souverän in der digitalen Welt bewegen und Risiken richtig einschätzen zu können.“
Für die Frage, wie die jeweiligen Personengruppen erreicht und angesprochen werden können, liefert die vorliegende Studie detaillierte Beschreibungen der digitalen Lebenswelten in Deutschland. Zudem identifiziert sie diejenigen Internet-Milieus, die Gefahr laufen, von zukünftigen Entwicklungen ausgeschlossen zu sein, obwohl sie Onliner sind. Dabei wird deutlich, dass die Grenzen künftig immer weniger zwischen Onlinern und Offiinern verlaufen werden, sondern zwischen denjenigen, die den digitalen Wandel aktiv mitgestalten, und denen, die daran teilhaben wollen, aber nicht können.