Ein Thema in der gewaltigen Arbeitspalette des neuen Europaparlaments steht bereits fest: neue Regelungssysteme für den Umgang mit Anbietern, Dienstleistungen und Infrastrukturen in der digitalen Welt. Dabei geht es nicht nur um eine regulative Neustrukturierung der Art und Weise, wie Güter und Werke produziert, verteilt und gehandelt werden können. Vielmehr bedarf es auch der Entwicklung neuer sozialer und ethischer Parameter zur Bewertung der komplexen Vorgänge im digitalen Raum.
Das Verfassungsrecht und die Grundrechte ringen mit neuen Geschäftsmodellen und den Interessenslagen alter und neuer Industriezweige, der Staaten wie auch der Nutzer. Welche digitale Ethik legen wir der Bewertung zugrunde, wenn es um die anonyme Nutzung des Internets geht? Wie schaffen wir überhaupt erst einmal die nötige Transparenz, um sinnvolle Regulierungsentscheidungen treffen zu können? Brauchen wir eine neue Währung im Netz? Eine Währung, die diejenigen Nutzer belohnt, die Angebote liken oder ihre Daten freiwillig zur Auswertung hinterlassen? Das sind Grundsatzfragen, die vieles im Umgang mit dem Internet auf den Kopf stellen werden. Ein „Weiter so wie bisher“ wird es nicht geben können.
Vor zehn Monaten haben DIVSI und das iRights.Lab das Projekt „Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex?“ aufgesetzt. Die seitdem geführten Diskussionen und Untersuchungen haben gezeigt: Es kam genau zum richtigen Moment. Mit den Ergebnissen dieser ersten intensiven Untersuchungsphase – insbesondere in den Bereichen „Verantwortung im Netz“ und „Die Rolle von Plattformanbietern“ – haben wir die Basis für die nächsten Schritte gelegt.
In der Startphase haben wir uns bewusst auf grundsätzlichere Fragestellungen konzentriert. Innezuhalten und sich zu vergegenwärtigen, mit welchen zentralen Herausforderungen man konfrontiert ist, funktioniert nur begrenzt, wenn man den Tickermeldungen folgt und diese zum Maßstab erhebt. Eine ruhige, aber keineswegs langsame Herangehensweise hat sich bisher für das Vorhaben als Erfolgsfaktor erwiesen. Aktuell laufen die Planungen für die nächsten Schritte im Maschinenraum des Projekts auf Hochtouren. Drei strategische Kernpunkte werden im Fokus stehen:
Diese drei übergeordneten Leitmotive bilden den Ausgangspunkt für die nächste Phase. Das Projekt zum Digitalen Kodex versteht sich dabei als Antrieb und Katalysator für Politik und Verwaltung wie auch für Unternehmen. Es geht uns um neue Ideen und Denkmodelle, neue Formen der Auseinandersetzung und der Schaffung von Regelungsmodellen für das alltägliche digitale Leben. Wir gehen dabei weder kulturpessimistisch noch Technik ablehnend an die Fragestellungen heran. Es geht uns dem Charakter nach um einen nüchternen, aber positiven Blick auf das Internet und all seine Möglichkeiten. Regulierung ist dabei weit mehr als rein gesetzliche Regulierung. Bereits die intensive Auseinandersetzung mit den genannten Fragen und weiteren Aspekten kann wesentlicher Teil einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, einer gesellschaftlichen Regulierung im Sinne der Bildung von Wertmaßstäben sein.
Die aktuell grassierende Sprachlosigkeit in vielen potenziell von Regulierung betroffenen strittigen Bereichen im Internet verdeutlicht dabei die Angst und Unsicherheit der Nutzer, wenn es um weitere Anwendungen und Entwicklungen geht. Sie äußert sich auch in einer Zurückhaltung bei Unternehmen hinsichtlich möglicher Investitionen und potenzieller Expansionen. Und nicht zuletzt zeigt sie vielfach die Überforderung von Politik und Verwaltung, das digitale Leben aktiv zu gestalten. Ziel unseres Projekts ist daher auch, eine neue Sprache für Dinge zu finden, die bisher schwer benannt oder definitorisch gefasst werden können. Wir sind dabei Teil von vielfältigen Überlegungen bei vielen, die sich mit ähnlichen oder anderen, thematisch verwandten Fragen beschäftigen, und wollen unseren Teil dazu beitragen.