Vertrauen ist eine „Hypothese künftigen Verhaltens“, die sicher genug sein muss, um darauf eigene Bewertungen und Einschätzungen aufzubauen. Vertrauen ist somit immer auch ein „Vertrauensvorschuss“, der im Wesentlichen an drei Erwartungen geknüpft ist: Kompetenz, Integrität und Wohlwollen des Gegenübers. Je geringer der Einblick in das Tun des Gegenübers ist, desto höher muss das Vertrauen in seine Kompetenzen sein.
Damit die Bürger der Polizei vertrauen, muss diese als kompetent, integer und grundsätzlich gutwillig wahrgenommen werden. Vertrauen in die Polizei begründet sich in der Wahrnehmung der Professionalität und Ausgewogenheit polizeilicher Maßnahmen.
Das Besondere an der Polizeiarbeit, gegenüber den von der Bevölkerung ebenfalls als sehr vertrauenswürdig eingestuften Hilfeberufen wie Feuerwehr oder Rettungsdienst, ist, dass es sich bei der Polizeiarbeit um Eingriffsverwaltung handelt. Zu Recht sind die Erwartungshaltungen des Bürgers an polizeiliche Arbeit, an die Integrität und die Korrektheit des Handelns damit besonders hoch.
Um das hohe Vertrauen der Bevölkerung zu wahren, hat die Polizei in den letzten Jahrzehnten Einsatzstrategien verändert, Aus- und Fortbildung professionalisiert und Organisationsstrukturen angepasst. Polizeibeamte lernen heute, dass Kommunikation und Deeskalation zentrale Handlungselemente sind.
Von besonderer Bedeutung ist das Vertrauen in die polizeiliche Arbeit, wenn polizeiliches Handeln nicht beobachtbar und nicht einschätzbar ist. Dies ist zum Beispiel bei verdeckten Maßnahmen zum Schutz der Beteiligten und zur Sicherung einer effektiven Strafverfolgung der Fall. Die Bürger müssen sich bei solchen Maßnahmen darauf verlassen können, dass polizeiliche Eingriffe nur auf Basis gesetzlicher Befugnisse durchgeführt werden und nur im erforderlichen und verhältnismäßigen Umfang. Polizeiliche Maßnahmen unterliegen deshalb zu Recht Berichts- und Dokumentationspflichten sowie der Kontrolle und Überprüfbarkeit durch Justiz und Parlament. Polizeiliche Maßnahmen stehen darüber hinaus unter intensiver Beobachtung der Medien, was für das Vertrauen in die Institution Polizei ein ganz wesentlicher Baustein ist.
Ein weiteres Element ist die Selbstkontrolle in der Polizei in Form des sich immer stärker entwickelnden Beschwerdemanagements oder der Organisationseinheiten wie „interne Ermittlungen“.
Es wird deutlich, dass Vertrauen und Kontrolle zwei gleichberechtigte Komponenten sind und dass Vertrauen in die Polizei durch die Balance zwischen Personal- und Organisationsentwicklung einerseits und Transparenz und Kontrolle polizeilichen Handelns andererseits entsteht. Die Herausforderung besteht heute darin, diese Balance auch in Zukunft, in einer seit den 90er-Jahren immer digitaler und internationaler werdenden Welt, zu gewährleisten. Seit dem Fall der der Globalisierung entgegenstehenden Grenzen am 9. November 1989 ist eine vernetzte Welt mit World Wide Web und ständiger mobiler Erreichbarkeit entstanden.
Diese neue, vernetzte Welt bringt viele Vorteile für z.B. Wissenschaft und Wirtschaft. So können Produktions- und Steuerungsabläufe heute grenzübergreifend gestaltet werden, Forschungszentren und Computerexperten global kooperieren.
Auf der anderen Seite vernetzen sich heute aber auch Kriminelle und nutzen die digitalen Möglichkeiten, um Straftaten zu begehen. Das Entdeckungsrisiko für diese „Cyberkriminellen“ ist sehr gering, was darauf zurückzuführen ist, dass die Ermittlungsfähigkeiten der Polizei in der digitalen Welt noch wenig ausgebildet sind.
Ein Problem stellt die Flüchtigkeit der Daten dar. Insbesondere dynamische IP-Adressen lassen sich nur sehr kurz zurückverfolgen, weshalb Täter und auch Opfer nur in einem kurzen Zeitfenster feststellbar sind. Eine weitere Schwierigkeit ist die zunehmende Verschlüsselung der Kommunikation. Die großen Konzerne sorgen sich um das Vertrauen ihrer Kunden und setzen immer häufiger Technik ein, die auch für die Polizei nicht zu entschlüsseln ist. Schließlich führen Datenmassen in Bereichen wie der Kinderpornografie zu hohem Arbeitsaufwand bei der Auswertung, die die Polizei an Ihre Kapazitätsgrenzen bringt.
Kommunikation zu erkennen und auszuwerten, Täter zu ermitteln und beweiskräftig zu überführen, wird damit immer aufwendiger bei gleichzeitig sinkender Erfolgswahrscheinlichkeit. Der Polizei fehlt damit immer häufiger ein wichtiger Ermittlungsansatz. Zeitgleich nehmen die internationalen Bezüge stetig zu und sorgen somit für zusätzliche Komplexität in der polizeilichen Arbeit.
Diesen neuen Herausforderungen kann nur mit einem umfassenden Maßnahmenpaket begegnet werden.
Ein Baustein in diesem Paket ist die Vernetzung. Insofern stellt die Herausforderung gleichzeitig die Lösung dar: Kräfte im Bund und zwischen Bund und Ländern müssen weiter gebündelt werden. Zudem muss die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa und weltweit weiter intensiviert werden.
Die Polizeiarbeit muss darüber hinaus an die neuen Gegebenheiten und Phänomene angepasst werden. Polizei muss aktiv und genauso effektiv Gefahrenabwehr und Prävention in der digitalen wie in der analogen Welt sicherstellen.
Dabei dürfen wir die bekannten und bewährten Elemente von Transparenz und Kontrolle in der digitalen Welt nicht vernachlässigen. Diskussionen wie die zu Mindestspeicherfristen geben Grund zur Sorgen, dass die Sicherheitsorgane von Teilen der Gesellschaft als Bedrohung und nicht als Verbündete zum Schutz ihrer Daten empfunden werden. Kritiker sehen die gerechte Balance zwischen Freiheit und Sicherheit, zwischen Abwehrrechten und Schutzpflichten in Gefahr. Zudem klingt aus dem verwendeten Vokabular Misstrauen. „Datensammelwut“, nicht „Rückgriff auf Daten bei schwerster Kriminalität“; „Vorratsdatenspeicherung“, nicht „Mindestspeicherfristen“. Das Aberwitzige bei dieser Diskussion ist, dass die geäußerten Befürchtungen der Entwicklung der tatsächlichen Möglichkeiten der Polizei diametral entgegenstehen. Daher bedarf es der Überprüfung und Weiterentwicklung des Rechts und der polizeilichen Instrumente, um den digitalen und internationalen Herausforderungen mit wirksamer Gefahrenabwehr und Strafverfolgung begegnen zu können.
Hierbei ist darauf zu achten, dass die rechtsstaatlichen Prinzipien für die Bürger nachvollziehbar in der digitalen Welt angewendet werden. Zudem ist wichtig, dass sich die Polizei klar von den Methoden einiger internationaler Geheimdienste und von der Datensammelwut mancher großer internationaler Konzerne abgrenzen.
Die Unwissenheit und Skepsis der Bürger, die sich in Diskussionen wie der zu Mindestspeicherfristen zeigt, zieht außerdem eine Bringschuld der Polizei nach sich, polizeiliche Maßnahmen zu erläutern und so Vertrauen zu schaffen. Diese Bringschuld kann man besonders gut am Verhältnis von Transparenz und Vertrauen, welche sich komplementär zueinander verhalten, veranschaulichen.
„Vertrauen ist nicht das Ergebnis, sondern die Alternative zu Transparenz“, sagt der Sozialwissenschaftler Vincent Rzepka. Und weiter: „Dabei ist Vertrauen ein risikobehaftetes Unterfangen: Wer vertraut, kann eben nicht über alles informiert sein, sondern legt seine Zukunft zu einem gewissen Grad blind in die Hand von Menschen und Mechanismen. […] Letztlich ist die Aufgabe dann aber nicht, auf Transparenz oder Vertrauen zu setzen. Vielmehr wäre es notwendig, darüber zu diskutieren, in welchem Mischungsverhältnis beide zukünftig stehen können und sollen. Bei jeder konkreten Entscheidung wäre zu hinterfragen, welche Auswirkungen das eine oder andere hat.“ Somit ist es Aufgabe der Polizei, Verlässlichkeit und Überprüfbarkeit in der digitalen Welt durch Kommunikation zu gewährleisten.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das BKA und die Polizeien in Deutschland ein Programm der Personal- und Organisationsentwicklung 2.0 mit den Schwerpunkten Cyberfähigkeit, nationale und internationale Zusammenarbeit und Kompetenzbündelung umsetzen müssen. Gleichzeitig müssen die polizeilichen Instrumente an die neue Lebenswirklichkeit unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien und unter Betonung der Verlässlichkeit und Überprüfbarkeit polizeilichen Handelns angepasst werden.
Beide Entwicklungsstränge sind wichtig, damit das hohe Vertrauen in die Polizei im demokratischen Rechtsstaat erhalten bleibt, weil sie kompetent und integer ist und man sich auf die Korrektheit ihres Handelns verlassen kann.