Das Projekt „Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex“ berührt ein breites Themenspektrum: Sozialwissenschaften, (Netz-) Politik, Ökonomie, Technik, Datenschutz und zivilgesellschaftliches Engagement. Eine hochrangige Expertengruppe aus diesen Themenfeldern begleitet das Projekt im Rahmen von mehreren thematischen Workshops.
Patrick von Braunmühl ist Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins Selbstregulierung Informationswirtschaft (SRIW), dessen Ziel die Förderung von Datenschutz und Verbraucherschutz durch Instrumente der Selbstregulierung ist. Gründungsmitglieder sind der ITK-Verband BITKOM sowie führende Unternehmen der Internetbranche. Bis Mai 2012 war von Braunmühl in Indien als Leiter des Projektes „Nachhaltiger Konsum und Verbraucherschutz“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Dabei beriet er die indische Regierung zu verbraucherpolitischen Themen und führte Pilotprojekte zum Aufbau IT-gestützter Verbraucherberatungs- und Schlichtungsstellen durch. Vor 2009 hat er u.a. als Mitglied der Geschäftsleitung bei Cisco Deutschland, als stellvertretender Vorstand beim Bundesverband der Verbraucherzentralen sowie bei der Bertelsmann AG gearbeitet.
„Was die digitale Revolution für unseren Gesellschaftsvertrag bedeutet und ob soziale Normen teilweise neu definiert werden müssen, ist eine der spannendsten Fragen unserer Zeit. Ich bin gespannt, welche Antworten das Projekt Digitaler Kodex auf diese Fragen findet.“
Seit Mai leitet Eva Flecken das Hauptstadtbüro des Pay-TV-Anbieters Sky. Zuvor verantwortete sie in der Medienanstalt Berlin-Brandenburg die Bereiche Digitale Projekte, Netz- und Medienpolitik. Als Referentin für Plattformregulierung und Medienpolitik in der Gemeinsamen Geschäftsstelle der Medienanstalten befasste sie sich bereits davor mit Themen rund um die Digitalisierung des Rundfunks. Sie hat in Münster und Wien Kommunikationswissenschaft studiert. Während der Promotion arbeitete Eva Flecken bei einem Bundestagsabgeordneten und widmete sich dort vornehmlich innenpolitischen Fragen. Ihre Dissertation hat sie 2010 an der philosophischen Fakultät der Universität Münster eingereicht.
„Die Unterscheidung „online oder offline“ ist für viele Menschen heute schon nicht mehr wirklich sinnvoll, schließlich sind wir dank der smarten Alleskönner immer und überall online. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass die digitale Vernetzung viele Menschen vor Herausforderungen stellt, manche sogar abhängt. Umso dringlicher müssen wir eine gesellschaftliche Vorstellung davon entwickeln, wer im digitalen Weltgeschehen wofür Verantwortung übernimmt. Wie kann ein digitaler Kodex ausgestaltet sein, der uns als Navigator im Internet berät und auch mal in die Schranken weist? Diese Frage geht uns alle an, da sich unsere individuelle Lebenswirklichkeit fortwährend digitalisiert – ob wir wollen oder nicht, es geschieht.“
Rüdiger Grimm ist Professor für IT-Riskmanagement und Dekan des Fachbereichs Informatik an der Universität in Koblenz. Sein Schwerpunkt in Forschung und Lehre sind aktuelle Herausforderungen der IT-Sicherheit, zum Beispiel Usage Rights Management, E-Voting, E-Identification, E-Commerce, IT-Forensik. Neben der Gestaltung von Anwendungen entwickelt er IT-Sicherheitsmodelle. Er ist außerdem als wissenschaftlicher Berater und Ombudsmann für Gute Wissenschaftliche Praxis des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie (SIT) in Darmstadt tätig.
„Eigentlich sind Datenschutz und Urheberrecht klar geregelt, für das Internet sind sogar aktuelle Novellierungen in Kraft getreten. De facto aber werden beide Rechte im Internet notorisch ignoriert, oder jedenfalls anders behandelt als vom Recht vorgesehen. Es ist die Frage, ob die traditionelle Form der Rechtsetzung für die modernen Kommunikationsformen im Internet und mit mobilen Anwendungen noch ausreichend oder überhaupt angemessen ist. Welche anderen Formen verbindlicher Festlegung von Verhalten sind dann aber denkbar? Hier betreten wir Neuland. Das Zusammenspiel von ethischen Normen, guten Sitten, klaren Rechtsansprüchen und innovativen Grenzüberschreitungen ist eine der spannendsten Herausforderungen der modernen Gesellschaft. Hierzu ist interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Kommunikation zwischen Praktikern und Theoretikern der Medien, Politik, Wirtschaft und Forschung erforderlich.“
Hans Hege ist Jurist und Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). Er war bis August 2008 Vorsitzender der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten und ist seit 1. September 2008 Beauftragter für Plattformregulierung und Digitalen Zugang der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten sowie Mitglied der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK).
„Wir brauchen eine breite und fundierte Diskussion zu der Frage, wer im Netz welche Verantwortung wofür trägt. Die digitale Lebenswirklichkeit ist überaus chancenreich, sie fordert uns aber auch einiges ab. Politik und Gesellschaft müssen gemeinsam einen Rahmen für zeitgemäße Zuständigkeiten, moderne Sicherheitsstrukturen sowie innovative Förderung im Netz erarbeiten. Auch die Medienregulierung muss sich dahingehend neu entwerfen. Als Regulierer liegt mir besonders daran, dass der Zugang zu Infrastrukturen und Inhalten allen gleichermaßen offen steht.“
Der promovierte Jurist ist Geschäftsführer von Deutschland sicher im Netz (DsiN e.V.). Zuvor leitete Littger beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) das Themenfeld Digitale Wirtschaft, Medien und Telekommunikation, nachdem er in der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission in Brüssel sowie für die US-Kanzlei Mayer Brown LLP tätig war. Seine Promotionsarbeit befasste sich mit Strategien der Co-Regulierung für Wirtschaft und Unternehmen. Littger ist Mitglied in Think Tanks zur Internetforschung, u.a. dem Feldafinger Kreis.
„Der Umgang mit digitalen Veränderungen gehört zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Sie erfordert eine Debatte über kluge Regulierungsstrategien – und damit auch über die geeigneten Regelungsinstrumente. Ein Kodex hat das Potenzial, relevante Fragen der Digitalisierung rasch aufzugreifen und daraus intelligente Lösungen zu entwickeln. Zudem können sich eine hohe Dynamik bei der Regelfindung sowie eine stärkere Akzeptanz bei den Adressaten ergeben. Die Anforderungen an die Kodex-Architektur und ihre Umsetzung müssen dafür jedoch genau geprüft werden. Das Projekt von DIVSI und iRights.Lab schafft sehr gute Voraussetzungen, diese Zukunftsdebatte – aus unterschiedlichen Blickwinkeln – konstruktiv zu bestreiten.“
Nico Lumma ist freier Autor und Berater in Hamburg. Er bloggt seit vielen Jahren auf lumma.de. Er ist Mitglied im Gesprächskreis Netzpolitik des SPD-Parteivorstandes. 2011 hat er den Verein D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt mitgegründet und ist dort als Co-Vorsitzender aktiv. Laut Wirtschaftswoche 19/2012 gehört er zu den 100 wichtigsten Internet-Köpfen in Deutschland. Er war in den unterschiedlichsten leitenden Positionen tätig, unter anderem als Director Social Media bei Scholz & Friends. Außerdem war er ständiger Sachverständiger der Enquete-Kommission „Verantwortung in der medialen Welt“ am Landtag Rheinland-Pfalz 2009/2010.
„Die Digitalisierung der Gesellschaft sorgt für eine Neubestimmung unserer Positionen und unserer Werte als westliche Gesellschaft. Daher ist die Diskussion um einen digitalen Kodex längst überfällig.“
Alexandra Manske lebt und arbeitet in Berlin, wo sie bis Mai 2013 am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin das Forschungsprojekt „Die Kultur- und Kreativwirtschaft als kreativer Zulieferer für die Automobilindustrie“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geleitet hat. Seit mehr als zehn Jahren erforscht sie Arbeits- und Sozialverhältnisse in der Kultur-Kreativwirtschaft. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Wandel der Arbeitsgesellschaft und ihrer Ungleichheitskonfigurationen, urbane Kreativmilieus und Geschlechterforschung. Sie promovierte 2005 zu dem Thema „Prekarisierung auf hohem Niveau. Web Worker und die Ungleichheitsordnung von Arbeit“. In Kürze erscheint im transcript- Verlag ihr Buch „Kapitalistische Geister in der Kultur- und Kreativwirtschaft“.
„Als Mitglied der Experten-Kommission Digitaler Kodex treiben mich aus soziologischer Perspektive folgende Fragen um: Wer hat welche Interessen im Netz? Wie könnten soziale Verkehrsregeln im digitalen Leben aussehen? Wie vermitteln sich Interessen mit Verantwortung und was heißt das: Verantwortung übernehmen im digitalen, sozialen Regelgeflecht?„
Peter Schaar war von 2003 bis 2013 der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Aktuell ist er der Vorstand der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID). Er engagiert sich außerdem in der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit, in der Gesellschaft für Informatik und der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit. Für sein Buch „Das Ende der Privatsphäre“ bekam er den Preis „Das politische Buch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung.
„Gesellschaftliche Wertvorstellungen brauchen Zeit, um sich herauszubilden. Die rasante technologische Entwicklung stellt Entscheider und Betroffene ständig vor neue Fragen, die sich vielfach nicht innerhalb eines gewachsenen Normensystems beantworten lassen. Der insbesondere in Deutschland unternommene Versuch, alle Eventualitäten im Detail zu regeln, ist zum Scheitern verurteilt. Deshalb brauchen wir einen Top-Down-Ansatz, der ausgehend von grundlegenden Wertentscheidungen rechtliche Vorgaben und Ziele definiert, die unter Mitwirkung aller Betroffenen konkretisiert werden. Die dabei entwickelten Vorgaben sollten für alle Beteiligten verbindlich sein. Voraussetzung dafür ist ein stabiler gesetzlicher Rahmen, der auch Verfahrensregelungen und Durchsetzungsmechanismen festlegt. Ein „digitaler Kodex“, der entwicklungsoffen den jeweiligen Stand beschreibt und Verhaltensrichtlinien gibt, kann hierfür hilfreich sein.“
Thorsten Schilling ist seit Oktober 2000 Leiter des Fachbereichs Multimedia der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn und Berlin (bpb), er ist Journalist und Chefredakteur des Magazins fluter, dem Jugendmagazin der bpb. Von 1982 bis 1986 studierte Schilling Philosophie/Marxismus-Leninismus in Leipzig. Im Juli 1989 wurde er aus politischen Gründen aus der DDR ausgewiesen. Danach war er unter anderem Pressesprecher des Magistrats Berlin (Ost), des Senators für Jugend und Familie in Berlin. Zudem war er Projektmanager für die Galerie Eigen+Art Berlin und organisierte für die documenta X den Hybrid Eigen+Workspace als temporäres Medienlabor. Schilling war 1998 Gründungsmitglied von mikro e.V. und bis 2000 Vorsitzender des Vereins zur Pflege der Medienkulturen in Berlin.
„Ich finde die Themen, die bei der Diskussion um einen möglichen Digitalen Kodex diskutiert werden, wichtig und wert, sie in den verschiedensten Bereichen und Perspektiven zu diskutieren. Spannend finde ich auch herauszufinden, ob meine doch ausgeprägte Skepsis, was die Möglichkeit der Erstellung eines solchen Kodex in den eher idyllischen Rahmenbedingungen einer Expertenrunde angeht, im Laufe der Diskussion widerlegt werden kann. Wirksame Codices entstehen doch eher im Zuge von öffentlichem Streit, glaube ich.“
Dr. Sönke E. Schulz ist seit Februar 2015 Berater bei der ÖPP Deutschland AG (Partnerschaften Deutschland). Zuvor war er freier Mitarbeiter am Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften, nachdem er dort als Geschäftsführer Projekte zur Verwaltungsmodernisierung, zu Open und E-Government sowie zu netzpolitischen Themen verantwortet hatte. Sönke Schulz hat Rechts- und Politikwissenschaften studiert, zwei juristische Staatsexamen und wurde zu einem grundrechtlichen Thema promoviert. Forschungsschwerpunkte sind neben „E-Themen“ kommunal- und organisationsrechtliche Fragestellungen. Er arbeitet an einer Habilitationsschrift zu „Begriff und Struktur der Verwaltungsaufgabe“.
„Angesichts der oft fehlenden Steuerungswirkungen des Rechts in der digitalen Welt – die einemals Juristen durch neueste Entwicklungen beständig vor Augen geführt werden – erscheint eineintensivere Befassung mit außerrechtlichen Wirkungsmechanismen aus interdisziplinärerPerspektive zielführend. Damit setzt das Projekt Digitaler Kodex zur richtigen Zeit an der richtigenStelle an – und kann auch für Rechtspolitik, Rechtswissenschaft und Rechtspraxis wertvolleHinweise liefern.“
Wolfgang Schulz ist Direktor des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin und des Hans- Bredow-Instituts in Hamburg. Er war sachverständiges Mitglied in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Seit November 2011 hat er die Universitätsprofessur „Medienrecht und Öffentliches Recht einschließlich ihrer theoretischen Grundlagen“ an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg inne. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen bei Problemen der rechtlichen Regulierung von Medieninhalten und den Rechtsgrundlagen journalistischer Arbeit; zudem forscht er im Bereich Internet-Governance und zu den Grundlagen der Kommunikationsfreiheiten. Dazu kommen Arbeiten zu Handlungsformen des Staates, etwa im Rahmen von Konzepten „regulierter Selbstregulierung“ und international vergleichende Studien.
„Gerade im Netz strukturiert nicht allein formales Recht das Verhalten, auch soziale Normen und der „Code“, die Softwarearchitektur, sind bedeutsam. Wenn wir uns fragen, wie eine angemessene Regelungsstruktur für die digitale Gesellschaft aussieht, müssen wir das Zusammenspiel dieser Faktoren verstehen. Ausgangspunkt sollte dabei immer ein konkretes Problem sein, Regulierung ist kein Selbstzweck. Die Reaktion auf ein solches Problem kann möglicherweise eine neue Kodifizierung – ein „Digitaler Kodex“ – sein, vielleicht muss die Regelungsstruktur aber auch auf andere Weise optimiert werden.“
Bildnachweise:
Dr. Eva Flecken (Foto: Bettina Volke)
Prof. Dr. Rüdiger Grimm (Foto: Privat)
Dr. Hans Hege (Foto: mabb, Nikolaus Brade)
Dr. Michael Littger (Foto: Privat)
Dr. Michael Littger (Foto: Privat)
Nico Lumma (Foto: Privat)
Dr. Alexandra Manske (Foto: Privat)
Peter Schaar (Foto: Privat)
Thorsten Schilling (Foto: Privat)
Dr. Sönke E. Schulz (Foto: CAU Kiel)
Prof. Dr. Wolfgang Schulz (Foto: Hans-Bredow-Institut)
Patrick von Braunmühl (Foto: Privat)
Deutschland braucht einen Digitalen Kodex
Hochkarätig besetzte Veranstaltung in Berlin: Vom Straßenkampf auf eine andere Ebene kommen Berlin, 15. Mai – Ein Digitaler Kodex, entwickelt aus einem breit gefächerten öffentlichen Diskurs unter allen Teilnehmern der Netzgesellschaft, könnte künftig die fortschreitende Digitalisierung positiv beeinflussen. Eine solche Richtschnur ist notwendig, um im Netz ein gemeinsames Grundverständnis von Fairness zu entwickeln. Diese Auffassung […]
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