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Barack Obama siegt im Online-Wahlkampf: 2012 hat neue Standards gesetzt

8. November 2012

Online Wahlkampf

Bild: Rafal Olechowski – Shutterstock

Was wir alle von der US-Wahl lernen können

Von Kerstin Plehwe

In Hinblick auf die Erschließung neuer Techniken und Methoden sind die Wahlkämpfe in den USA seit jeher Vorbild für Kommunikationsexperten weltweit. Im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf richteten sich daher wieder alle Augen auf die Kampagnen von Präsident Barack Obama und Herausforderer Mitt Romney. Dabei lässt sich ablesen, dass das Internet weiter an Bedeutung gewonnen hat, seine Potenziale aber insbesondere in der Vernetzung von Online- und Offline- Elementen entfaltet. Schon der letzte US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 setzte neue Maßstäbe für nachhaltige und innovative Wahlkampfarbeit. Barack Obama mobilisierte über zehn Millionen Freiwillige, revolutionierte das Fundraising mit einer konsequenten Kleinspender-Strategie, registrierte 80 bis 100 Millionen YouTube-Aufrufe täglich und baute sich mit der Online-Plattform MyBarackObama.com mit über XX Millionen Mitgliedern eine eigene Internetgemeinde auf. Durch den Einsatz des Internets konnte dabei unter dem Motto „Je persönlicher, desto besser“ ein lebensnaher und dialogorientierter Wahlkampf umgesetzt werden.

Neue Instrumente – gesteigerte Dialogorientierung?

Seit dem letzten Wahlkampf sind vier Jahre vergangen, in denen sich onlinebasierte Anwendungen teils rasant weiterentwickelt haben. Mit den verschiedenen Innovationen in der Online-Welt haben sich auch die Instrumente verändert, die von den Wahlkämpfern beider Parteien genutzt werden können. Während SMS im letzten Wahlkampf noch eine viel genutzte Innovation waren, wurden sie in diesem Wahlkampf fast vollwertig durch Facebook und den Microblogging-Dienst Twitter ersetzt. So betont Barack Obamas Wahlkampfmanager, Jim Messina, in einem Interview mit der NY Times die rasante Weiterentwicklung sowie die gesteigerte Bedeutung beider Online-Tools im Vergleich zum Präsidentschaftswahlkampf 2008: „Twitter hat es damals bis zur Mitte des Wahlkampfes gar nicht gegeben. Heute ist es eines der wichtigsten Instrumente. Facebook hatte ein Zehntel der Größe von heute und wurde vor allem von jungen Leuten genutzt, die sich vernetzen wollten. Heute ist dort die Generation 50 plus die am schnellsten wachsende Gruppe.“ Mit diesen neuen Tools standen beiden Kandidaten im aktuellen Wahlkampf also beachtliche Mobilisierungsmaschinen zur Verfügung. So kommt Romney aktuell auf 1,2 Millionen Twitter-Follower und auf 8,1 Millionen Facebook-Fans. Dabei wird er allerdings von Amtsinhaber Obama in den Schatten gestellt, der mit seinen Nachrichten über 20 Millionen Twitter-Follower und 29 Millionen Facebook-Fans erreichen kann. In Hinblick auf die Nutzung sind die einzelnen Online-Anwendungen jedoch differenziert zu betrachten. Zwar ist Twitter im Austausch zwischen Politikern und Medienschaffenden ein wichtiges Instrument, für die Ansprache der Durchschnittswähler ist es allerdings von geringerer Bedeutung. Auch die Sozialen Netzwerke setzen die Kampagnenstrategen nicht primär ein, um an neue Wähler heranzutreten, denn vielmehr um aktive Unterstützer zu vernetzen, zu motivieren und über die viralen Funktionen der Social Media in die Netzwerke der eigenen Anhänger hinein zu wirken.

Zugriff bis in die Taschen der Unterstützer

Die gesteigerte Bedeutung des Internets im Wahlkampf wird auch durch eine Studie des renommierten amerikanischen Meinungsforschungsinstitutes Pew Research deutlich. Diese besagt, dass der aktuelle Wahlkampf auf „four screens“ entschieden wird: Fernsehen, PCs aber auch – und das ist neu – den Tablets und Smartphones. Der Absatz von Tablets nimmt insbesondere in den USA rasant zu; zudem greifen 90 Prozent aller Tablet-Nutzer auf die Online-Ausgaben von Nachrichtenmagazinen zu oder informieren sich auf dem mobilen Gerät über die neuesten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Mobile Geräte stellen aber auch einen zusätzlichen Kanal für den Zugang zu Videoplattformen wie Youtube dar, und damit steigt auch die Zahl derjenigen Wähler, die die Wahlkampf-Spots der beiden Kandidaten nicht klassischerweise aus dem Fernsehen sondern nur aus dem Internet kennen. Neben den Anwendungen hat sich also auch die Hardware weiterentwickelt. Die wichtigsten Innovationen sind hier die bereits genannten Tablets und Smartphones, die wiederum Innovationen der Software-Anwendungen nach sich ziehen. Getreu dem Motto das „stationäre“ Internet war gestern und das „mobile“ Internet ist heute, konnten sich Wähler und Unterstützer im aktuellen Wahlkampf per App auf dem Laufendem halten. Neben Newsticker-Funktionen bieten diese Möglichkeiten, sich mit Unterstützern aus der Umgebung zu vernetzen oder online Spenden zu tätigen. Damit reicht der Zugriff der Wahlkämpfer wortwörtlich bis in die Hosentaschen der Unterstützer. Die Apps ersetzen dabei auch technologische Innovationen aus dem letzten Wahlkampf. Während Barack Obama seine Unterstützer 2008 noch vor der Presse exklusiv per Textnachricht über die Wahl seines Vizepräsidentschaftskandidaten informierte, nutzte Romney die App „Who will be Mitt’s VP?“ und informierte seine Unterstützer mittels dieser frühzeitig über Entwicklungen bei der Auswahl seines Vizepräsidentschaftskandidaten.

Verbindung Online-Offline

So wichtig die verschiedenen Online-Kanäle auch für die Ansprache und Mobilisierung der Wähler sind, erst durch ihren cross-medialen Einsatz werden sie zu den erfolgsbringenden Instrumenten im Wahlkampf. Denn gerade in der Möglichkeit, Unterstützer online anzusprechen und so zu Offline-Aktivitäten zu aktivieren, liegt der besondere Wert der Online-Kommunikation. Präsident Obama kann dabei auf seine im letzten Wahlkampf aufgebaute Graswurzel-Bewegung „Obama for America“ zurückgreifen, mit deren Hilfe er einen Verteiler von über zehn Millionen E-Mail-Adressen, und damit potenziellen Unterstützern, aufbaute. Wie im letzten Wahlkampf wurden die eigenen Unterstützer per E-Mail, Intranet-Seiten oder neuerdings Apps zur Mitarbeit an der Kampagne mobilisiert. Die Mitglieder des „Online-Netzwerkes“ werden dann zu Unterstützern in der Offline-Welt, in der sie sich in Wahlkampfbüros engagieren, von zu Hause aus Telefonaktionen oder Wählerregistrierungen durchführen, im Straßenwahlkampf aktiv werden oder im persönlichen Umfeld für ihren Kandidaten werben. Neben der Motivation und Belohnung der Unterstützer in der Online-Welt, etwa durch den Zugang zu exklusiven Informationen aus der Kampagne, wurden Online-Unterstützer auch offline für ihr Engagement belohnt, etwa durch ein Abendessen mit den Kandidaten oder Zugang zu exklusiven Fundraising-Events. Am Ende steht also die Erkenntnis, dass der Online-Wahlkampf 2012 durch die technische Weiterentwicklung weiter an Bedeutung gewonnen hat, seine größten Vorteile allerdings nicht in der Ansprache neuer Wähler ausspielt, sondern in der Kontaktpflege und in der Netzwerkarbeit der eigenen Unterstützer, die so für Offline-Aktivitäten gewonnen und motiviert werden. So gibt letztendlich immer noch der persönliche Kontakt mit dem Wahlkampfhelfer an der Haustür oder die Empfehlung von Freunden und Bekannten den Ausschlag für die Wahlentscheidung, und nicht die E-Mail im Postfach. Unabhängig davon, wer das Rennen um das Weiße Haus gewinnt, zählt das Internet mit seinen technischen Weiterentwicklungen und den einzigartigen Möglichkeiten, mit den eigenen Unterstützern in den Dialog zu treten, jedoch schon jetzt zu den Gewinnern der Wahl.

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Der Autor

Kerstin Plehwe

Kerstin Plehwe

(* 1967) ist Vorsitzende der überparteilichen Initiative ProDialog sowie Gründerin des Internationalen Instituts für Politik und Gesellschaft. Die ehemalige Präsidentin des Deutschen Dialogmarketing Verbands e.V. gilt als engagierte Protagonistin einer glaubwürdigen, dialogischen und kundenorientierten Kommunikation. Als Kommunikations- und Leadershipexpertin hat sie zahlreiche Bücher geschrieben, hält Vorträge und ist ein gern gesehener Gast in Rundfunk und Fernsehen. Kerstin Plehwe lebt in Hamburg und Berlin und ist Mitbegründerin der ASTRAIA Female Leadership Foundation.

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