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Digitale Risiken: Matthias Kammer im Interview mit der Frankfurter Neue Presse

1. September 2014

Wie einfach ist es, meine Passwörter zu ermitteln? Wie sicher ist Online-Banking? Und können sich meine Kinder ohne Bedenken in sozialen Netzwerken aufhalten?

Am Dienstag, den 2. September 2014, von 11:00 bis 13:00 Uhr  veranstaltet die Frankfurter Neue Presse eine Telefonrunde mit vier Experten des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). Die Experten stehen Ihnen in zwei Stunden zu allen Fragen rund um das Thema „Sicheres Surfen“ zur Verfügung. Die folgenden Nummern sind ab 11:00 Uhr freigeschaltet:

(069) 75 01-43 22, -4323, -4324 und -4325

DIVSI-Direktor Matthias Kammer

DIVSI-Direktor Matthias Kammer

Im Rahmen der Telefonrunde hat die Frankfurter Neue Presse bereits Matthias Kammer, den Direktor des DIVSI, interviewt und einige wichtige Themen im Vorfeld angesprochen.

FRANKFURTER NEUE PRESSE: Das Thema Sicherheit im Internet ist hochaktuell: Vor kurzem stahl eine russische Hackerbande 1,2 Milliarden Login-Daten und über 500 Millionen E-Mail-Adressen. Wie schätzen Sie diesen Vorfall ein?

MATTHIAS KAMMER: Ein schlimmer Fall, keine Frage. Die Digitalisierung bringt nicht nur Vorteile mit sich, sondern auch neue Formen der Kriminalität. Darauf werden wir uns einstellen müssen. Es kommt ja darauf an, die vielen Vorteile, die das Internet uns im Alltag bietet, zu schützen und auszubauen. Dazu gehört, regelmäßig seine Passwörter zu ändern.

FNP: Welche Rolle spielt das Institut in dieser Entwicklung?

KAMMER: Wir vom DIVSI leisten vor allem Grundlagenarbeit: Zum Beispiel haben wir eine Jugendstudie gemacht. Das Ergebnis: 90 Prozent der 14- bis 24-Jährigen sind mit dem Lebensgefühl „Immer online“ unterwegs. Online sein ist für sie auch soziale Teilhabe und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Sie surfen nicht immer, aber sie haben das Gefühl, ständig dabei zu sein und dabei sein zu müssen. Wenn das Internet mal nicht zur Verfügung steht, ist das für sie eine Notsituation. Es kommt darauf an, die Kompetenz dieser Generation zu stärken, damit sie sich souverän, frei und sicher im digitalen Raum bewegen kann.

FNP: Eine Generation, die ständig online ist – bereitet Ihnen das Sorgen?

KAMMER: Die Jugend ist besser als ihr Ruf. Zum Beispiel konnten wir mit dem Mythos der Freundschaftsinflation aufräumen. Die junge Generation kann sehr wohl zwischen Freunden bei sozialen Netzwerken wie Facebook und engen persönlichen Freunden unterscheiden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie die jungen Menschen lernen, solche neuen Vernetzungsmöglichkeiten differenziert zu nutzen und dabei gleichzeitig sehr genau unterscheiden, wem sie welche Information zur Verfügung stellen.

FNP: Gleichzeitig scheint die Ausspäh-Affäre die User kaum zu beeindrucken. In einer Studie haben Sie herausgefunden, dass sich 44 Prozent der Befragten über 16 Jahre nicht dafür interessieren, ob sie beobachtet werden.

KAMMER: Aus dieser Studie haben wir auch gelernt, dass 56 Prozent der Befragten das Ausspähen der Geheimdienste als eine Verletzung der Bürgerrechte sehen. Aber sie zogen kaum Konsequenzen für ihr persönliches Verhalten. Das zeigt, dass die Ausforschungen der Geheimdienste aus ihrer Sicht nichts mit dem digitalen Alltag der Menschen zu tun haben.

FNP: Wie erklären Sie sich diese Haltung?

KAMMER: Die Vorteile, die die digitale Welt bietet, siegen über mögliche Sicherheitsbedenken. Dass irgendwo Leute meine Mails verfolgen, ist zu abstrakt, nicht konkret spürbar.

FNP: Vertrauen in das Internet ist also nach wie vor vorhanden?

KAMMER: Eine DIVSI-Untersuchung zeigt, dass 39 Prozent der Befragten den deutschen Sicherheitsbehörden Zugriff auf ihre privaten Daten erlauben würden; aber 83 Prozent der Befragten nicht wollen, dass ausländische Sicherheitsdienste auf ihre Daten zugreifen. Wir haben es nicht mit einer generellen Krise des Vertrauens in das Internet zu tun. Es fehlt allerdings Vertrauen in bestimmte Institutionen.

FNP: Was passiert mit den Studien, die Sie durchführen?

KAMMER: Wir veröffentlichen sie und bringen sie zu verschiedenen Gruppen, die daraus Rückschlüsse ziehen, für Politik oder Wirtschaft etwa. Zum Beispiel war die Studie, in der der Anteil der Nicht-Internetnutzer untersucht wurde, für verschiedene Behörden interessant: Führt das dazu, dass auf lange Sicht mehrere Kommunikationskanäle offen bleiben müssen?

FNP: Haben Sie schon konkrete Erkenntnisse aus diesen Grundlagen gezogen?

KAMMER: Klar ist, dass wir uns in einem großen Wandel befinden, bei dem keiner so richtig abschätzen kann, wohin er uns führt. Deswegen stellen wir eine wichtige Frage: Braucht Deutschland einen digitalen Kodex? Wir denken ja. Und arbeiten nun an Spielregeln für eine Zeit, in der das Gefüge, das uns die vergangenen 50 Jahre zusammengehalten hat, ins Wanken gerät. Dazu gehören Fragen zum Benehmen im Internet, zum Mobbing, aber auch die Vereinbarkeit von Transparenz und Persönlichkeitsrechten. Es geht auch um Daten als wertvollen Rohstoff.

FNP: Gibt es dafür konkrete Beispiele?

KAMMER: Nehmen Sie Google Glass, die internetfähige Brille von Google. Mit ihr kann man durch China laufen und sie übersetzt die Schilder. Eine Bereicherung …

FNP: … die Datenschützer auf den Plan ruft, weil man zum Beispiel Menschen unbemerkt filmen kann.

KAMMER: Dies zeigt, man braucht Regeln für neue Entwicklungen. Wir diskutieren darüber in Expertenrunden und öffentlichen Veranstaltungen. Das Thema soll kein Spezialisten-Diskurs bleiben. Es geht uns alle an.

FNP: Will sich der Durchschnitts-User mit solchen Fragen beschäftigen?

KAMMER: Wir können diese Diskussion nicht allein leisten, da müssen Bildungseinrichtungen mitmachen, die das Thema in die Bevölkerung bringen. Auch in der digitalen Welt ist nichts umsonst, wenngleich wir viele Angebote täglich nutzen können, ohne dass wir dafür direkt Geld bezahlen müssen. Wir bezahlen sie aber mit unseren Daten, die dabei sind, eine neue Währung zu werden. Auf diese Angebote wollen wir ungern verzichten. Keiner aber wird wollen, dass seine Daten missbraucht werden. Ich denke, wir brauchen ein neues Verständnis von Datenschutz. Die Menschen wollen den Nutzen und erwarten kraftvollen Schutz, der Missbrauch verhindert. Das wird kein leichter Weg.

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