Foto: Kerstin Lakeberg
Um „Digitale Kommunikation – auf der Suche nach Vertrauen und Sicherheit“ ging es bei einer hochrangig besetzten Info-Veranstaltung, zu der DIVSI nach Berlin eingeladen hatte. Basis war die Präsentation des Projektberichts über Vertrauen im digitalen Zeitalter, erstellt vom iRightsLab im Auftrag vom DIVSI (s. auch Bericht ab S. 6). Unstrittig wird digitale Kommunikation dabei als zentrales Element unserer Gesellschaft angesehen. Es sei daher wichtig, das Vertrauen in diesem Bereich zu stärken. Doch welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Vertrauen gerechtfertigt ist? Welche Rolle spielt der Staat, welche Verantwortung tragen Anbieter digitaler Kommunikation, aber auch die Nutzer?
Bundespräsident a.D. Joachim Gauck, Schirmherr des DIVSI, machte in seinem Grußwort auf einen Widerspruch aufmerksam: „Der Mensch ist ein rätselhaftes Wesen, zumindest, wenn er sich im Internet bewegt. Stundenlang telefoniert, spielt, recherchiert, fotografiert er mit seinem Smartphone, obwohl es nicht sonderlich sicher ist. Aber mit Behörden oder Unternehmern will er digital lieber nicht verkehren, weil es nicht sonderlich sicher ist. Ja, was denn nun?“
Man stoße immer wieder auf das alte/neue Problem: Sicherheit versus Nutzerfreundlichkeit oder gar Bequemlichkeit. Gauck: „Gemessen an dem, was in der digitalen Kommunikation ständig aus- und nachbesserungsbedürftig ist, nutzen die meisten Menschen ihre Laptops, Smartphones oder Tablets erstaunlich unbefangen.“ Die Angst vor Angriffen, Erpressungen, Ausspähungen schieße nur in seltenen Momenten hoch: „Entweder wenn jemand tatsächlich betroffen ist. Oder wenn er sich – mehr aus Pflicht denn aus Neigung – bewusst mit den Risiken auseinandersetzt.“
Die neue Projektstudie von DIVSI habe ihm vor Augen geführt: „Bei der Verbreitung digitaler Kommunikation ist in den letzten Jahren eine starke Dynamik zu verzeichnen, aber die Entwicklung entsprechender Sicherheitsstrukturen hinkt teilweise deutlich hinterher. Viele Mobilgeräte befinden sich – wie es so schön in der Fachsprache heißt – auf einem sicherheitskritischen Softwarestand.“ Nachdrücklich warnte der Alt-Bundespräsident: „Wenn es nicht gelingt, die Lücken in der digitalen Kommunikation schneller und umfassender zu schließen und neue, sicherere Barrieren gegen Schadsoftware aufzubauen, wird das Vertrauen der Bürger in die Technik (weiter) abnehmen.“
Der Conclusio der Studie könne er nur zustimmen: „Vertrauen in die digitale Kommunikation wird sich nur in dem Maße festigen bzw. erhöhen, wie die Wirtschaft bequeme Nutzung mit substantielleren Sicherheitsmaßnahmen verbindet, und wie es der Regierung gelingt, größere Transparenz zu gewährleisten.“
Mit Blick auf die Regelungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung, die ab Mitte nächsten Jahres greifen, stellte der DIVSISchirmherr fest: „Damit werden die Diskussionen über den Schutz des Persönlichkeitsrechts, über Sicherheit und Vertrauen im Internet nicht beendet sein. Im Gegenteil. Ich denke, diese Debatten stehen erst am Anfang, und die Standpunkte dürften erheblich voneinander abweichen.“
Der Bundespräsident a.D. betonte in seiner Rede weiter: „Deutsche, so sagt man, seien Philosophen. Während die adrenalingesteuerten Macher in Silicon Valley oder Tel Aviv jeden Tag neue Ideen gebären und die Welt mit digitalen Entdeckungen überfluten, lehnt sich der deutsche Philosoph erst einmal zurück und gibt zu bedenken: ‚Bevor wir uns überhaupt einer Technik widmen, sollten wir überlegen, wie wir überhaupt leben wollen. Und wenn wir an die Realisierung einer Technik gehen, sollten wir jedes Sicherheitsrisiko mitbedenken.’ Alles so, wie es sich bis jetzt tradiert hat: Risikovermeidung als Bestandteil deutscher Angestelltenkultur.“
Man könne stets zuerst über Lebenskonzepte philosophieren. Man könne versuchen, in Tests Risiken auszuschließen, und nur auf den Markt gehen, wenn das Produkt (hoffentlich) perfekt ist. Man könne sogar so weit gehen wie Philosoph Hans Jonas, der forderte, wann immer eine bestimmte Technologie auch nur in den Verdacht gerät, dass sie die Existenz der Menschheit gefährden könnte, sei es moralisch nicht mehr vertretbar, diese Technologie zu verwenden.
Gauck: „Ich sage nicht, dass die Bedenken des deutschen Philosophen unberechtigt wären. Er hat recht, wenn er kritisiert, dass beispielsweise große Plattformen seine Daten abgreifen und zu kommerziellen Zwecken verwenden. Oder wenn er davor warnt, dass in einer Welt, in der Menschen, selbstfahrende Autos, Kühlschränke und Müllabfuhr miteinander vernetzt sind, von Privatsphäre des Menschen nicht mehr die Rede sein kann.“
Nur solle man das eine nicht gegen das andere ausspielen: „In der Praxis laufen technische Erneuerungen und die Erörterungen ihrer ethischen Folgen meist gleichzeitig ab. Je größer das Gewicht sein wird, das Deutschland und Europa gegenüber den großen Playern in Asien und Amerika in die Waagschale werfen können, umso stärker werden ihre Vorstellungen von Persönlichkeitsund Datenschutz Berücksichtigung finden. Machtlos sind sie schon heute nicht – wie der Beschluss der Kommission über die Besteuerung von digitalen Unternehmen zeigt.“
Der Schirmherr von DIVSI beendete seine Überlegungen so: „Wir denken, dass wir uns bereits in Turbulenzen befinden. Dabei spricht alles dafür, dass noch weit größere Turbulenzen auf uns zukommen. Uns bleibt keine andere Wahl: Wir brauchen Mut, um die Herausforderungen anzunehmen!“