Tatsächlich gibt es bereits Versuche, auch Außenstehende an das Netz heran zu führen. Die Stiftung Digitale Chancen ist seit zehn Jahren auf diesem Feld aktiv, kümmert sich dabei nicht nur um Senioren. Geschäftsführerin Jutta Croll stellt die Arbeit der Stiftung vor.
„Ein Leben ohne Internet? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.“ Für die meisten jüngeren Menschen ist das Internet ein selbstverständlicher Teil ihres Alltags. EMails schreiben, Einkaufen, Reisen buchen und Behördengänge erledigen: Das alles wird schon seit einigen Jahren von vielen Menschen online erledigt. Aber erst seit das persönliche Profil im Internet Teil der eigenen Identität geworden ist und soziale Beziehungen im Netz geknüpft und gepflegt werden, ist das ‚Soziale Netz‘, das so genannte Social Web, für viele unverzichtbar geworden.
Diese Entwicklung gilt jedoch nicht für alle Menschen in gleichem Maße. Noch gibt es rund 20 Millionen Nichtnutzer in Deutschland, von denen allerdings nur ein geringer Teil zu den überzeugten Offlinern zählt. Die meisten stehen den neuen digitalen Medien neutral gegenüber. Die Stiftung Digitale Chancen möchte diese Menschen für die Chancen des Netzes begeistern und ihnen im Web 2.0 neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe eröffnen.
Gegründet im Jahr 2002 von der Universität Bremen und dem Unternehmen AOL Deutschland hat die Stiftung seither mit einem breiten Spektrum von Maßnahmen ihre Aufgabe der Förderung der Internetnutzung und Medienkompetenz umgesetzt. Einen Schwerpunkt bilden dabei Trainingsmaßnahmen für haupt und ehrenamtliche Mitarbeitende in Einrichtungen der sozialen Arbeit und non-formalen Bildung, die ihre Zielgruppen –Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderung, Menschen in ländlichen Regionen, Seniorinnen und Senioren sowie bildungsferne und sozial benachteiligte Jugendliche und Erwachsene – mit dem Internet vertraut machen können. Im Rahmen der vom Bundeswirtschaftsministerium finanzierten Initiative Internet erfahren hat die Stiftung von 2009 bis 2011 mit dem Training Inklusive Internet mehr als 1.200 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren erreicht.
Gemeinsam mit ihrem Zustifter, dem Unternehmen E-Plus, hat die Stiftung anknüpfend an die Initiative Internet erfahren ein Projekt initiiert, das die Nutzung neuer mobiler Endgeräte in der Medienkompetenzarbeit mit älteren Menschen untersucht. Die E-Plus Gruppe stellt dafür in Senioreneinrichtungen an vier Standorten in Deutschland für ein Jahr kostenlos anwenderfreundliche BASE Tabs zur Verfügung, die mit einer Internetflatrate ausgestattet sind. Die Stiftung evaluiert begleitend, ob Tablet PCs den Einstieg in die Internetnutzung erleichtern und z. B. helfen können, Probleme der Auge-Hand-Koordination, die für ältere Menschen häufig bei der Nutzung von Maus und Tastatur auftreten, zu vermeiden.
Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit der Stiftung Digitale Chancen stellt die Barrierefreiheit dar. Seit dem Jahr 2003 schreiben die Stiftung Digitale Chancen und die Aktion Mensch regelmäßig den BIENE-Wettbewerb für die besten barrierefrei gestalteten Internetseiten in deutscher Sprache aus. BIENE steht für „Barrierefreies Internet eröffnet neue Einsichten“ ebenso wie für Kommunikation, gemeinsames Handeln und produktives Miteinander. In dem Projekt Bürgerbeteiligung barrierefrei online hat die Stiftung im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einen Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für die barrierefreie Gestaltung von Bürgerbeteiligungsverfahren entwickelt, der einen Baustein in der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention darstellt.
Der sichere und verantwortungsbewusste Umgang mit dem Medium Internet spielt insbesondere im Social Web eine große Rolle. Hier setzen die Stiftungsprojekte zur Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen und deren erwachsenen Ansprechpartnern an. Vom Teens & Technology Roundtable, der 2002 gemeinsam mit Partnern aus den USA veranstaltet wurde, führt der Weg über den Youth Protection Roundtable, ein Projekt im Rahmen des Safer Internet Programms der Europäischen Kommission bis zum gerade ins Leben gerufenen Social Media Advisory Roundtable – SMARt. Hier werden unter der Schirmherrschaft des Bundesfamilienministeriums Jugendliche zusammen mit Eltern, Pädagogen, Experten aus dem Jugendmedienschutz und Facebook Strategien zur Stärkung der Medienkompetenz in Sozialen Netzwerken erarbeiten und Erwartungen an Plattformbetreiber formulieren.
Jutta Croll
Jutta Croll ist Geschäftsführerin und Mitglied des Vorstands der Stiftung Digitale Chancen, einer gemeinnützigen Organisation unter der Schirmherrschaft des BMWi und des BMFSFJ.
Die Stiftung arbeitet an dem Ziel der Digitalen Integration von Bevölkerungsgruppen, die bei der Internetnutzung bisher unterrepräsentiert sind. Sie entwickelt Projekte und innovative Strategien zur Förderung der Medienkompetenz.
Jutta Croll hat von 1985 – 1990 an der Universität Göttingen Deutsche Literaturwissenschaft, Politikwissenschaften und Publizistik studiert und als Magistra Artium abgeschlossen. Sie ist als Wissenschaftlerin in verschiedenen Projekten zur Nutzung von Medien und Förderung der Medienkompetenz tätig und Mitglied verschiedener Projektbeiräte und Steuerungsgruppen auf deutscher und europäischer Ebene.
Aktuelle Publikation: Croll, Jutta / Weber Sven: Vorsicht Internet! Eltern haften für ihre Kinder. In: Kinder im Social Web. Qualität in der KinderMedienKultur. Nomos 2011.