Vor einigen Tagen hat Facebook die lang angekündigte Auslagerung des Nachrichtendienstes aus seiner App vorgenommen. Um die Facebook-Mitteilungen auf mobilen Geräten weiterhin zu nutzen, müssen die User nun die separate Messenger-App verwenden.
Auch wenn sich Facebook mit dem Unbundling eine schlankere und nutzerfreundlichere App verspricht – der Zwang zur Nutzung einer weiteren App stieß erwartungsgemäß auf große Verärgerung und schlug sich dementsprechend in schlechten App-Bewertungen im Google Play Store und iTunes App Store nieder.
Rating des Facebook Messengers im iTunes App Store
Performance-Probleme sowie Nutzungszwang können sicherlich einen Teil der negativen Bewertungen erklären. Eine erhebliche Rolle wird jedoch auch die Sorge um die Privatsphäre spielen. So häufen sich in diesen Tagen Berichte, die App greife massiv in die Privatsphäre ein und stehe der NSA hinsichtlich der Überwachungsmethoden in nichts nach.
If you thought the NSA was bad check out what Facebook is up to http://t.co/RRivQUM8xU
— Gander Service Dog (@veterantraveler) August 8, 2014
Got #Facebook Messenger? You won’t believe what you just gave them access to…http://t.co/2YdA92jQag #privacy — Jonnie Jensen (@JonnieJensen) 6. Dezember 2013
Auslöser waren ein drastisch formulierter Artikel der Huffington Post vom Dezember 2013, der im Zuge der Auslagerung erneut veröffentlicht wurde, sowie ein Beitrag des US-Radiosenders The Bull. In beiden Beiträgen wird von massiv in die Privatsphäre eingreifenden Berechtigungen berichtet, mittels derer Facebook u.a. in der Lage sei, Adressbücher, Anruflisten, GPS-Daten und andere Geräteinformationen auszulesen. Zudem könne Facebook zu jedem Zeitpunkt ohne User-Einwilligung Kamera- oder Audioaufnahmen machen, Nachrichten versenden und Anrufe tätigen.
Weitere Besorgnis schürte nicht zuletzt ein Videobeitrag von FOX & Friends sowie eine Online-Petition zur Aufhebung des Messenger-Zwangs.
Unlängst äußerte sich auch Facebook zu diesem Sachverhalt. Die Formulierungen für erforderliche Berechtigungen seien vom Google Play Store vorgegeben und verfälschten die Art und Weise, wie die Messenger-App die Berechtigungen ausreize. In dem Statement bemüht sich Facebook dementsprechend um eine Erläuterung der vorgegebenen Formulierungen. Liest man die Vielzahl an Berechtigungen (eine detaillierte Auflistung findet sich am Ende dieses Artikels), könnte tatsächlich der Eindruck entstehen, Facebook wolle mittels der Messenger-App User- und Kontaktdaten nahezu uneingeschränkt auslesen und das Gerät ohne Nutzereinwilligung zu einem hohen Grad steuern.
#facebookmessenger functionality getting insidious & creepy. Un-install the messenger #app, conduct biz elsewhere http://t.co/aZ1qAAzJUb — Mick Hargreaves (@mickhargreaves) 7. August 2014
Dagegen führt die Washington Post an, die App erfordere zwar tatsächlich recht tiefgreifende Berechtigungen, doch sei diese Art von Berechtigungen auch bei anderen Apps keineswegs unüblich. So haben auch simple Wetter- oder Fitness-Apps ebenso Zugriff auf persönliche und standortbezogene Daten.
Auf den Vorwurf der Panikmache lenkt auch der Autor des Huffington Post-Artikels ein, dass das heimliche Sammeln von Userdaten wohl nicht unmittelbar die Motivation hinter der App sei. Der Artikel wurde inzwischen um Formulierungsvorgaben im Google Play Store erweitert. Dennoch warnt er vor den Missbrauchsmöglichkeiten, die diese Berechtigungen bieten, sollte die App oder das Gerät von Malware befallen werden.
Mashable analysierte die einzelnen Berechtigungen und erläuterte, inwiefern sie für den Betrieb der App oder bestimmte Funktionalitäten erforderlich sind. So sei die Mikrofon-Berechtigung etwa notwendig, damit die App auf Eingabe des Nutzers auf das Mikrofon zugreifen und Videos mit Ton versenden könne. Das Mashable-Fazit: die Messenger-App stellt kein neuartiges Überwachungsmittel dar, sondern erfordert die gleichen Berechtigungen wie schon zuvor die reguläre Facebook-App.
Zwar spricht das Facebook nicht von Datenhunger oder Sammelwut frei, verdeutlicht jedoch, wie die Empörungswelle über die Verletzung von Privatsphäre einer verzerrten Darstellung der Android-Berechtigungen entspringt und durch die Eigendynamik sozialer Netzwerke an Vehemenz gewinnt. Ein Blick auf das Berechtigungsmanagement in iOS entschärft den Spionageverdacht sogleich etwas.
In iOS werden die App-Berechtigung anders vergeben, wodurch der Nutzer mehr Kontrolle hat. Im Gegensatz zu Android müssen iOS-Nutzer vor dem App-Download nicht pauschal allen Berechtigungen zustimmen. Erst bei Nutzung der Messenger-App wird der Nutzer gefragt, für welche Systembereiche die App eine Berechtigung erhalten darf. So können Berechtigungen für verschiedene Funktionen, wie etwa Zugriff auf Mikrofon, Adressbuch oder Fotos, einzeln vergeben oder verweigert werden.
Granulares Berechtigungssystem in iOS
Identität
- Konten auf dem Gerät suchen
- Kontaktkarten lesen
Kontakte/Kalender
- Kontakte lesen
Standort
- Ungefährer Standort (netzwerkbasiert)
- Genauer Standort (GPS- und netzwerkbasiert)
SMS
- SMS oder MMS bearbeiten
- SMS empfangen
- SMS oder MMS lesen
- SMS senden
- MMS empfangen
Telefon
- Telefonnummern direkt anrufen
- Anrufliste lesen
Fotos/Medien/Dateien
- Zugriff auf geschützten Speicher testen
- USB-Speicherinhalte ändern oder löschen
Kamera/Mikrofon
- Bilder und Videos aufnehmen
- Audio aufnehmen
WLAN-Verbindungsinformationen
- WLAN-Verbindungen abrufen
Geräte-ID & Anrufinformationen
- Telefonstatus und Identität abrufen
Sonstige
- Daten aus dem Internet abrufen
- Dateien ohne Benachrichtigung herunterladen
- Beim Start ausführen
- Ruhezustand deaktivieren
- Netzwerkverbindungen abrufen
- Verknüpfungen installieren
- Audio-Einstellungen ändern
- Google-Servicekonfiguration lesen
- Über anderen Apps einblenden
- Zugriff auf alle Netzwerke
- Synchronisierungseinstellungen lesen
- Vibrationsalarm steuern
- Netzwerkkonnektivität ändern