Foto: Stefan Zeitz
Über Nana Domenas Gesicht kullern große Schweißperlen. Er ist voller Energie. Um ihn herum Sand, Palmen und euphorische Menschen.
Der aus Ghana stammende Moderator hat soeben mit Matthias Kammer, Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet, die erste „Your Net-Convention“ im Beach Hamburg eröffnet. „Ich erhoffe mir, dass die jungen Leute im Netz vom Nutzer zum Macher werden“, sagt Kammer.
Ungewöhnlich ist die Location. Aus Liegestühlen kann man die Veranstaltung verfolgen. „Man ist irgendwie vom Alltag herausgelöst“, sagt Stimmungskanone Domena, der begeistert von der Idee ist, durch Sand bei einem Kongress zu laufen.
Mit dabei sind Viviana und Lennart. Der 16-jährige Schüler interessiert sich wie auch viele andere für den Datenschutz im Internet.
Mit der Convention erhofft er sich, wichtige Fragen beantwortet zu bekommen. Wie öffentlich muss unser Leben sein? Wie schnell werden unsere Daten missbraucht? Ist ein Leben ohne Internet vorstellbar?
Dafür stehen Referenten auf Podiumsdiskussionen und in Workshops Rede und Antwort. Große der Szene wurden eingeladen. Einer der bekanntesten ist Max Schrems. Der österreichische Autor sorgt derzeit mit einer Schadensersatzklage im Millionenbereich gegen Facebook für Furore – wie auch gegen das NSA-Überwachungsprogramm „PRISM“, über das in Kürze der Europäische Gerichtshof entscheiden wird.
Für die 20 Jahre junge Viviana wurde das Thema jedoch oft genug in den Medien thematisiert.„Die NSA-Affäre ist schon ausgekaut“, sagt die Kommunikationsstudentin und besucht daher am Vormittag den Workshop „Berufsfeld Internet“.
Zeitgleich verfolgt Lennart im Plenum die Podiumsdiskussion „Privacy – Wie öffentlich möchtest du sein?“. Mit dabei sind unter anderem Max Schrems und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Der Datenklau wird auch debattiert. Dass man nüchtern betrachtet als Nutzer nicht viel gegen den Internetriesen Facebook und dessen Datenmissbrauch unternehmen kann, lautet im Endeffekt das Fazit.
Podiumsdiskussion Privacy mit Michaela Schröder, Sebastian Hahn, Daniel Bröckerhoff, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Max Schrems (v.l.) (Foto: Yi-Ji Lu)
„Man sollte am besten keine Postings machen, die nicht notwendig sind. Sonst kann man nicht viel tun, außer dass man auf alles verzichtet. Denn selbst bei der Synchronisation des Handys deines Freundes gelangen Informationen von dir ins Netz“, sagt Schrems.
Draußen im Pavillon ist der Workshop zu Ende gegangen, den Viviana besuchte. In der Hoffnung, neue Impulse zu bekommen, wurde sie ein wenig enttäuscht. „Es hat mir nicht wirklich was gebracht. Das lag vielleicht auch an den jungen Teilnehmern. Die Fragen gingen teilweise echt am Thema vorbei“, erzählt die Studentin. Zudem gab es Probleme mit dem WLAN, weshalb kaum Zeit für die Gruppenarbeit blieb.
Währenddessen beschäftigt man sich ein paar Pavillons weiter mit der Frage: „Liegt im Netz immer die Wahrheit?“ Wie schwierig es ist, Fehlinformationen von der Wahrheit zu trennen, zeigt der „Stinkefinger-Eklat“ um den griechischen Finanzminister Varoufakis. Wenn selbst die seriösen und öffentlich-rechtlichen Sender nicht die Wahrheit wissen, wie kann dann der Einzelne verlässliche Informationen aus dem Internet beziehen?
„Im Internet läuft es nicht mehr so ab, dass nur noch Medienmacher Informationen zu den Konsumenten spielen, sondern dass es auch mittlerweile umgekehrt ablaufen kann. Informationen sind somit inzwischen von jedermann manipulierbar“, sagt der Mediendesigner Anselm Sellen und rät: „Wichtig ist, dass jeder eine tiefe Sensibilität besitzt, Informationen aus dem Internet aufzunehmen und diese zu hinterfragen.“
Ein wenig erschöpft strömen die 500 Teilnehmer nach den ersten neun Workshops in die zwei großen Hallen, um sich am Buffet zu bedienen. Essen, Getränke, Unterkunft und Anreise sind für alle Teilnehmenden kostenlos. „Ziel war es, diese Veranstaltung jedem zu ermöglichen – also allen frei zugänglich zu machen“, so Direktor Kammer.
Auch in das Plenum strömen wieder die Massen. Anziehungspunkt ist diesmal Deutschlands erster IT-Comedian. Die Zuschauer werden beim Live-Hacker Tobias Schrödel Augenzeuge, dass es nicht lange braucht, Passwörter oder Smartphones zu knacken. Mithilfe eines ZIP-Archives kann er in nur acht Sekunden ein fünfstelliges Passwort knacken. „Zum einen sollten vernünftige Passwörter verwendet werden. Nicht zu vergessen ist ein aktueller Virenschutzscanner. Und alles, was funkt, nicht immer nur funken lassen. Sondern nur verwenden, wenn man es braucht“, rät Schrödel.
Live Hacking: Tobias Schrödel zeigt, wie leicht er in Laptops etc. eindringen kann. (Foto: Yi-Ji Lu)
In den Nachmittagsworkshops sind unter anderem Florian Thalmann, Journalist, und Alexander Bangula, YouTube-Blogger, dabei. Während Alexander Bangula, bekannt als „Mr. Helfersyndrom“, beruflich aufs Internet angewiesen ist, hat Florian Thalmann einen Selbstversuch gewagt und sich die Frage gestellt: „Ist ein Leben ohne Internet vorstellbar?“ Dafür war er vier Wochen offline. „Ich hatte viele Momente, wo ich kurz vor dem Einknicken war und gemerkt habe, jetzt brauche ich das Internet“, sagt Florian Thalmann und empfiehlt daher, nicht komplett auf das Internet zu verzichten: „Ich finde es wichtiger, man schafft sich kleine Oasen. Also dass man mal spazieren geht und das Handy zu Hause lässt.“
Der YouTube-Blogger Alex Bangula sieht es ähnlich. Sein Smartphone schaltet er etwa abends aus oder checkt nicht mehr unterwegs die Mails. „Man muss lernen, vernünftig umzugehen“, sagt er, der mit seinem Kanal mehrere Tausend Fans erreicht und Smartphones bewertet. Auf der Convention gibt er einen Einblick in das Business Internet und zeigt auch, wie er sein Geld verdient, etwa mit Affiliate-Marketing.
Vivianas zweiter Workshop ist mittlerweile auch vorbei. „Der Workshop jetzt war viel besser. Ich fand gut, dass sich gleich drei Professoren aus den Wissenschaftsfeldern Soziologie, Psychologie und Neurologie mit der Frage, wie uns das Internet verändert, beschäftigt haben“, sagt sie. Der Kongress hat ihr sehr gefallen. „Die Auswahl an Angeboten war groß. Man hätte vielleicht noch ein, zwei Workshops mehr mitnehmen können statt nur die zwei. Location, Atmosphäre und Programm waren auch gut.“
Auch Lennarts Fazit fällt positiv aus. Besonders der Live-Hacker hat ihm gefallen. „Man hört ja regelmäßig über diverse Sicherheitslücken. Aber irgendwie konnte ich mir nie richtig vorstellen, dass es jeden so einfach treffen könnte“, sagte er und will bewusster umgehen: „Ich werde in nächster Zeit einige meiner Passwörter ändern und weniger Daten in meiner Cloud speichern.“
Dafür, dass es die erste Veranstaltung war, fanden es beide gelungen. Auch Nana Domena ist begeistert: „Das ist wahnsinnig cool, dass die jungen Leute durch DIVSI so eine Chance bekommen.“
Fotografische Eindrücke gibt es unter: http://www.yournet2015.de/news/impressionen-von-der-your-net-divsi-convention-2015/
Mehr zu den Themen und dem Programm unter: http://www.yournet2015.de/