2.1 Modalitäten der Kommunikation

Bis zur Entwicklung der Telegrafie im 19. Jahrhundert beschränkte sich Distanz-Kommunikation im Wesentlichen – von sehr beschränkten Ausnahmen wie Rauch- oder Lichtzeichen oder dem mündlichen Überbringen von Nachrichten durch Boten abgesehen – auf das Versenden von Briefen. Der Telegraf und wenig später das Telefon machten erstmals den („fernmündlichen“) Informationsaustausch in Echtzeit über längere Strecken möglich. Die Erfindung von Telex und Telefax, im Grunde Weiterentwicklungen der Telegrafie, änderten an diesem technologischen Stand bis weit ins 20. Jahrhundert nur wenig.

Erst als sich das in den 60er-Jahren geschaffene Internet zunehmend ausbreitete und spätestens im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zur selbstverständlich verfügbaren Alltagstechnologie geworden war, änderte sich das Kommunikationsverhalten grundlegend. Seither ist es möglich, sich schnell und unkompliziert, und vor allem ohne relevante Kosten, jederzeit schriftlich auszutauschen. Die E-Mail wurde zum allgegenwärtigen Kommunikationsmittel, sei es für private Zwecke oder für den Austausch zwischen Unternehmen und ihren Kunden sowie Behörden und Bürgern. Die Möglichkeit, auch per Mobiltelefon zu meist bezahlbaren Tarifen auf das Internet zugreifen zu können, hatte noch einmal ein starkes Wachstum des Kommunikationsaufkommens zur Folge. Es wurde zum erwarteten Normalzustand, überall und jederzeit erreichbar zu sein und kommunizieren zu können. Während die Zahl erfolgter Telefongespräche zurückging1 , nahm die schriftliche Kommunikation immer weiter zu2 .

Digitale Kommunikation gibt es in vielen Ausprägungen, z. B. abhängig von den Kommunikationspartnern („wer mit wem“?), dem Zeitverhalten (synchron oder asynchron) oder bestimmten technischen Details (z. B. Ende-zu-Ende oder vermittelt über eine Plattform). Die einfachste Differenzierung dürfte diejenige nach Absender und Adressat sein, auf die im Folgenden zunächst eingegangen wird.

Kommunikation zwischen Personen

Heute kann mit jedem durchschnittlichen Smartphone eine Vielzahl von Apps – also Anwendungsprogrammen für mobile Betriebssysteme – verwendet werden, die es insbesondere ermöglichen, mit anderen in Kontakt zu treten. Neben der E-Mail-Funktion sowie Programmen, die ausschließlich der Kommunikation dienen, wie beispielsweise SMS, iMessage auf Apples iPhone, WhatsApp, Threema, Signal, SIMSme oder Telegram, gibt es eine geradezu unüberschaubare Fülle an Anwendungen, bei denen die Möglichkeit der persönlichen und direkten Kontaktaufnahme mit anderen Nutzerinnen und Nutzern lediglich eine sekundäre Funktion darstellt – so zum Beispiel bei Sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook, LinkedIn oder Instagram. Nicht selten kommt es deshalb vor, dass man sich mit derselben Person wie selbstverständlich auf verschiedenen dieser Kanäle unterhält.

Kommunikation mit Unternehmen

Auch die Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Konsumenten („Business to Customer“, B2C) wird mehr und mehr auf digitale Kommunikationsmittel verlagert. So würde es heute kaum eine Firma mehr wagen, keine E-Mail-Adresse zum Zweck der Kontaktaufnahme anzugeben. Mehr noch: Nach dem Telemediengesetz ist eine solche Kontaktmöglichkeit sogar rechtlich vorgeschrieben, wenn das Unternehmen eine Webseite unterhält – was heute auf so gut wie jede Firma zutrifft. Immer häufiger ist es zudem möglich, den Kundenservice nicht nur klassisch per Telefon zu erreichen, sondern auf der Webseite des Unternehmens in Echtzeit mit Mitarbeitern zu chatten. Geht es um die Bereitstellung von Informationen, die sensiblere Daten der Kundinnen und Kunden betreffen – wie zum Beispiel Kontoauszüge oder Krankenkassenunterlagen –, sind Portallösungen weit verbreitet. Hierbei wird der Kunde zumeist per E-Mail lediglich darüber informiert, dass Informationen für ihn vorliegen. Die eigentlichen Informationen werden in einem individuellen Bereich auf dem Server des Anbieters bereitgestellt. Auf diesen kann der Kunde über einen Login auf seinen Account, seinen persönlichen Zugang, zugreifen, für den er sich mit einem Benutzernamen oder einer Kundennummer und einem Passwort anmelden muss. Diese einfachste Form der Authentifizierung wurde von einigen Anbietern inzwischen vor dem Hintergrund von Phishing-Angriffen3 durch die sichereren sogenannten Zwei-Faktor-Verfahren ersetzt. Eine andere Form von Portallösungen besteht darin, dass Nutzer mit Unternehmen durch das Ausfüllen von Formularen auf deren Webseiten Kontakt aufnehmen können. Für den Kunden besteht ein Nachteil darin, dass er in vielen Fällen keine Kopie seiner Nachricht erhält und somit auch nicht glaubhaft machen kann, dass er sie abgesandt hat.

Kommunikation mit Behörden

Neben Unternehmen der Privatwirtschaft etablieren inzwischen auch immer mehr Behörden und andere staatliche Stellen digitale Kommunikationskanäle mit den Bürgerinnen und Bürgern („Government to Citizen“, G2C). Dass man heute per E-Mail mit der jeweils zuständigen Behörde in Kontakt treten kann, um bestimmte Informationen zu erlangen, versteht sich dabei fast von selbst. Auch Termine mit zum Beispiel Bürgerämtern oder Kfz-Zulassungsstellen können im Normalfall über die entsprechenden Webseiten vereinbart werden. Sogar Verwaltungsentscheidungen mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung wie beispielsweise Baugenehmigungen werden mitunter auf elektronischem Wege zugestellt.4 Dies geschieht im Regelfall durch den Einsatz von Online-Postfächern, also Portallösungen.5

Kommunikationsformen

Das Projekt „Vertrauen in Kommunikation im digitalen Zeitalter“ konzentriert sich in erster Linie auf die Kommunikation B2C und G2C. Soweit dabei von „digitaler Kommunikation“ gesprochen wird, liegt der Fokus auf verschiedenen Varianten der E-Mail sowie auf den genannten Portallösungen. Auch hybride Formen, die sich zugleich analoger und digitaler Techniken bedienen – wie beispielsweise der E-Postbrief der Deutschen Post, Neopost oder Pixelletter –, fallen unter diese weiter gefasste Definition digitaler Kommunikation. Andere digitale Kommunikationsformen wie Messenger-Dienste werden nur genannt, soweit dies für das Verständnis einzelner Punkte notwendig erscheint. Die digitalen Kommunikationsmittel werden insbesondere dem Brief als derjenigen analogen Form der Kommunikation gegenübergestellt, die auch im digitalen Zeitalter insofern weiterhin bedeutsam ist, als viele Behörden noch vorwiegend wie auch zahlreiche Unternehmen auf diese Weise kommunizieren.

„Vertrauen in die digitale Kommunikation ist ein Thema, das man gar nicht überbewerten kann. Es ist enorm wichtig, und es müssen Anstrengungen unternommen werden, um Vertrauen aufzubauen und so dem Digitalisierungsprozess mit offenen Augen zu begegnen. Dafür muss sich langfristig auch eine Kultur entwickeln.“
Prof. Dr. Norbert Pohlmann, Professor für Informationssicherheit an der Westfälischen Hochschule und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Internet- Sicherheit if(is), Konsultation

Auswirkungen

Als Folge des Umstands, dass wir heute zunehmend auf digitalem Wege miteinander sowie mit Behörden und Unternehmen kommunizieren, sind mehr und mehr Informationen und persönliche Daten über jede Person im Datenstrom des Internets unterwegs oder auf Servern im Netz gespeichert.6 Denn bei der digitalen Kommunikation sind neben den eigentlichen Kommunikationsteilnehmerinnen und -teilnehmern zumeist auch Dritte involviert. Diese – insbesondere Kommunikationsdienstleister wie zum Beispiel E-Mail-Provider – transportieren die Kommunikation nicht nur auf digitalem Wege, sondern speichern diese auch auf ihren Servern, zumindest vorübergehend. Dadurch steigt die Gefahr von Missbrauch.

Das über das herkömmliche Telefon geführte Gespräch ist flüchtig – jedenfalls solange es niemand mitschneidet, was eine seltene Ausnahme und nicht die Regel ist. Elektronisch übermittelte Daten müssen jedoch gespeichert werden, bevor sie von den Kommunikationsteilnehmerinnen und -teilnehmern abgerufen oder ihnen zugestellt werden können. Die dadurch entstehenden Kopien der Daten können in einer Weise automatisiert gescannt und analysiert werden, die bei rein analoger Übermittlung von Informationen so nicht oder nur mit hohem Aufwand möglich ist – Briefe beispielsweise kamen und kommen im Normalfall ungeöffnet und damit ungelesen bei den Empfängern an. Zudem gilt, dass jedenfalls für technische Laien oft überhaupt nicht nachzuvollziehen ist, wo diese Speicherung erfolgt – ob im Inland oder Ausland, ob auf Servern des Unternehmens, mit dem in Kontakt getreten wird, oder auf denen eines ansonsten unbeteiligten Dritten. Wer außer dem Versender und dem Adressaten der E-Mail theoretisch noch Zugriff auf ihren Inhalt hat, bleibt für Anwender, die nicht über spezielle EDV-Kenntnisse verfügen, für gewöhnlich im Dunkeln.

„In der digitalen Kommunikation verhält sich der Mensch wie in vielen anderen Lebensbereichen. Auch wenn er gewisse Zweifel an der Datensicherheit hat, handelt er pragmatisch und nimmt Risiken in Kauf.“
Peter Schaar, Vorstand der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID), Konsultation

Die zunehmende Hinwendung zur Portallösung, die bei Unternehmen wie insbesondere Stromanbietern oder Banken zu beobachten und infolge der genannten Gesetzesänderung künftig auch bei der Kommunikation mit Behörden zu erwarten ist, bringt zudem einen grundsätzlicheren Wandel des Kommunikationsverhaltens mit sich. Bedeuteten die Nutzung sowohl von analogen Briefen als auch von E-Mails, dass die Unternehmen oder Behörden die Informationen den Kunden bzw. Bürgern überbrachten, wird von diesen bei der Portallösung erwartet, dass sie die Informationen selbst aktiv abrufen. Die Kommunikation zwischen den Akteuren wandelt sich so von einer Bring- zu einer Holschuld. Der Nutzer ist damit nicht nur in der Verantwortung, sich selbst darum zu kümmern, dass die Informationen zu ihm gelangen7 ; er hat, jedenfalls teilweise, zudem dafür zu sorgen, dass die Informationsübertragung beim Abruf sicher ist.8 Das kann sich dann als problematisch erweisen, wenn er nur wenig über die technischen Abläufe während des Kommunikationsvorgangs weiß. Diese Verlagerung könnte einen Paradigmenwechsel für solche Kommunikationsverhältnisse auslösen.

  1. Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155005/umfrage/volumina-der-in–und-auslandsverbindungen-seit-2005/. []
  2. Vgl. https://hosting.1und1.de/digitalguide/e-mail/e-mail-marketing/die-e-mail-ist-tot-es-lebe-die-e-mail/. []
  3. Phishing: Versuch, über gefälschte Webseiten, E-Mails oder Kurznachrichten an persönliche Daten eines Internetnutzers zu gelangen und damit Identitätsdiebstahl zu begehen (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Phishing). []
  4. Siehe zum Beispiel für Berlin das Webportal https://www.berlin.de/ebg/, über das das gesamte Baugenehmigungsverfahren elektronisch abgewickelt werden kann. []
  5. Rechtliche Grundlage hierfür ist der zum 1. Januar 2017 in Kraft getretene § 41 Abs. 2a des Verwaltungsverfahrensgesetzes, der die Bekanntgabe von Verwaltungsakten über „öffentlich zugängliche Netze“ regelt. Die Abwicklung des Verwaltungsverfahrens in dieser Form ist von der vorherigen Einwilligung des Bürgers abhängig. Vgl. dazu im Detail Alexander Schmid und Claudia Heudecker, Der vollständig automatisierte Erlass eines Verwaltungsakts (§ 35a VwVfG) sowie die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts über öffentlich zugängliche Netze (§ 41 Abs. 2a VwVfG) (Teil 2), jurisPR-ITR 8/2017, http://bit.ly/2qaOKqG. []
  6. Andrea Voßhoff, Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt aus Sicht der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Vortrag, 17. November 2014, https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Reden_Interviews/2014/VertrauenundKommunikation_Muenster171114.html?nn=5217192. []
  7. Was zumindest bei der Kommunikation mit Behörden noch davon abhängig gemacht wird, dass der Bürger dieser Form der Informationsmitteilung vorher zugestimmt hatte. []
  8. Z.B. darf der Nutzer Warnungen nicht ignorieren, dass Zertifikate, die zur Absicherung einer Verbindung genutzt werden, nicht gültig sind. []