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Vertrauen ist gut – (wann) ist Kontrolle besser?

2. Juni 2015

Vertrauen ist gut – (wann) ist Kontrolle besser?

Foto: Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit e.V.

Hochkarätig besetzte Veranstaltung des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit.

Von Verena Mummert

Während eine Fülle an privaten Daten kommerziellen Unternehmen freiwillig zur Verfügung gestellt wird, würden Integrität und Intentionen staatlicher Institutionen gern infrage gestellt. Dabei bräuchten gerade die Nachrichtendienste Vertrauen, Akzeptanz und auch Kontrolle, wenn sie ihre Aufgaben angemessen erfüllen sollen, sagte Dr. Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bei einer Veranstaltung des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit e.V. im Deutschen Bundestag.

Eine „Kultur des Misstrauens“ zeige sich schon im Vokabular, mit dem die Arbeit der Dienste bedacht werde: etwa „ausspähen“ oder „spionieren“. Sicherheit sei aber kein Selbstzweck, sondern diene der Freiheit. Und das Sammeln von Informationen durch die Dienste diene nicht kommerziellen Interessen, sondern der Allgemeinheit. Um die öffentliche Sicherheit gewährleisten zu können, müsse manches vertraulich bleiben. Die Dienste bräuchten und verdienten das Vertrauen, da sie trotz möglicher Unzulänglichkeiten, die dort zutage treten können, wo Menschen arbeiten, unter dem Strich gute Arbeit leisteten.

Vertrauenswerte

Zwar vertraut (nach einer Umfrage aus dem Jahre 2013) eine Mehrheit der Deutschen, nämlich jeweils 58 %, dem Bundesnachrichtendienst und auch dem Verfassungsschutz, aber die Polizei (87 %) und die Bundeswehr (82 %) genießen deutlich höhere Werte als die Nachrichtendienste, auch das Bundeskriminalamt (79 %). Das liege sicher nicht nur daran, dass die einen im Geheimen arbeiten müssten, während die anderen meist offen aufträten, sagte BKA-Präsident Holger Münch. Kommunikation und Deeskalation stünden bei der Polizei längst im Vordergrund und würden systematisch trainiert.

Wenn die Polizei nicht an Vertrauen verlieren wolle, dann müsse sie ihre Kompetenz auch in der digitalen Welt beweisen. Das sei leichter gesagt als getan. Einer Studie zufolge würden nur 9% aller Fälle von Cyberkriminalität überhaupt angezeigt und davon wiederum nur 30% aufgeklärt. Zum einen erforderten die Flüchtigkeit und die Masse der Daten einen enormen Aufwand bei der Auswertung, zum anderen erschwerten die Möglichkeiten, im Netz Identitäten zu verschleiern und Kommunikation zu verschlüsseln, die Strafverfolgung von Tätern. Nur mit den geeigneten Methoden, entsprechend ausgebildetem Personal und einer intensiven Vernetzung all jener, die für die öffentliche Sicherheit zuständig sind, könne es gelingen, das Vertrauen in die Polizei zu erhalten.

Die Veranstaltung des Zukunftsforums, in der es um die Frage ging, wie es um das Vertrauen in Politik, Sicherheitsorgane und Wirtschaft in Deutschland bestellt ist, war hochkarätig besetzt. Neben dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes und dem Kommandeur des Zentrums Informationsarbeit der Bundeswehr schilderten auch zwei Abgeordnete des Deutschen Bundestages ihre ganz persönlichen Erfahrungen im Spannungsfeld zwischen Vertrauen und Kontrolle, Freiheit und Sicherheit.

Transparente Politik

Außerdem erläuterte ein Vertreter des Unternehmens, was Google alles unternimmt, um das Vertrauen seiner Nutzer zu erhalten, und ein Kuratoriumsmitglied des Wittenberg-Zentrums für Globale Ethik, auf welches Leitbild für verantwortliches Handeln man sich in der Wirtschaft verständigt hat. Vertrauen sei der wichtigste Vermögenswert eines Unternehmens. Dieser Wert werde maßgeblich durch das Handeln und die Haltung der Führungspersönlichkeiten bestimmt.

Die Politik war in der deutschen Geschichte noch nie so transparent wie heute, auch noch nie so kontrolliert wie heute, stellte Wolfgang Hellmich (SPD) fest, und dennoch wachse das Misstrauen. Das sei nicht immer leicht zu verstehen. Man müsse zwar intensiv kommunizieren, was man im Parlament mache, und das auch begründen, könne aber nicht immer alles sagen, was man wisse, erklärte das Mitglied des Verteidigungsausschusses. Es gebe sensible Themen, die der Geheimhaltung bedürften, wenn die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet werden solle. Das deutlich zu benennen, verspreche durchaus Akzeptanz.

Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Nachrichtendienste kontrolliere, seien alle mit Kanzlermehrheit gewählt, genössen also im Parlament ein sehr großes Vertrauen, betonte Clemens Binninger (CDU). Aber in den Medien werde immer wieder suggeriert, man werde diesem Vertrauen nicht gerecht, sondern von den Diensten an der Nase herumgeführt. Da man nicht alles sagen könne, was man wisse, sei dem schwer zu begegnen. Die Kontrolle durch das Parlament könne der Exekutive bisweilen lästig sein, böte aber auch die Chance, durch eine unabhängige Bewertung der jeweiligen Vorgänge verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen.

Das Vertrauen in politische Institutionen wie Parteien, Parlamente und Regierungen sei schon immer geringer gewesen als das Vertrauen in rechtsstaatliche Institutionen wie Polizei, Gerichte oder die Verwaltung, stellte Dr. Sonja Zmerli (Goethe-Universität Frankfurt) fest. Das gelte nicht nur für Deutschland, sondern generell. Man könne vermuten, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat gewissermaßen die Grundlage sei für ein darauf aufbauendes Vertrauen in die Demokratie.

Wo die Menschen Polizei und Justiz nicht vertrauen würden, blieben sie auch misstrauisch gegenüber der Politik. Die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland seien zwar geringer geworden, aber nach wie vor erkennbar. Politisches Vertrauen basiere entweder auf einer Art Tauschgeschäft, wo die Bürger zufrieden mit dem sind, was die Politik liefert, oder aber auf gemeinsamen Werten und Normen und einer gemeinsamen Identität. In dem einen Fall seien es eher strategische Überlegungen bzw. positive Erfahrungen, aus denen Vertrauen resultiert, in dem anderen Fall der Eindruck, derselben moralischen Gemeinschaft anzugehören.

Lohnende Hinweise

Die Veranstaltung hat gezeigt, dass es sich lohnt, intensiver darüber nachzudenken, wie das Vertrauen in Politik, Staat und Wirtschaft gestärkt werden kann. Mehr Transparenz und mehr Kontrolle haben nicht zu mehr Vertrauen geführt, jedenfalls Misstrauen nicht abbauen können. Die Vorträge, die in Berlin gehalten wurden, enthalten Hinweise, wie das besser gelingen könnte. Es könnte hilfreich sein, diesen Hinweisen bei passender Gelegenheit noch etwas genauer nachzugehen.

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Der Autor

Verena Mummert

Verena Mummert

ist seit 2013 Geschäftsführerin des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit e.V.

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