Was verändert die Online-Beteiligung in der Kultur?

Das breite Verständnis der Online-Beteiligung in der Kultur als die gemeinschaftliche Erzeugung von Bedeutung ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass kreative Online-Communities häufig so etwas wie einen Selbstzweck generieren. Neben einem funktionalen Nutzen besteht, wie erwähnt, ein sozialer. Ein funktionaler Nutzen könnte etwa sein, dass eine Frage beantwortet werden soll, dass Aufmerksamkeit auf eine Eigenleistung gelenkt werden soll, oder dass ein Urteil und Feedback durch weitere Community-Mitglieder eingeholt werden sollen (Cook et al., 2009; Nov et al., 2009). Solche funktionalen Zwecke sind zwar auch „sozial“ in dem Sinne, dass sie eine Interaktion mit anderen Mitgliedern einschliessen, sie dienen jedoch dem Fortkommen eines kreativen Projekts.

Je länger nun Mitglieder in einer Community engagiert sind, desto wichtiger wird dagegen die Mitgliedschaft selbst, das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft. Der Selbstzweck solcher Gemeinschaften besteht in sozialer Unterstützung und in der Identitätsbildung – sei es durch einen einfachen Akt der Namensgebung oder durch gegenseitige Selbstvergewisserung (Ewing, 2008; Rajagopalan, 2011). Diese Funktion der Online-Beteiligung ist deshalb besonders wichtig für kleine und marginalisierte Gesellschaftsgruppen, etwa sexuelle, ethnische oder religiöse Minderheiten (Alon & Brunel, 2007; Kissau, 2008). Die Beteiligung im Internet kann hier zu höherer Selbstakzeptanz, zu Selbstbewusstsein und einem Abbau wahrgenommener Isolation führen (McKenna & Bargh, 1998). Das Surfen im Internet, die Suche nach einer passenden Community ist in diesem Sinne ein Akt der digitalen Selbstfindung und Identitätsbildung (Helland, 2002).

Online-Beteiligung stärkt Zusammenhalt und Identitätsbildung kleiner und marginalisierter Gesellschaftsgruppen, z.B.: sexuell, ethnische oder religiöse Minderheiten.

Beispiel 13: „LDS.net“ ist ein Online-Netzwerk für die Glaubensgemeinschaft der Mormonen und dient der Verbreitung und dem Austausch gemeinsamer Glaubensbekenntnisse.

Für Anbieter von kulturellen Erzeugnissen stellen Online-Communities ein interessantes Instrument der Verbreitung und Unterstützung dar. In solchen Communities können sich Freunde, Anhänger und Fans zusammenfinden, austauschen und organisieren. Als Mitglied einer Online-Community empfinden Fans eine starke Zugehörigkeit selbst wenn sie physisch weit von dem Objekt ihrer Bewunderung bzw. dessen Aktivitäten entfernt sind (Bennett, 2012). Ähnlich wie im Bereich der Beteiligung im Bereich der Wirtschaft kommt es hier zu freiwilliger Mund-zu-Mund-Propaganda und viraler Kommunikation. Immer wieder neigen solche Fan-Communities dazu, sich zu verselbständigen – der Austausch in der Community und das Zugehörigkeitsgefühl sind dann wichtiger als der ursprüngliche Diskussionsgegenstand (Rajagopalan, 2011).

Online-Community für Verbreitung von kulturellen Erzeugnissen: "Bandcamp"

Beispiel 14: Auf „Bandcamp“ können aufstrebende und unabhängige Musiker eigene Profile generieren, durch die sie ihre Alben einem breiteren Publikum bekannt machen. Bandcamp ist in Höhe von 15 % an den so generierten Umsätzen beteiligt.

Zugleich ist damit ein möglicher Nachteil der Online-Beteiligung in der Kultur angesprochen: Nur in wenigen Fällen wird das Online-Engagement tatsächlich auf die Offline-Welt übertragen. Online-Communities haben einen engen thematischen Fokus, darüber hinaus haben die Mitglieder wenige Gemeinsamkeiten. Die Online-„Freundschaft“ von Community-Mitgliedern trägt daher in der Offline-Welt häufig nicht (Nonnecke et al., 2006). Umgekehrt gilt: Aktive Teilnehmer einer Online-Community empfinden eine höhere Zufriedenheit und mehr Vorteile als passive Teilnehmer, wie etwa „Lurkers“ (Nonnecke et al., 2006). Erneut werden die sozialen Vorteile in marginalisierten Gruppen besonders stark wahrgenommen (Alon & Brunel, 2007), was zum Teil auch dazu führt, dass solche Gruppen besonders aktiv und interaktiv im Netz kommunizieren (Helland, 2002).

Speziell auf die Bedürfnisse zugeschnittenes Soziale Netzwerk "Senior.com"

Beispiel 15: „Senior.com“ ist ein gezielt auf die Bedürfnisse der älteren Bevölkerung zugeschnittenes Soziales Netzwerk.

Nicht zuletzt besteht die Hoffnung, dass der aktive Austausch im Netz und die funktionale ebenso wie die soziale Unterstützung in Online-Communities die Nutzung neuer Medien weiter vereinfacht und so zu ihrer kreativen Nutzung beiträgt. Neue Medien könnten so zu einem breiteren, aktiveren kulturellen Engagement führen, zu niedrigeren Zugangshürden, einer größeren Auswahl und einer breiteren Förderung der Kreativität (Ryu et al., 2009). Ob sich derartige Hoffnungen tatsächlich realisieren, bleibt jedoch weitgehend empirisch zu untersuchen.