Themen: Vermessung der Netzwelt Leitplanken in der digitalen Welt 
Von Matthias Kammer, DIVSI-Direktor
Kostensenkungen für die Verwaltung bei gleichzeitiger Service-Steigerung für die Bürger: Das ist eines der hohen Ziele von E-Government. Natürlich wird das Leben für jeden von uns einfacher, wenn man rund um die Uhr sein Anliegen an die Verwaltung herantragen kann. Erforderliche Daten für die Verwaltung werden gleichsam im Wohnzimmer erfasst. Das ist für uns bequem und erspart gleichzeitig der Behörde Aufwand, was eine Kostensenkung ermöglicht. Nicht zuletzt deshalb, weil sich auf Seiten der Verwaltung die Servicestellen für persönliche Kontakte deutlich reduzieren ließen.
Allerdings hat die bevölkerungsrepräsentative DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet gezeigt: 39 Prozent der bei uns lebenden Bevölkerung nutzen das Netz kaum oder gar nicht. Schon deshalb ist die genannte und richtige Zielsetzung des E-Governments bis auf Weiteres nicht umfassend umzusetzen. Der Slogan „WLAN für alle“ reicht nicht, um eine soziale Teilhabe an der digitalen Gesellschaft zu fördern.
Es stellt sich daher die Frage, mit welchen Aktivitäten Digital Outsiders überzeugt und für die Nutzung des Internets gewonnen werden können (siehe auch Beiträge im DIVSI magazin Ausgabe 2/2012 auf den Seiten 16 bis 19). Zur Beantwortung dieser Frage sollte sich zunächst vorrangig auf die kommunale Ebene konzentriert werden. Dort gibt es – neben dem staatlichen Finanzamt – die meisten Kontakte zwischen Bürgern und Verwaltung. Wo sind die Konzepte für E-Government, die diese Rahmenbedingung berücksichtigen? Mit der Milieu-Studie wollte DIVSI insoweit einen wichtigen Anstoß für den gesellschaftlichen Diskurs geben.
Unabhängig davon lohnt vielleicht auch ein Blick über unsere Landesgrenzen hinaus. Am Bespiel Schweden lässt sich erkennen, welch positive Rolle E-Government spielen kann. Bis zum Beweis, dass etwas nicht in Ordnung ist, lässt sich bei unseren nördlichen Nachbarn praktisch alles per E-Mail lösen. Dadurch werden viele Prozesse zwischen Bürger und Verwaltung natürlich einfach und leichtgängig.
Bei einem Hauskauf fungiert zum Beispiel der Makler als Schnittstelle zwischen Bürger (Kunde), Gericht und Verwaltung. Der Makler greift online auf das Grundbuch zu. Finanzielle Transaktionen sind ebenfalls einfach geregelt. Anfallende Steuern werden per Online-Bank-Account gezahlt oder die Steuerbehörde schickt dem Bürger eine Einmalkennung und eine TAN direkt zu. Und wer die elektronischen Möglichkeiten nicht nutzen möchte, kann natürlich weiterhin einen Papiervordruck ausfüllen.
Von diesen wie selbstverständlich landesweit genutzten Möglichkeiten des E-Governments ist Deutschland immer noch weit entfernt. Eine Ursache für die bislang geringe Nutzung elektronischer Verwaltungsangebote könnte hierzulande darin liegen, dass für gleiche Aufgaben viele unterschiedliche Lösungen angeboten werden. So fehlt in Deutschland bislang eine einheitliche technische Grundlage für eine sichere Kommunikation im E-Government.
Dies mag der Grund dafür sein, dass auch die rund 41 Prozent Digital Natives, die unsere Studie ermittelt hat, dem E-Government oft abwartend gegenüber stehen. Dabei sind Digital Natives Menschen, die mit dem Internet groß geworden sind, es voll in ihr Leben integriert haben – und E-Government eigentlich gegenüber dem umständlichen Behördengang favorisieren sollten.
Doch diese Onliner sind höchst anspruchsvoll. Effizienz, Nutzen und Bedienerfreundlichkeit sind für sie entscheidend. Erfüllt das eher verwaltungszentrierte E-Government diese Ansprüche? Bislang kaum! Dabei wäre es so wichtig, eben jene Internet-affine Nutzergruppe zu überzeugen. Denn diese Gruppe – auch das eine Erkenntnis aus der DIVSI Milieu-Studie – bestimmt mit ihrem Verhalten maßgeblich, was sich im Netz durchsetzt und was nicht.
Ein weiteres Problem lässt sich aus den Ergebnissen der DIVSI Milieu-Studie mit Blick auf Verantwortungskonzepte in Bezug auf die Internet-Nutzung ableiten. Fast drei Viertel der Deutschen (74 Prozent) erwarten, dass Staat und Wirtschaft aktiv für Sicherheit im Internet sorgen. Die Mehrzahl der Digital Natives dagegen sieht hier den Nutzer selbst in der Pflicht und lehnt jede Einmischung ab.
Hier steht die Politik vor der schwierigen Herausforderung, diametrale Sicherheitsbedürfnisse befriedigen zu müssen. Erfolg oder Misserfolg bei der Lösung dieser Aufgabe wird auch Einfluss auf die weitere Entwicklung und Akzeptanz von E-Government haben. Die Herausforderung für alle Verantwortlichen besteht darin, Angebote und Maßnahmen zu entwickeln, die an die unterschiedlichen Kompetenzen, Motive und Anforderungen in den verschiedenen digitalen Lebenswelten anschließen.
Matthias Kammer
Matthias Kammer ist seit November 2011 Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI).