Bild: Victor Tongdee – Shutterstock
Von Ariane Hoffmann
„Sie sind also die Dame von DIVSI, die mich interviewen möchte – sind Sie aber mal groß!“ – nach kurzer Aufklärung darüber, dass ich nicht von DIVSI komme, sondern vom SINUS-Institut, das im Auftrag von DIVSI diese Studie durchführt, und ich nur so groß bin, weil ich eine enorme Vorliebe für High Heels habe, sind wir schon „mittendrin“. Mein Interviewpartner ist erst einmal beruhigt, dass er mit seinen 1,90 Meter dann doch auf jeden Fall noch größer ist als ich, und von SINUS hat er ja auch schon gehört.
Und diese gesellschaftlichen Milieus, die wir da entwickelt haben, findet er äußerst interessant. Sein Büro ist imposant, mindestens so groß wie mein Wohn- und Esszimmer zusammen, und an der Wand hängt ein beeindruckendes Gemälde – „TIEFROT“, das ich mir genauer ansehen muss.
So unterhalten wir uns erst einmal über die Malerin und ihr Werk, und ich erfahre nicht nur die Hintergründe zu Bild und Künstlerin, sondern schon eine ganze Menge über meinen Gesprächspartner. Das ist nicht nur sehr anregend, sondern auch enorm wichtig in zweierlei Hinsicht:
Zuerst einmal: das „Eis“ ist gebrochen, mein Gesprächspartner hat soweit Vertrauen zu mir gefasst, dass wir in die „Tiefen“ des Interviews einsteigen können. Denn Vertrauen (und Sicherheit) ist nicht nur Thema dieses Interviews – Vertrauen ist auch Grundlage für ein gutes Gespräch.
Nur wer Vertrauen gefasst hat, ist auch bereit über Dinge zu sprechen, die ihm möglicherweise unangenehm sind, oder die nicht unbedingt politisch korrekt sind, beziehungsweise nicht gänzlich mit den Corporate Governance Grundsätzen des jeweiligen Unternehmens übereinstimmen. Aber genau das wollen wir ja: ehrliche Antworten, unverblümte Meinungen und ganz persönliche Einschätzungen.
Zweitens: je mehr ich gleich zu Beginn über meinen Interviewpartner erfahre, über ihn als Person, was ihn bewegt, was ihm wichtig ist – desto besser kann ich im Gespräch auf ihn eingehen. Reichen Stichworte, und er erzählt frei, ohne zu weit vom Thema abzukommen? Oder sind klare Fragestellungen wirksamer? Welche Reizwörter sollte ich vermeiden? Welche „Tonlage“ ist angebracht?
Es hilft mir zudem einzuschätzen, wie ich seine Aussagen zu verstehen habe – was ist möglicherweise doch anders gemeint als es gesagt wird? Spontane Aussagen des Gesprächspartners, in seiner ganz eigenen Diktion haben jedenfalls oberste Priorität. Das ist ein wichtiges methodisches Prinzip der „non-direktiven Exploration“.
Doch es bleibt nicht viel Zeit für den Aufbau dieser Vertrauensbasis, und dieses Entree gestaltet sich nicht immer so problemlos wie gerade geschildert. Nicht in jedem Fall findet sich so schnell ein Sujet, das sich aufgreifen lässt – also fix umsehen und in „Bond-Manier“ erfassen, was besondere Relevanz für den Interviewpartner hat. Und nicht jeder lässt sich auf einen kurzen Smalltalk ein.
Eines muss ich an dieser Stelle festhalten: der Topmanager mit dem übervollen Terminkalender, der keine Zeit für ein ausführliches Gespräch findet, ist wohl eine Mär. Ich habe im Zuge dieser Studie nur Menschen getroffen, ob aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Medienwelt, die unserem Interview ihre ganze Aufmerksamkeit gewidmet haben, und die sogar Zeit für ein paar nette und persönliche Worte hatten. Es war in jeder Hinsicht eine hoch interessante Studie – Danke an alle Gesprächspartner!