Was verändert die Online-Beteiligung in der Bildung?

Häufig wird davon ausgegangen, dass das Internet die Beteiligung an Bildungsangeboten erleichtert. Dies hängt jedoch nicht nur davon ab, inwiefern Bildungsinstitutionen Online-Angebote tatsächlich entwickeln und anbieten, auch Eigenschaften oder Fähigkeiten der Nutzer können die Beteiligung an Bildung im Netz erleichtern oder erschweren – hierauf wird der nächste Abschnitt vertieft eingehen. Was aber, wenn die Online-Beteiligung in der Bildung tatsächlich gelingt? Welche Auswirkungen sind dann zu erwarten?

Untersuchungen von Online-Bildungsangeboten zeigen, dass die technischen Rahmenbedingungen Einfluss auf die Wirkung der Plattformen haben. Insbesondere werden synchrone von asynchronen Plattformen unterschieden. Dabei zeigt sich, dass synchrone Kommunikation, also der direkte Austausch zwischen Lehrperson und Lernenden, aber auch unter den Lernenden, den Lernerfolg positiv beeinflusst (Duncan et al., 2012). Synchrone Kommunikation führt insbesondere dazu, dass die Teilnehmenden sich stärker involviert fühlen und darum mehr Aktivität entfalten, also stärker partizipieren (Hratinski, 2008).

Bisherige Studien weisen darauf hin, dass Online-Bildung den Vergleich mit Offline-Angeboten nicht scheuen muss. Komparative Studien zeigen, dass Studierende in Online-Kursen ein höheres Engagement aufweisen, als solche in Offline-Kursen (Robinson & Hullinger, 2008). Dies kann daran liegen, dass Online-Kurse stärker selbstgesteuert sind und daher eine höhere Selbstdisziplin erfordern. Online-Beteiligung ist sogar immer wieder auch mit besseren Prüfungsleistungen verbunden (Davies & Graff, 2005; Stewart et al., 2011). Möglicherweise ist eine aktive Online-Beteiligung ein Indikator für die Motivation des Lernenden, welche wiederum positiv mit den Prüfungsleistungen korreliert. An dieser Stelle kann ein positiver selbstverstärkender Effekt eintreten, da erfolgreiche Lernende sich häufig auch stärker im Netz engagieren und interaktiver kommunizieren (Robinson & Hullinger, 2008). Werden gleichzeitig Online- und Offline-Elemente angeboten, so weist die Beteiligung am Online-Angebot keine negativen Auswirkungen auf die Offline-Beteiligung auf (Stewart et al., 2011).

Die so beschriebenen Erkenntnisse gehen jedoch meist von hierarchischen Lehr- bzw. Lernverhältnissen aus. Betrachtet wird hier also ein eher typischer Schul- oder Studienkontext, der nun teilweise oder vollständig Internet-vermittelt stattfindet. Weitergehende Auswirkungen der Beteiligung in der Bildung ergeben sich hingegen dann, wenn bisherige Strukturen und Prozesse in Frage gestellt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Internet die Kollaboration unter den Lernenden fördert. Lernende bauen dann nach ihren Bedürfnissen Beziehungsnetzwerke auf, die darin ermöglichten Interaktionen und Dialoge prägen die Lernerfahrung (Hratinski, 2009). In diesen Netzwerken verfügen die Lernenden über eine hohe Autonomie (McBrien et al., 2009). Die Lernenden, ihre Entscheidungen und Kollaboration stehen im Mittelpunkt der Bildungserfahrung (Arbaugh, 2000; Hratinski, 2008; Erstad, 2006).

Das Internet unterstützt den Austausch zwischen den Lernenden auch dann, wenn dies vom Bildungsanbieter nicht beabsichtigt ist. Die Kontroverse um Lehrer- oder Professoren-Evaluation im Netz ist hierfür ein Beispiel (Rambe, 2012). Selbst wenn also keine expliziten Angebote für den Austausch unter den Lernenden gemacht werden, lässt sich dieser nicht unterbinden. Diese Erkenntnis führt dazu, dass neuere pädagogische Konzepte die Rolle des Lehrenden eher als eine moderierende betrachten, denn als die eines Informationsanbieters (Reimer, 2003; Duncan et al., 2012). Informationen lassen sich im Netz an unzähligen Stellen finden, der Pädagoge zeichnet sich dadurch aus, dass er den Prozess der Informationsaufnahme lenkt oder eben moderiert. Es handelt sich dabei also nicht um eine einseitige Wissensübertragung, da gerade im Netz auch der Lehrende immer wieder von den anderen Teilnehmenden lernen kann (Asselin & Moayeri, 2011).

Natürlich ist auch die Online-Bildungswelt keine heile. Online-Beteiligung in der Bildung ist durch- aus auch mit Herausforderungen verbunden. Hierzu zählt einmal mehr die Frage nach geistigem Eigentum. In einer Online-Lernumgebung wird schnell auf Inhalte zurückgegriffen, ohne dass deren rechtliche Zuordnung (Urheberrecht, Markenrecht etc.) geklärt ist. Gelegentlich wird auch davor gewarnt, dass das Internet als Lernumgebung derart viele Ablenkungen bereithält, dass die Konzentration und Aufmerksamkeit der Lernenden leiden könnten (Rambe, 2012). Asynchrone Online-Kommunikation kann zu Verzögerungen und Missverständnissen führen (Hesse & Giovis, 1997). Neue Prüfungsformen müssen sich etablieren, neue Formen des Betrugs finden schnell Verbreitung unter Lernenden (Grell & Rau, 2011). Einzelne Studien gehen auch der Frage nach, ob das Online-Lernen – ganz ohne physischen Austausch bzw. Präsenzlernen – nicht zu einer Isolation der Lernenden führt. Tatsächlich tauschen sich Teilnehmende an Online-Kursen weniger intensiv mit ihren Kollegen aus als solche an Offline-Kursen (Rabe-Hemp et al., 2009). Umgekehrt gilt jedoch: Distanzlernen wird durch die Möglichkeiten des Internets eher sozialer und interaktiver, als dies in vordigitalen Zeiten der Fall war (McBrien et al., 2009).