Kürzlich war DIVSI-Direktor Matthias Kammer zu Gast im alpha-Forum. In der Sendung sprach er mit Isabella Schmid über die neuen Chancen und Risiken des digitalen Wandels.
Gerade nach den Snowden-Leaks sei, so Kammers Eindruck, die Wertschätzung von Privatsphäre enorm gestiegen. Jedoch trete hier ein gewisses Paradoxon auf, wenn 80 Prozent der Menschen angeben, dass sie die Weiterverwendung ihrer Nutzerdaten durch Unternehmen ablehnen und gleichzeitig 75 Prozent kostenlose Dienste in dem Wissen nutzen, dafür mit ihren eigenen Daten zu zahlen. Die Herausgabe der eigenen Daten werde in Kauf genommen, weil der Gewinn an Bequemlichkeit sowie die höhere Alltags- und Lebensqualität überwiegen würden.
Das Problem der Privatsphäre sei eng verknüpft mit der Unverständlichkeit und Intransparenz von AGB. Die Mehrheit der Internet-Nutzer klicken die AGBs oftmals nur schnell durch und lediglich 20 Prozent würden überhaupt die AGBs von Diensten lesen. Hier bestehe daher noch ein großer Handlungsbedarf, um einen gemeinsamen Konsens darüber auszuformulieren, welcher Umgang mit Daten seitens der Unternehmen gesellschaftlich akzeptiert werde und wann der Staat eingreifen müsse. Kritisch werde es, wenn sensible Finanz- oder Gesundheitsdaten für Big Data-Geschäftsmodelle genutzt werden, die letztendlich zu einer Diskriminierung von Menschen führen könne und existenzielle Konsequenzen nach sich zöge. Mit dem Projekt „Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex?“ versuche DIVSI an dieser Stelle, exemplarisch in den Bereichen Health und Mobility Weichen für eine Diskussion zu stellen. Eine Lösung könnte z.B. die Umsetzung einer Ampel sein, die auf den ersten Blick über das Risiko eines jeweiligen Dienstes informiere.
Generell sei der Wert von Daten immens gestiegen, wie die gegenwärtigen Ausprägungen von Cybercrime zeigen. Cybercrime ist insgesamt zu einem ernsten Problem geworden, für das die Nutzer noch nicht ausreichend sensibilisiert seien. Positiv sei aber herauszustellen, dass die Wirtschaft bereits darauf reagiere und Unternehmen IT-Security zunehmend als Priorität behandeln würden.
Insgesamt plädiert Matthias Kammer für eine ausgewogene Diskussion, in der man zuerst über die Chancen der Digitalisierung sprechen sollte und dann über damit verbundene Risiken – und eben nicht umgekehrt. Schließlich seien die digitalen Medien erst einige Jahre alt und hätten doch in einer beispielslosen Geschwindigkeit bereits umfassende gesellschaftliche Umwälzungen angestoßen. Es sei deshalb vollkommen verständlich, dass die Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft intensive Diskurse führen müssten, wie die Herausforderung des digitalen Wandels so bewältigt werden können, dass die Interessen der Wirtschaftsakteure gleichermaßen berücksichtigt werden wie die digitale Selbstbestimmtheit des Einzelnen. Innerhalb einer solchen Diskussion müsse dann auch ausgehandelt werden, in welchem Umfang der Umgang mit Daten gesetzlich zu reglementieren sei oder als gesellschaftlich verbindliche Spielregeln in Form eines digitalen Wertekodex festgehalten werden solle.
Auch zitiert Matthias Kammer in diesem Interview die DIVSI U9-Studie. Dabei geht er darauf ein, wie Kinder und Jugendliche sich in die digitale Zeit hinein entwickeln und wie Familien ihren digitalen Alltag organisieren können.
Transkript der Sendung: http://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/matthias-kammer-gespraech-100.html
ARD-alpha ist ein deutscher Fernseh-Bildungskanal unter Federführung des Bayerischen Rundfunks. Im Programmformat alpha-Forum werden Prominente Persönlichkeiten interviewt.