Die gezielte Suche nach Informationen hat sich in der Zeit digitaler Medien auf das Internet verlagert. Rund 82 Prozent der deutschen Bevölkerung nutzen Suchmaschinen mindestens einmal wöchentlich zu Informationszwecken. Diese durchkämmen die scheinbar unendliche Weite des Internets nach relevanten Informationen und strukturieren diese mittels ihrer Rankingalgorithmen für den Nutzer.
Unangefochtener Marktführer in der Suchmaschinenbranche ist Google. Im Jahr 2014 nutzten rund 95 Prozent der Deutschen in ihrer alltäglichen Recherche hauptsächlich Google. Der Suchmaschinengigant stellt aber nicht nur Informationen bereit, sondern sammelt auch aktiv Nutzerdaten. Jeder einzelne Click wird gespeichert. Seit 2009 werden speziell persönliche Nutzerdaten des einzelnen Users dazu genutzt, ihm individualisierte Suchergebnisse, die gezielt auf seine Interessen zugeschnitten sind, auszugeben – dieser Mechanismus wird als personalisierte Suche bezeichnet.
Dabei sehen Internet-Aktivisten und Wissenschaftler wie Eli Pariser und Miriam Meckel die Gefahr, dass sich der Nutzer während seiner Suche in einen zunehmend selbstreferentiellen Raum begibt, der nur noch eine einseitige Perspektive auf gesellschaftlich relevante Themen zulässt. Doch nicht nur die Individualisierung der Suchergebnisse beeinflusst, welche Informationen dem Nutzer im Netz auf den vorderen Rängen des Ergebnisprotokolls angezeigt werden. Es besteht die Annahme, dass die stetige Steigerung der Effizienz der Rankingalgorithmen, welche mittlerweile in der Lage sind, Informationen minutiös nach Relevanz zu sortieren, zu einer geschmälerten Informationsvielfalt bei der Suchmaschinenrecherche führt.
Wie genau verändert die Personalisierung unsere Suchergebnisse, und vor allem: Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf den Wissenserwerb des Nutzers bei der Suchmaschinenrecherche?
Diesen Fragen haben wir uns im Rahmen unserer Bachelorarbeit an der Universität Erfurt ein Jahr lang theoretisch und empirisch gestellt. In unserer Projektgruppe „Zufallstreffer“, einer Gruppe aus sieben Studenten mit der Betreuung durch Prof. Dr. Patrick Rössler, war es unser Ziel, zu untersuchen, inwiefern personalisierte Suchergebnisse den Wissenshorizont der Nutzer zu gesellschaftlich relevanten Themen beeinflussen. Das DIVSI unterstützte uns mit seiner Fachkompetenz in Sachen Internet-Nutzung bei unserem Forschungsvorhaben und übernahm auch die finanzielle Partnerschaft für unser Projekt.
Herangewagt an dieses zunächst sehr sperrige Thema haben wir uns insbesondere, weil wir der Meinung sind, dass eine durch Personalisierung individualisierte Internet-Recherche den Zugang zu Informationen im Netz grundsätzlich verändern könnte. Dem Einzelnen werden bei der personalisierten Suche vermehrt Informationen ausgegeben, die seinen Interessen entsprechen. Das wiederum beeinflusst auch die Makroebene. Denn es besteht die Theorie, dass sich durch die individuelle Filterung der Suchergebnisse eine Fragmentierung der Informationsräume ergibt und so auf politischer Ebene die Basis zum gesamtgesellschaftlichen Diskurs geschmälert wird. Weil eben nicht mehr davon auszugehen ist, dass im Netz jeder mit den gleichen Informationen konfrontiert wird.
Ziel unseres Forschungsprojektes war es, diese theoretisch gebildeten Annahmen einem Realitätscheck zu unterziehen: Lassen sie sich empirisch bestätigen? Dabei standen die drei Einflussfaktoren Personalisierung, Effizienz und Vielfalt der Suchergebnisse sowie deren Auswirkungen auf das Wissen des Suchenden im Fokus.
Um diese Einflussfaktoren gezielt zu testen, wurden die Google-Ergebnisse den Ergebnissen der Suchmaschinen DuckDuckGo und StartPage gegenübergestellt, beides Suchmaschinen, die auf eine Speicherung der Nutzerdaten und damit eine Personalisierung der Ergebnisse verzichten. StartPage greift zwar auf den Google-Rankingalgorithmus zurück, verschlüsselt aber die Herkunft der Suchanfrage, sodass eine Personalisierung nicht möglich ist. DuckDuckGo arbeitet mit einem eigenen, weniger hoch entwickelten Ranking.
Durch diese beiden Vergleichsgrößen sollte ermittelt werden, ob StartPage durch den Verzicht auf personalisierte Ergebnisse und DuckDuckGo durch ein zudem weniger effizientes Ranking eher in der Lage sind, eine umfassende Perspektive zu bestimmten Suchthemen zu bieten als Google. Während sich bisherige Studien vor allem auf den Nachweis von personalisierten Suchergebnissen beschränkten, wendete sich dieses Forschungsprojekt gezielt den Auswirkungen der personalisierten Suche auf den Wissenshorizont des Nutzers zu gesellschaftlich relevanten Themen zu.
Die Fragestellungen, inwiefern personalisierte Suche sowie effiziente Relevanzordnung der Ergebnisse und die damit verbundene limitierte Vielfalt sich auf den Wissenshorizont des Rezipienten auswirken, wurden durch eine empirische Untersuchung überprüft. Zwei Vorstudien dienten dazu, Art und Ausmaß des Einflusses Personalisierung auf die Suchtreffer zu eruieren und zu ermitteln, welche Ergebnisprotokolle der drei vorgestellten Suchmaschinen der subjektiven Relevanzordnug der Probanden am ehesten entsprechen.
Die Haupterhebung bestand aus einer Vorher- und Nachher-Befragung, mit einem dazwischenliegenden experimentelles Treatment in Form einer dreitägigen Suchaufgabe zum Thema Flüchtlinge. Dabei wurde bei drei Probandengruppen sowohl das Wissen zum Suchthema abgefragt als auch die Wahrnehmung des Ergebnisrankings. Die Suchaufgabe wurde von der ersten Experimentalgruppe mit Google, von der zweiten mit StartPage und von der Dritten mittels DuckDuckGo durchgeführt, um im Nachhinein vergleichen zu können, wie die technischen Unterschiede der Suchmaschinen sich unterschiedlich auf den Wissenserwerb der Gruppen auswirken.
Dabei wurden die Bildschirme der Probanden, mit deren Einverständnis, mittels einer Bildschirmaufnahme aufgezeichnet. Die Daten, die daraus hervorgingen, zeigten, wie die Probanden aus den jeweiligen Ergebnisprotokollen der unterschiedlichen Suchmaschinen Treffer ausgewählt hatten. Auf Grundlage dieser Informationen war es möglich, mittels fokussierter Interviews die Probanden gezielt nach der persönlichen Wahrnehmung der Unterschiede innerhalb der Ergebnisprotokolle der drei Suchmaschinen zu befragen.
Die Ergebnisse zeigen, dass nur 6 Prozent der Probanden Google für ein vertrauenswürdiges Unternehmen halten. Dennoch können sich nur 36 Prozent der Probanden vorstellen, die Suchmaschine in Zukunft zu wechseln, um Personalisierung zu entgehen. Wenige Probanden wissen, wie die personalisierte Suche funktioniert. Rund 30 Prozent haben nicht einmal eine Vorstellung davon, wie solche Suche ihre Suchergebnisse verändert.
Dennoch zeigen die zentralen Ergebnisse: Die Google-Nutzung führt nicht zu einer eingeschränkten Perspektive auf gesellschaftlich relevante Themen. Die Experimentalgruppe, die Google genutzt hatte, verzeichnete den größten Wissenszuwachs zum Thema Flüchtlinge. Und das, obwohl gemessen wurde, dass dem Nutzer durch Personalisierung und den hoch entwickelten Rankingalgorithmus bei Google weniger Vielfalt innerhalb der Ergebnisse zur Verfügung steht. Dass sich die größere Vielfalt innerhalb der Ergebnisse nicht positiv auf einen differenzierten Wissenszuwachs auswirken konnte, liegt in der individuellen Selektionsentscheidung des Nutzers begründet.
So ist davon auszugehen, dass der Nutzer nur Treffer wählt, die ihm relevant erscheinen, und alternative Treffer, die eine zusätzliche Perspektive bieten könnten, eher außen vor lässt. Diese Erkenntnis bildet auch den Ansatzpunkt für mögliche Anschlussstudien, die sich der Frage widmen sollten, welche Faktoren für die individuelle Selektion des Nutzers verantwortlich sind.
Obwohl sich innerhalb dieser Studie nicht bestätigte, dass die Google-Nutzung zu einer Einschränkung des Wissenserwerbs führt, ist es dennoch sinnvoll, alternativen Suchmaschinen mehr Beachtung zu schenken.
Diese bieten dem Nutzer nachweislich mehr Vielfalt und die Möglichkeit der freien Recherche, ohne dass die Ergebnisse schon nach unseren Nutzerdaten vorgefiltert werden. Zudem zeigte die Befragung der Probanden, dass sie zwischen den Suchmaschinen keine Unterschiede in der Qualität oder dem schnellen Finden von Fakten feststellen konnten.
Doch wer in Zukunft unbeobachtet recherchieren möchte, hat also eine Möglichkeit: Er kann sich bewusst nicht personalisierenden Suchmaschinen, wie DuckDuckGo oder StartPage, zuwenden und damit verhindern, dass jeder getätigte Klick von den Suchmaschinenbetreibern mitverfolgt und gespeichert wird.