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Unsere Gesellschaft wird immer digitaler: Mittlerweile sind vier von fünf Deutschen online – die 14- bis 29-Jährigen sogar nahezu vollständig. Und das Digitale wird immer stärker zu einem wichtigen Bestandteil des alltäglichen Lebens – das ergab die gerade erschienene Studie D21-Digital-Index 2017/2018. Im Vergleich zu den vorigen Jahren ist vor allem ein Kompetenzzuwachs festzustellen sowie eine erhöhte Offenheit zur Nutzung des Internets und digitaler Geräte.
Die Menschen kennen mehr Begrifflichkeiten, fühlen sich sicherer im Umgang mit verschiedenen Anwendungen und Geräten, sie bewegen sich sicherer im Internet. „Digitale Medien müssen heutzutage grundlegender Bestandteil aller Schulfächer sein“, sagen beispielsweise zwei von drei Befragten, und fast ebenso viele finden, dass Programmierkenntnisse ein grundlegender Teil der Schulbildung sein sollten. Diese Veränderungen in den Einstellungen zeigen den wachsenden Stellenwert der Digitalisierung für die meisten Menschen. Insgesamt bewegt sich die deutsche Bevölkerung trotz der Zuwächse aber nur auf einem mittleren Digitalisierungsniveau, wie ein aus Zugang, Nutzung, Kompetenz und Offenheit errechneter Indexwert von 53 bei 100 maximalen Punkten wiedergibt.
Geschwindigkeit und Komplexität der Digitalisierung überfordern jeden Dritten. Ohne Zweifel haben die technischen Entwicklungen in den letzten Jahren noch einmal rasant an Geschwindigkeit zugenommen. Neue Geräte und Technologien erscheinen in immer kürzeren Abständen und bieten dem Einzelnen wenig Zeit, sich intensiv auf etwas einzustellen. Aktuell machen beispielsweise die Künstliche Intelligenz und smarte Geräte große Fortschritte, die nachhaltige Auswirkungen auf alle Bereiche unseres Lebens haben können. Geräte wie Amazons Alexa oder Google Home ziehen in immer mehr Privathaushalte ein, hören mit und bestellen auf Kommando Pizza, dimmen das Licht oder spielen Musik nach Wunsch ab.
Zuwachs: Moderne Kommando-Empfänger wie Alexa gehören oft zum Familienalltag. Doch nicht jeder ist bereit für die neue Zeit. (Foto: Amazon)
Manche Dinge, die noch vor wenigen Jahren wie Zukunftsszenarien klangen, sind mittlerweile Realität. Die technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre haben die Welt ohne Frage schnelllebiger und komplexer gemacht. Das verlangt den Menschen einiges ab, und so verwundert es nicht, dass es nicht alle schaffen, Schritt zu halten. Rund jeder Dritte fühlt sich von der Dynamik und Komplexität der Digitalisierung überfordert, so die Studie.
Vielleicht kommt Ihnen folgende Situation bekannt vor: Sie sitzen bei einer Familienfeier zusammen, die Erwachsenen reden miteinander, der eine oder andere hat vielleicht sein Handy vor sich liegen und guckt gelegentlich darauf, während die Heranwachsenden unablässig mit ihren Smartphones in der Hand hantieren, damit schreiben, spielen oder sich gegenseitig Videos zeigen. Die Großeltern wiederum sitzen daneben und können gar nicht nachvollziehen, was die Jüngeren dort treiben. Irgendwo dazwischen sind die Eltern, die zwar mit Smartphone und Co. umgehen können, aber so richtig auch nicht immer durchblicken, was ihre Kinder dort tun.
Dies beschreibt symbolisch eine der zentralen Merkmale der digitalen Spaltung, die durch das Land geht. Die Bevölkerung teilt sich in 34 Prozent Digitale Vorreiter, 41 Prozent digital Mithaltende und 25 Prozent digital Abseitsstehende. Während also rund ein Drittel der Bevölkerung wie selbstverständlich mit moderner Technik hantiert, hält der größte Teil halbwegs Schritt, und ein Viertel ist ganz abgehängt. Dieser Riss geht vor allem entlang des Alters; die unter 30-Jährigen sind in der Regel sehr digitalkompetent, ab 50 Jahren nimmt die Kompetenz deutlich ab, und die über 65-Jährigen partizipieren in der Regel kaum noch an der digitalen Welt. Fast ebenso stark für den Digitalisierungsgrad verantwortlich ist der Faktor Bildung: Personen mit hohem formalem Bildungsgrad sind im Schnitt mehr als doppelt so digitalkompetent wie solche mit niedriger Bildung. Ebenso sind Berufstätige laut den Erhebungen der Studie deutlich digitaler als Nichtberufstätige und Männer mehr als Frauen.
Doch wieso sollen überhaupt alle bei der Digitalisierung mitmachen? Die Antwort darauf lautet „Teilhabe“. Die Digitalisierung verändert Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft grundlegend. Das beginnt schon bei der Kommunikation, die einem starken Wandel unterliegt. Zwar telefonieren die Deutschen nach wie vor am liebsten, gerade die Jüngeren aber nutzen vor allem Messenger- Dienste zum Texten, für Sprachnachrichten oder zum Teilen von Bildern oder Videos. Das ist auch für ältere Menschen eine gute Möglichkeit, beispielsweise mit der Familie in Kontakt zu bleiben – und sei es nur, dass sie regelmäßig Fotos der Enkelkinder im Familien-Chat geschickt bekommen. Die digitalen Kommunikationswege bieten in vielerlei Hinsicht Vorteile und neue Möglichkeiten der Teilhabe.
Ein weiteres Beispiel: Die schnellen, digitalen Informationswege und Plattformen erlauben es beispielsweise Personen in ländlichen Regionen, sich unkompliziert und ortsunabhängig mit Gleichgesinnten auszutauschen oder sich zu engagieren. Sie ermöglichen zudem eine unabhängige Beschaffung von Informationen und fordern im gleichen Schritt viel von den Benutzerinnen und Benutzern. Denn in Zeiten, in denen jeder potenziell über Blogs oder Social Media zum Absender wird und die klassischen Medien ihre Informationshoheit nicht mehr innehaben, muss jeder auch bewusster mit Informationen umgehen und im Zweifelsfall selbst prüfen können, wie seriös eine Quelle ist. Wem kann ich vertrauen, wem nicht? Wie kann ich selbst Informationen überprüfen? Kann ich Werbung bzw. gesponserte Beiträge von inhaltlichen unterscheiden? Ein selbstbestimmter Umgang mit Medien und Informationen erfordert ein gewisses Maß an digitaler Kompetenz und kann dann einen großen Mehrwert bieten.
Ein weiterer Aspekt der Teilhabe ist die Arbeitswelt. Viele Berufe haben sich mit den neuen digitalen Möglichkeiten bereits gewandelt oder tun es aktuell. Der KFZ-Mechaniker ist schon lange zum Mechatroniker geworden, in Büros wird überwiegend digital gearbeitet. Die Anforderungen und Erwartungen an die Arbeitnehmerinnen und -nehmer verändern sich. Wer sich den Entwicklungen verschließt, wird es zukünftig immer schwerer auf dem Arbeitsmarkt haben. Auch hier ist es unerlässlich, dass man Digitalkompetenzen aufbaut und erweitert. Fähigkeiten in der Digitalisierung sind eine Investition in die Zukunft.
Wie aber baut man die benötigten Digitalkompetenzen auf? Immerhin ein Drittel der Bevölkerung bewegt sich völlig routiniert und kompetent durch die digitale Landschaft. Die verbreitetste Methode ist das klassische „Learning by doing“, über die Hälfte bringt sich selbst etwas bei durch Ausprobieren, wie die Erhebungen des D21-Digital-Index ergaben. Es folgen Hilfe und Tipps von Freunden und Bekannten, dann die Familie, Internetvideos und Kolleginnen und Kollegen.
Das zeigt, dass es den Menschen vor allem selbst überlassen bleibt, die digitalen Kompetenzen zu entwickeln. Nur rund 15 Prozent der Befragten gaben an, dass bezahlte Schulungen und Weiterbildungsangebote ihre digitalen Fähigkeiten erweitern. Rund jeder Fünfte (und von den über 50-Jährigen jeder Dritte) gab an, sich gar nicht fortzubilden. Gerade diejenigen, die im digitalen Abseits stehen und gar nicht oder kaum an der digitalen Welt partizipieren, könnte ein niedrigschwelliges und unkompliziertes Weiterbildungsprogramm erreichen.
Damit bei der heranwachsenden Generation von vornherein der Umgang mit der digitalen Umwelt verankert wird, sollte die Vermittlung von entsprechendem Wissen bereits in der Schule beginnen. So können wir sicherstellen, dass die Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der modernen Welt vorbereitet sind.
Da die Digitalisierung unsere Zukunft bestimmt, sollte es uns als Gesellschaft ein großes Anliegen sein, nach Möglichkeit niemanden zurückzulassen. Nur wer die notwendigen Digitalkompetenzen mitbringt, kann den Anforderungen der Zukunft wirklich selbstbestimmt begegnen.