6.6 Souveräne Realisten (9%)

Souveräne Realisten

Souveräne Realisten gehören zu den Internet-Intensiv-Nutzern. Ihr Umgang mit dem Internet ist dabei unaufgeregt und bedacht. Sie betonen die Eigenverantwortung der Nutzer und sorgen daher lieber selbst für ihre Sicherheit im Internet, anstatt es anderen zu überlassen.

Unter den Souveränen Realisten der Alterskohorte 60 plus finden sich deutlich mehr Männer als Frauen (69 Prozent versus 31 Prozent). Über die Hälfte ist zwischen 60 und 69 Jahre alt. Typisch für dieses Milieu ist Wissbegierde und eine aufgeschlossene, aber kritische Haltung gegenüber Neuem sowie die Bereitschaft, ein hohes Maß an gesellschaftlicher Verantwortung zu übernehmen.

Soziodemografisches Profil

Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Souveränen Realisten

Souveräne Realisten sind in Summe deutlich internetaffiner als der Durchschnitt der über 60-Jährigen: 56 Prozent sind täglich online (Durchschnitt Ü60: 23 Prozent). Sie äußern zudem deutlicher als der Durchschnitt, dass sie am Internet teilhaben möchten, dass sie das Internet für eine der besten Erfindungen der Geschichte halten und dass sie sich ein Leben ohne das Netz nicht mehr vorstellen können (siehe weiter unten). Umso überraschender mag daher erscheinen, dass ein Fünftel das Internet nie nutzt. Die Gründe hierfür sind in diesem Internet-Milieu weniger Überforderung und Sicherheitsbedenken, sondern der spezifische Zugang zur digitalen Welt. Für Souveräne Realisten sind Internet und Digitalisierung gesellschaftsrelevante Themen, über die sie sich informieren und zu denen sie sich positionieren möchten, unabhängig davon, ob sie einzelne Anwendungen tatsächlich nutzen. Daher haben sie teilweise ein umfassendes (theoretisches) Wissensrepertoire, sind aber selbst nur Gelegenheitsnutzer oder sogar Offliner. Auch wenn der digitale Wandel somit als relevant erachtet wird, ist das Internet im persönlichen Alltag nicht automatisch gleichsam relevant.

Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz

Mobiles Internet ist in dieser Lebenswelt deutlich präsent: 36 Prozent besitzen ein Smartphone. Zudem werden Messenger-Dienste überdurchschnittlich stark genutzt (50 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 26 Prozent). Auch in den persönlichen Interviews der qualitativen Studie wurde betont, dass solche Dienste, v.a. WhatsApp, im Alltag wichtig sind, um bequem und vor allem nicht öffentlich mit Familienmitgliedern, Bekannten und Freunden in Kontakt bleiben zu können.

„Ich bin voyeuristisch unterwegs. Meine Nichten sind bei Facebook vertreten, dann sehe ich das immer, auch was mein Sohn da immer postet. Ich gebe höchstens mal einen Like ab, wie bei seiner Hochzeit, aber ich stelle keine Fotos oder irgendetwas anderes auf Facebook.“ (63 Jahre, weiblich)

„Bei WhatsApp schreibe ich […] keine Statements. So was würde ich nur persönlich machen.“
(63 Jahre, weiblich)

Einstellungen zum Internet

Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung

Die Souveränen Realisten sind der Ansicht, dass sie sich im Internet alles in allem recht gut zurechtfinden. Nur ein sehr kleiner (und weit unterdurchschnittlicher) Teil fühlt sich vom Internet überfordert und ist der Meinung, ohne fremde Hilfe im Internet verloren zu sein. Nur die Netz-Enthusiasten halten sich für noch kompetenter im Umgang mit dem Internet. Ein vergleichsweise hoher Anteil der Souveränen Realisten sieht sich zum Beispiel in der Lage, angemessen mit Sicherheitsproblemen umzugehen (49 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 31 Prozent). Im Vergleich zum Durchschnitt aller über 60-Jährigen blicken sie daher auch gelassener auf das Thema Sicherheit im Internet. Besonders typisch für diese Gruppe ist die Ansicht, dass völlige Freiheit im Internet keine Gefahr für die Demokratie darstellt. Ihre vergleichsweise liberale Grundhaltung zum Internet zeigt sich auch darin, dass sich ein leicht überdurchschnittlicher Anteil gegen eine staatliche Reglementierung des Internets ausspricht (45 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 40 Prozent).

„In diesem Spannungsfeld muss jeder für sich selbst die Entscheidung treffen und ist für
sich selbst verantwortlich. Auf den Staat würde ich da nicht zählen.“ (63 Jahre, männlich)

Einstellungen zum Internet

Der Blick in die digitalisierte Zukunft

Souveräne Realisten blicken nicht so fasziniert und euphorisch in die digitale Zukunft wie die Gruppe der Netz-Enthusiasten oder der Effizienzorientierten Performer, sie sind aber durchaus sehr interessiert an dem, was die Technologie noch alles bringen wird. So freut sich auch ein überdurchschnittlich hoher Anteil darauf, mehr über das Internet dazuzulernen (67 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 52 Prozent).

Einstellungen zum Internet

Souveräne Realisten blicken angstfrei, aber nicht unkritisch auf die digitalen Entwicklungen. In den persönlichen Gesprächen werden einerseits Chancen und Vorteile des Internets wie beispielsweise besserer Zugang zu Informationen und effizienteren Kommunikationsmöglichkeiten genannt. Dem werden andererseits Risiken wie Vereinsamung, Internet-Sucht und ökonomisches Ungleichgewicht gegenübergestellt. Die Mehrheit findet, dass Kinder früh an das Internet herangeführt werden sollten, allerdings äußern sich Souveräne Realisten hier deutlich zurückhaltender als die anderen sehr internetaffinen Gruppen. Sie gehen einerseits davon aus, dass Medienkompetenz eine wichtige Zukunftsressource ist, möchten aber nicht, dass darüber „analoge“ Aspekte des Aufwachsens vernachlässigt werden.

„Ob das jetzt eine Fernsehsendung ist, die man nicht angeguckt hat, die man über eine Mediathek noch mal dann anguckt, oder dass man sich, wenn man irgendwie was lesen will, viele Bücher wenigstens auszugsweise angucken kann, gefällt mir das, interessiert mich das, bevor man jetzt irgendwie was kauft. Das finde ich schon … Solche Sachen finde ich schon eigentlich toll.“ (63 Jahre, weiblich)

„Ich denke, die Beziehungen untereinander werden abnehmen. Ich denke, die Menschen werden einsamer werden, weil man sich jetzt schon einen digitalen Freund zulegen kann, damit die anderen denken, man ist nicht alleine.“ (60 Jahre, männlich)

Wohnwelten der Souveränen Realisten Ü60