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Die Kernbotschaften der DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet

16. Januar 2012

27 Millionen sind Digital Outsiders. Zwei Gräben trennen unsere digitale Gesellschaft.  Drei Viertel der Deutschen erwarten, dass Staat und Wirtschaft aktiv für ihre Sicherheit im Internet sorgen.

Von Dr. Silke Borgstedt

Die „DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet“ liefert wichtige und neue Erkenntnisse für alle, die sich in welcher Weise auch immer mit dem Internet beschäftigen – sei es aus den Bereichen Politik, Wirtschaft oder Öffentlichkeit. Die Ergebnisse der Studie – im Auftrag von DIVSI durch das Sinus-Institut realisiert – stellen gleichzeitig eine Reihe von festgeschriebenen Behauptungen infrage, die bislang als gesichert galten.

Nie zuvor wurde eine derartige Untersuchung so differenziert und mit solcher Detailgenauigkeit durchgeführt. Deshalb bilden die zentralen Ergebnisse der Studie eine Grundlage, auf der sich verschiedene Maßnahmen zur Steigerung von Vertrauen in das Internet und zur Förderung von Sicherheit im Internet entwickeln lassen.

Grundsätzlich unterscheidet die DIVSI Studie drei Bevölkerungsgruppen in Deutschland in Bezug auf deren Einstellungen zum Internet sowie dessen Nutzung:

  • Digital Outsiders. Sie sind entweder vollständig offline oder stark verunsichert im Umgang mit dem Internet. Deshalb nutzen sie es so gut wie gar nicht.
  • Digital Natives. Sie sind mit dem Internet groß geworden und haben es in vollem Umfang in ihr Leben integriert.
  • Digital Immigrants. Sie bewegen sich regelmäßig aber sehr selektiv im Internet. Vielen Entwicklungen stehen sie skeptisch gegenüber. Dies besonders, wenn es um die Themen Sicherheit und Datenschutz geht.

Eine Unterscheidung zwischen technisch online oder offline spiegelt die Realität nicht richtig wider

Die Untersuchung hat ergeben, dass fast 40 Prozent der Deutschen Digital Outsiders sind. Die bisherige Differenzierung von ca. 80 Prozent Onlinern und ca. 20 Prozent Offlinern ist nach den aktuellen Erkenntnissen nicht stimmig. Sie führt vielmehr zu Fehldeutungen über den Zustand der digitalen Gesellschaft in Deutschland.

Die Ergebnisse der DIVSI Studie zeigen, dass tatsächlich doppelt so viele Menschen in Deutschland komplett oder nahezu komplett ohne Internet leben, wie bislang angenommen.

Unsere digitale Gesellschaft zählt etwa 72 Millionen Menschen. Davon sind also fast 27 Millionen Digital Outsiders.

Eine weitere Erkenntnis: Rund 41 Prozent, sind Digital Natives. Das sind Menschen, die mit dem Internet groß geworden sind und es in vollem Umfang in ihr Leben integriert haben. Für  sie ist ein Alltag ohne das Netz nicht (mehr) vorstellbar. Ihr Lebensmotto könnte lauten: Ich surfe, also bin ich.

Die verbleibenden ca. 20 Prozent der Deutschen sind Digital Immigrants. Sie nutzen das Internet einerseits gezielt dort, wo es einen unmittelbaren Nutzen verspricht – etwa bei der Planung eines Urlaubs oder bei der Suche nach einem Schnäppchen zu bestimmten Artikeln. Andererseits hegt diese Gruppe zum Teil konkrete Vorbehalte gegen das Internet und achtet deshalb darauf, sich von dieser Technik nicht abhängig zu machen.

Bei allen Diskussionen um den Zustand der digitalen Gesellschaft in Deutschland ist man bislang davon ausgegangen, dass diese nur durch den Graben zwischen Onlinern und Off-linern gespalten sei. Eine auf technisch online oder offline beschränkte Unterscheidung spiegelt jedoch die Realität nicht richtig wider. Es muss auch beachtet werden, wie die Menschen das Internet tatsächlich nutzen. Nach einer solchen Betrachtung kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass es zwei Gräben in der digitalen Gesellschaft gibt.

Der erste trennt die Digital Outsiders auf der einen von den Digital Immigrants und den Digital Natives auf der anderen Seite. Für die Digital Outsiders stellt das Internet eine digitale Barriere vor einer Welt dar, von der sie sich ausgeschlossen fühlen und zu der sie keinen Zugang finden.

Der zweite Graben verläuft zwischen den Digital Natives auf der einen Seite und den Digital Immigrants und den Digital Outsiders auf der anderen Seite. Die Digital Natives begreifen das Internet als einen Tummelplatz, in dem sie sich frei und ganz selbstverständlich bewegen. Für sie stellt die digitale Welt einen wesentlichen Teil des Lebens dar. Sie stehen ihr sehr positiv gegenüber und können nicht nachempfinden, dass sich die anderen Gruppen im Internet nicht ebenso zuhause fühlen.

Neben diesen Befunden zeigt die „DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet“ einen weiteren wichtigen Ergebniskomplex. Dieser enthält zwei wesentliche Aspekte. Es geht dabei um ganz unterschiedliche Verant- wortungskonzepte in Bezug auf die Internet-Nutzung. Die einen fordern mehr staatliche Hilfe zur sicheren Nutzung des Internets. Die anderen betonen die Eigenverantwortlichkeit jedes Users. Konkret hat die Studie gezeigt: Fast drei Viertel der Deutschen (74 Prozent) erwarten, dass Staat und Wirtschaft aktiv für ihre Sicherheit im Internet sorgen. Die Mehrzahl der Digital Natives dagegen sieht hier den Nutzer selbst in der Pflicht. Diese Gruppe fühlt sich souverän genug, die Risiken des Internets zu kennen und damit umgehen zu können. Freiheit, Nutzen und Flexibilität haben absoluten Vorrang vor staatlicher Reglementierung, die sie zum Teil kategorisch ablehnen.

Projektion der Typen auf das Bezugssystem der Sinus-Milieus mit den beiden Hauptachsen Grundorientierung (horizontal) und soziale Lage (vertikal)

Ganz unterschiedliche Überzeugungen ermittelt die Studie in der Frage, wie sicher das Internet überhaupt sein kann. Etwa ein Drittel der Internetnutzer glaubt, dass vollständige Sicherheit im Netz möglich ist. Dieser Ansicht ist in besonderem Maße die Gruppe der Digital Natives. Etwa die Hälfte der Nutzer ist dagegen überzeugt, dass eine vollständige Sicherheit im Netz nicht möglich ist. Der verbleibende Rest wagt zu dieser Frage keine klare Stellungnahme.

Die Ergebnisse der „DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet“ machen insgesamt deutlich: Die Politik steht vor der schwierigen Herausforderung, diametrale Sicherheitsbedürfnisse befriedigen zu müssen. Noch einmal die beiden Eckpunkte:

Fast drei Viertel der Bevölkerung erwarten staatliche Maßnahmen zur Gewährleistung von Sicherheit im Internet.

Die von solchen staatlichen Maßnahmen am stärksten betroffene Gruppe der Digital Natives lehnt staatliche Reglementierung mehrheitlich ab und hat z. T. kein Verständnis für die Probleme und Bedürfnisse der anderen Bevölkerungsgruppen in Bezug auf das Internet und dessen Nutzung.

Die große gesellschaftspolitische Herausforderung liegt also darin, diese unterschiedlichen Welten zu versöhnen.

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Der Autor

Dr. Silke Borgstedt

Dr. Silke Borgstedt

Foto: SINUS-Institut

ist Direktorin der Abteilung Sozialforschung am SINUS-Institut in Berlin und Expertin für Mediensozialisation.

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