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Themen: Leitplanken in der digitalen Welt Digitale Souveränität 

Kurzüberblick

Privatsphäre als neues digitales Menschenrecht? Ethische Prinzipien und aktuelle Diskussionen

21. Juli 2015

Geleitwort

Privatsphäre ist ein Menschenrecht. Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte aus dem Jahre 1966, dem die meisten Staaten beigetreten sind, besagt, dass niemand willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre oder seines Rufes ausgesetzt werden darf.

Menschenrechte sind unveräußerlich: Niemand darf darauf verzichten, auch nicht freiwillig, weil er sonst kein Mensch mehr sein könnte. Würde, Freiheit und Gleichheit sind ethische Prinzipien, die für alle Menschen gleichermaßen gelten.

Dennoch behaupten einige, im digitalen Zeitalter gäbe es keine Privatsphäre mehr. Das Zeitalter der Privatsphäre sei vorbei, sagt zum Beispiel Mark Zuckerberg. Das Berliner „Collaboratory Internet & Gesellschaft“ behauptet, das Konzept der Privatsphäre sei wissenschaftlich überholt und technisch nicht mehr darstellbar. Eric Schmidt sagt voraus, immer mehr Menschen würden in Zukunft freiwillig auf ihre Privatsphäre verzichten. Tim Cook hingegen hat kürzlich erklärt, er fühle sich den Deutschen sehr nah, weil wir seine Ansichten zum Schutz der Privatsphäre teilen würden.

„Wir lesen Ihre E-Mails nicht, wir lesen Ihre Textnachrichten nicht – und wir finden es inakzeptabel, wenn jemand das tut. Ich will auch nicht, dass jemand bei mir mitliest“ (Interview mit „Bild am Sonntag“ vom 1. März 2015, S. 15).

Andere sehen die Privatsphäre nicht nur durch kommerzielle Datensammler bedroht, sondern auch durch den Staat, durch die Geheimdienste. In vielen Ländern dieser Erde fordern Aktivisten gerade nicht die Aufgabe der Privatsphäre, wie das die „Post-Privacy-Spackeria“ propagiert, sondern ein neues digitales Menschenrecht auf Privatsphäre, das das alte aktualisiert. Die einen setzen dabei auf eine Fortentwicklung des Völkerrechts, womöglich unter Moderation der Vereinten Nationen, die anderen eher darauf, „informationelle Selbstbestimmung“ auch in einer Welt durchzusetzen, in der man praktisch nicht mehr leben kann, ohne Datenspuren zu hinterlassen. Während die einen den Nutzer ertüchtigen wollen, sich klug im Netz zu bewegen (Stichwort Medienkompetenz), glauben andere, dass das allein nicht genügt, sondern es für die Verarbeitung von Daten verbindliche Regeln geben muss, die alle einzuhalten haben.

Max-Otto Baumann, bis Anfang 2015 Mitarbeiter am John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung in Heidelberg, führt ein in diese Debatte um ein Menschenrecht auf Privatsphäre, das dem digitalen Zeitalter gerecht wird, und zeigt auf, wer sich an dieser Debatte beteiligt, die derzeit heftig tobt, und welche Argumente dabei vorgetragen werden. Er unterzieht diese Argumente einer kritischen Prüfung, inwieweit sie für eine ethische Begründung dieses „neuen“ Menschenrechts taugen. Es handelt sich mithin nicht um eine juristische oder politische, sondern um eine philosophische Analyse.

Ein vergleichbarer Überblick über die aktuelle Diskussion über das neue, alte Menschenrecht der Privatsphäre ist mir nicht bekannt. Ihm sind viele Leserinnen und Leser zu wünschen, weil die Frage, wie wir Privatsphäre im digitalen Zeitalter definieren und durchsetzen wollen, eine Frage ist, die uns alle angeht. Bis Antworten auf diese Frage gefunden sind, dürfte noch eine Weile vergehen. Aber die Zeit drängt.

Göttrik Wewer Hamburg, im Juni 2015

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Der Autor

Dr. Max-Otto Baumann

Dr. Max-Otto Baumann

geb. 1982

Dr. Baumann studierte in Heidelberg Politikwissenschaft, Philosophie und Physik und wurde im Fachbereich Internationale Beziehungen promoviert. Von 2012 bis 2015 war er Akademischer Mitarbeiter am John Stuart Mill Institut in Heidelberg im Projekt „Öffentlichkeit und Privatheit in der Digitalen Revolution“. Nun forscht er am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Bonn.

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