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Von Meike Demattio
Welche Rolle spielt das Internet im Alltag junger Menschen? Wer ist im Internet ein „Freund“? Was bedeutet Vertrauen im Internet für sie? Die „DIVSI U25-Studie – Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt“ gibt erstmals umfassende Antworten in den relevanten Themenkomplexen. Eine wichtige Untersuchung, denn in den nächsten Jahren werden vor allem die heute Neun- bis 24-Jährigen wesentlich mitbestimmen, was im Hinblick auf Handeln im Internet zum Allgemeingut wird.
Die DIVSI Milieu-Studie zu „Vertrauen und Sicherheit im Internet“ zeigte digitale Gräben in der deutschen Gesellschaft auf: Für manche Menschen ist das Internet eine fremde Welt, manche tasten sich gerade vorsichtig in sie hinein, und eine dritte Gruppe ist so selbstverständlich online, dass sie sich kaum vorstellen kann, wie jemand ohne Internet leben kann.
Wird innerhalb der Gesamtbevölkerung nun nur die Gruppe der 14- bis 24-Jährigen betrachtet, wird deutlich: Digitale Gräben sind kaum mehr auszumachen. Nur zwei Prozent nutzen das Internet gar nicht. In der Gesamtbevölkerung finden sich zum Vergleich 19 Prozent Offliner.
„Als ich vor vier Jahren Abi gemacht habe, wussten meine Lehrer nicht mal, wie man ein Beamerkabel an einen PC anschließt (…), geschweige denn, dass die irgendwas über das Internet wussten.“ (männlich 18- bis 24-jährig)
Dennoch bedeutet „online sein“ nicht für alle der jungen Befragten das Gleiche. Vielmehr existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Einstellungen nebeneinander. Die Differenzierungen zeigen sich weniger in der Breite der genutzten Online-Angebote, in der Dauer des täglichen Online-Seins oder der Art und Weise des Zugangs zum Internet. Sie werden vielmehr in einer Positionierung zu netzrelevanten Themen und Fragen deutlich. Bedeutsam sind auch Unterschiede in der subjektiven Souveränität bei der Nutzung verschiedener Netzangebote. Es sind also zwar (fast) alle online, dieser Status sagt jedoch kaum etwas über die Haltung und Beziehung zum Internet aus.
„Internet muss jeder“ (weiblich 18- bis 24-jährig)
Die aktivsten „Onliner“ mit einer selbstverständlichen und intensiven Internet-Nutzung finden sich in den Milieus der Souveränen, Pragmatischen und Unbekümmerten. Zusammengenommen stellen diese drei U25-Internet-Milieus die deutliche Mehrheit dar. Diejenigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die eher selektiv und bewusst bis hin zu zurückhaltend oder auch verunsichert mit dem Internet umgehen, bilden die Milieus der Skeptiker, der Verantwortungsbedachten, der Vorsichtigen und der Verunsicherten.
Die sieben Milieus auf einen Blick: Projektion der Typen auf das Bezugssystem der Sinus-Milieus mit den beiden Hauptachsen Grundorientierung (horizontal) und Bildung (vertikal)
Die DIVSI U25-Studie liefert neben einer differenzierten Landschaft der jungen Netzkulturen auch darüber hinaus gehende wertvolle Erkenntnisse zu verschiedenen Schlagworten.
Seit Facebook wird das Wort „Freund“ inflationär genutzt. Als Ergebnis der Studie ist jedoch zu erkennen, dass die Befragten in dieser Hinsicht fein unterscheiden: Facebook-Freunde, Bekannte, enge Freunde. Die Bezeichnung „Freund“ ist zu einem multidimensionalen Begriff geworden, mit dessen unterschiedlichen Bedeutungen sicher hantiert wird. Unverändert macht Freundschaft mehr aus als gegenseitig gezeigte Profile in Online-Communitys. Auch heute geht es um geteilte Werte, Ansichten und Interessen und die Sicherheit, sich aufeinander verlassen zu können. Bei der Betrachtung der Anzahl von „Freunden“ im Netz gegenüber engen Freunden zeigen sich klare Abstufungen:
In der Gruppe zwischen neun und 13 Jahren werden durchschnittlich 57 Online-Freundschaften genannt. Etwa jeder Sechste gehört dabei zum tatsächlichen, engsten Freundeskreis.
Die zweite Phase (ab 14 Jahren) ist gekennzeichnet durch offensives Netzwerken und ein Gefundenwerden-Wollen. Die Zahl der Freunde gilt als Indikator für Beliebtheit. Bei im Schnitt 163 Online-Freundschaften zählen aber nur etwa elf als enge Freunde.
Phase drei (nach Schulzeit-Ende/Beginn des Studiums) bedeutet moderates Netzwerken. Die Zahl der Facebook-Freunde vergrößert sich vor allem durch neue Bezugsgruppen mit Eintritt in ein neues Umfeld und neue Lebensabschnitte. Bei durchschnittlich 175 Online-Freunden bezeichnen junge Erwachsene jedoch nur etwa neun als enge Freunde.
„Ein Freund bei Facebook ist noch lang‘ nicht ein echter Freund…“ (weiblich 14 bis 17-jährig)
Erkennbar ist ein neues Verständnis von Privatsphäre. Als schützenswert gelten vor allem Informationen, welche die soziale Reputation potenziell gefährden können. Klassische personenbezogene Daten dagegen werden als weniger schützenswert betrachtet.
Ein gewisses Maß an Offenheit in Online-Communitys wird als Muss angesehen. Für 50 Prozent der Jugendlichen hat bei Facebook nichts verloren, wer nichts von sich preisgibt. Gleichzeitig werden dort selten intime Gespräche geführt oder ernste Themen besprochen. Über 90 Prozent sprechen über private Dinge lieber persönlich.
„Es ist einfach so, dass man im Chat z. B. viel weniger mitleidig ist und viel skrupelloser als im wirklichen Leben, weil man die Personen nicht sieht und die einen auch nicht sehen.“ (weiblich 14- bis 17-jährig)
Das Internet wird mit zunehmendem Alter immer unentbehrlicher. Während 22 Prozent der neun- bis 13-Jährigen täglich das Internet nutzen, sind es bei den 14- bis 17-Jährigen bereits 67 Prozent und bei den 18- bis 24-Jährigen 72 Prozent.
Das Aufkommen von mobilen internetfähigen Geräten hat dabei das Online-Sein vollkommen neu in den Alltag der Nutzer integriert. Das Smartphone ist zum ständigen Begleiter geworden. Es ist Weg-Navigator, Organisationswerkzeug, Unterhaltungsmedium und Kommunikationsstandleitung zu den Freunden in einem. Dagegen wird deutlich weniger Zeit an Laptops oder stationären Computern verbracht.
Im subjektiven Empfinden der Befragten sind die Grenzen zwischen Online- und Offline-Zeiten fließend. Offline zu sein ist vielmehr ein Ausnahmezustand – eine Notsituation.
Die Untersuchung zeigt: Digitale Medien und „Online-Sein“ sind heute im Alltag von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen fest verankert. Wird im öffentlichen Diskurs jedoch pauschal von „der“ Internet-Nutzung „der“ jungen Menschen gesprochen, verschleiert dies den Blick auf die unterschiedlichen digitalen Lebenswelten und Denkmuster. Es gilt, die unterschiedlichen Einstellungen, Nutzungsweisen und Bedürfnisse der jungen Menschen im Internet in den Blick zu nehmen, um mit Ihnen in eine aussichtsreiche digitale Zukunft zu gehen.