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Digitalisierung: Herausforderung und Chance für alle

27. Juli 2017

Digitalisierung: Herausforderung und Chance für alle

Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft: Theoretisch kommuniziert „jeder mit jedem“ – und damit leider auch „jeder gegen jeden“.

Berichte von Afia Asafu-Adjei

Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, dankte in ihrem Grußwort zur Eröffnung des Forums dafür, dass mit der Thematik „Ohne digitale Teilhabe keine soziale Teilhabe – Ist das Smartphone unser Tor zur Welt?“ eine Debatte in die breite Öffentlichkeit getragen werde, die der Freien und Hansestadt gut zu Gesicht steht: „Nicht nur, weil digitale Medien in unserer Heimatstadt ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor sind, sondern vor allem deshalb, weil Sie mit der geballten Kompetenz, die diese Stadt zu bieten hat, einen Diskurs führen, der von allergrößter Bedeutung ist – gefühlt und auch in Wirklichkeit.“

Ob es DIVSI sei, die Bucerius Law School, die Uni Hamburg oder das Hans-Bredow-Institut und die Körber-Stiftung: Sie alle beschäftigen sich wie die Politik eingehend mit der Digitalisierung unseres täglichen Lebens.

Veit: „Und sie alle werfen die zentrale Frage auf: Wie können wir den globalen technologischen Wandel, der längst in vollem Gange ist, gesamtgesellschaftlich und sozialverträglich so gestalten, dass möglichst viele Menschen ihn auch als Chance begreifen können? Wie minimieren wir die Risiken, und wie maximieren wir den Nutzen – nicht nur in ökonomischer Hinsicht, sondern im Sinne einer ‚digitalen Ökologie’, wie sie der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen gefordert hat.“

Nach Ansicht der Bürgerschaftspräsidentin schreite die technologische und wirtschaftliche Entwicklung dynamisch voran. Der soziale und kulturelle Wandel, der damit verbunden ist, hinke eher hinterher.

Anerkennung

Es ginge vor allem darum, die Digitalisierung als Zukunftschance, aber gleichzeitig auch als gesamtgesellschaftliche Herausforderung zu begreifen.

Carola Veit: „Diese Entwicklung mit Bedacht und Weitsicht zu begleiten, ist eine Aufgabe, der sich natürlich auch die Freie und Hansestadt angenommen hat. Hamburg hat im Ländervergleich bereits jetzt ein gutes Angebot an E-Government-Diensten, das auch die entsprechende Anerkennung findet. So hat die Stadt die Auszeichnung ‚e-city 2015‘ für das ‚beste digitale Gesamtangebot einer Kommune‘ erhalten. Im Rahmen der Strategie ‚digital first‘ setzt der Senat die Digitalisierungsbestrebungen konsequent fort.“

Allein den Betrieb ihrer zentralen Infrastruktur lasse sich die Stadt gut 80 Millionen Euro pro Jahr kosten, um ihre Aufgaben effizienter, vor allem aber auch kundenfreundlicher zu gestalten. Erst einmal richte sich ein solches Angebot natürlich nur an die, die überhaupt über die Voraussetzungen verfügen. Veit: „Auch das übrigens eine Frage von Teilhabe.“

Partikularinteressen

Die Präsidentin erinnerte daran, dass man unter dem Schlagwort E-Democracy davon ausgegangen sei, dass Internet und digitale Medien auch solchen Akteuren eine Chance zur Artikulation und Teilhabe eröffnen, die weniger Zugang zu den klassischen Medien hatten: „Schließlich hat doch Demokratie letztlich die gleiche Freiheit und Fähigkeit aller zur Voraussetzung, sich an der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zu beteiligen.“

Eigentlich müsse man sich doch inzwischen über eine Demokratisierung der Öffentlichkeit par excellence unterhalten! Carola Veit: „Aber nein. Nach meinem Gefühl haben die digitale Revolution und die Anyone-to-many-Kommunikation nicht spürbar zu besserer Teilhabe, mehr Interesse und größerer Verantwortung beigetragen. Was wir stattdessen vorfinden, ist eine noch viel stärkere Vertretung von Partikularinteressen, als wir es bei analogen partizipatorischen Elementen kennen – also, wenn sich zum Beispiel in bestimmten Stadtteilen Bürgerbegehren gegen Flüchtlingsunterkünfte formieren. Nur im Netz geht das noch rasanter, noch radikaler, noch kompromissloser. Theoretisch kommuniziert ‚jeder mit jedem‘ – und damit leider auch ‚jeder gegen jeden‘.“

Die enthemmende Wirkung der Anonymität bis hin zu der Entwertung von Inhalten seien die ungeahnten Nebenwirkungen, quasi die Kollateralschäden der digitalen Revolution.

Die Bürgerschaftspräsidentin weiter: „Meinungs- und Pressefreiheit sind zur politischen Willensbildung unerlässlich. Demokratie beinhaltet allerdings nicht nur das Mehrheitsprinzip. Demokratie umfasst auch den Minderheitenschutz, die Akzeptanz von Opposition, den Schutz der Grundrechte, den Schutz der Bürgerrechte und die Achtung der Menschenrechte – vor allem aber auch die Gewaltenteilung im besten Sinne von ‚Checks and Balances‘.“

Aus ihrer Sicht würden sich daraus und aus den jüngsten Entwicklungen in der politischen Kommunikation drei zentrale Herausforderungen ergeben:

  1. Notwendig sei ein Minimalkonsens der Demokraten, gern in Form einer europäischen Charta der Digitalen Grundrechte, die unabhängig von nationalen Grenzen unveräußerliche Bürgerrechte regelt wie Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden, aber auch individuelle Rechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder auch das „Recht auf Vergessenwerden“.
  2. Die Beherrschung der digitalen Medien müsse als zentrale Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts begriffen werden.
  3. Der Zugang zu digitalen Medien müsse für alle ermöglicht werden.

Carola Veit: „Neben den technischen Voraussetzungen kommt es darauf an, durch den barrierefreien Zugang eine Teilhabe im Digitalen zu ermöglichen. Im Sinne einer demokratischen Teilhabe geht es dabei vor allem darum, einer digitalen Spaltung der Gesellschaft vorzubeugen und die Kluft, die sich durch Einkommen, Alter oder sozialen Status zeigt, zu überwinden.“

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Der Autor

Afia Asafu-Adjei

Afia Asafu-Adjei

Foto: Frederike Heim

studierte Rechtswissenschaft und Verwaltungswissenschaften. Sie ist Projektleiterin bei DIVSI.

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