Während es bereits zahlreiche Erkenntnisse darüber gibt, wie Menschen beruflich oder privat kommunizieren, wird der privat-geschäftliche Bereich, bei dem Privatpersonen (nicht als Arbeitnehmer) mit Unternehmen (z.B. Handel, Versorgungsunternehmen), Ämtern und Behörden oder etwa Ärzten in Kontakt treten, bislang ausgespart. Dabei bedarf gerade dieser Bereich eines vertieften Blicks – schließlich werden in der privat-geschäftlichen Kommunikation besonders sensible, personenbezogene Daten ausgetauscht.
Den Fokus der Studie bildete daher die Frage, welchen Stellenwert verschiedene Kommunikationskanäle aus Sicht der Menschen in Deutschland in einer zunehmend digitalisierten Welt für diese Art Kommunikation haben. Die Untersuchung liefert damit einen Beitrag, den Status quo und die erlebten digitalen Veränderungsprozesse im privat-geschäftlichen Kommunikationsbereich nicht nur zu beschreiben, sondern Ansatzpunkte zu identifizieren, wie Chancen maximiert und Menschen befähigt werden können, möglichen Risiken souverän zu begegnen.
Eine Erkenntnis ist: Während die Mehrheit im privaten Austausch mit Familie und Bekannten ein breites Spektrum an Online-Kanälen ganz selbstverständlich nutzt, spielen viele von ihnen bei der privat-geschäftlichen Kommunikation kaum eine Rolle:
Dennoch ist die Verständigung online auch für den privat-geschäftlichen Bereich bedeutend. Die E-Mail ist hier zu einem zentralen Kommunikationsmittel geworden. Zwar ist das persönliche Gespräch am Telefon immer noch am wichtigsten, die E-Mail steht jedoch an zweiter Stelle und ist die meist-genutzte Form der Online-Kommunikation.
Grundsätzlich gilt: Die Wahl des Kanals hängt im privat-geschäftlichen Bereich wesentlich vom Kommunikationsanlass ab. Je vertraulicher der Anlass, desto relevanter werden Briefe: 71 Prozent empfangen wichtige Dokumente (für die eigene Ablage) lieber auf Papier als via E-Mail, und 70 Prozent wählen bei offiziellen Angelegenheiten einen Brief statt einer E-Mail.
Vertraulichkeit, Verlässlichkeit und persönliche Beratung sind die zentralen Anforderungen an privat-geschäftliche Kommunikationskanäle. Dass die Vertraulichkeit der Kommunikation grundgesetzlich geschützt ist, hat für die Menschen auch in der digitalen Welt große Bedeutung. 90 Prozent sehen als erforderlich an, dass das Briefgeheimnis auch in der digitalen Welt gilt. Jedoch halten es 69 Prozent für bedroht durch die Digitalisierung.
Entsprechend ausgeprägt sind die Bedenken der Befragten hinsichtlich der Sicherheit von E-Mails:
Für die Mehrheit der Befragten schließen sich Sicherheit und Convenience als Anforderung nicht aus. 62 Prozent erwarten sowohl Sicherheit als auch eine einfache und bequeme Handhabung.
In der Abwägung konkreter Sicherheits- und Convenience-Aspekte zeigen die Befragten einen Widerspruch zwischen Einstellung und Verhalten. Auch wenn Sicherheitsaspekte im direkten Vergleich zu Convenience als wichtiger bewertet werden, sind im Alltag allerdings Annehmlichkeiten wie Orts- und Zeitunabhängigkeit handlungsleitende Kriterien. Im direkten Vergleich erfüllt der Brief aus Sicht der Befragten Sicherheitsanforderungen (vertraulich, rechtsverbindlich) besser als die E-Mail.
Die Verantwortung, für eine sichere Online- Kommunikation Sorge zu tragen, sehen die Nutzer gleichermaßen bei Staat, Wirtschaft und sich selbst. Nahezu niemand sieht einen Akteur als hauptverantwortlich an.
Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass trotz der Sensibilität der verhandelten Vorgänge bei den Menschen Unsicherheiten existieren, was jeweils der sicherste und/oder einfachste Weg ist – oder welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Zum einen sehen sie sich als Getriebene in einem Prozess, der ohnehin von den Institutionen vorgegeben wird. Zum anderen können sie nur vermuten, wie es um die Sicherheit neuer Online-Optionen in diesem Feld tatsächlich bestellt ist.
Hilfreich wäre es, für jeden Kanal oder Kommunikationsanlass in einem „Fakten-Check“ prüfen zu können, inwiefern diese wirklich vertrauenswürdig sind bzw. welche Fallen oder gängigen Missverständnisse es gibt. Das würde zu einer nachhaltigen Sensibilisierung für Kriterien für eine sichere und verlässliche Kommunikation im Internet beitragen. Aus Perspektive der Befragten scheinen in diesem Bereich aktuell sowohl Aufklärung über mögliche Risiken als auch klare Standards im Umgang mit diesen Kanälen zu fehlen. Bei der Umsetzung im Alltag zeigen die Menschen daher bislang entsprechend unterschiedliche Strategien, mit diesen Unklarheiten umzugehen:
Die ungebrochen hohe Bedeutung des direkten sprachlichen Austauschs ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die zunehmende Bedeutung von Online-Kanälen für die Menschen nicht zu einer umfassenden „Verschriftlichung“ von Angelegenheiten führen darf. Sowohl die öffentlichen wie die kommerziellen Akteure in der privat-geschäftlichen Kommunikationskonstellation sollten berücksichtigen, dass es den Menschen wichtig ist, persönlichen Kontakt aufnehmen zu können, bzw. sie sich zum Teil gar nicht in der Lage sehen, entsprechende Vorgänge schriftlich zu bearbeiten.
Sicherheit ist im Bereich privat-geschäftlicher Kommunikation als Kriterium zwar ein allgegenwärtiges Bedürfnis, es wird jedoch seitens der Nutzer nicht konsequent in entsprechend souveräne Maßnahmen übersetzt. Zum einen, weil Maßnahmen nicht als wirksam betrachtet werden, zum anderen, weil sie zu viel Aufwand bedeuten.
Es ist plausibel, dass sich aus den vorgenannten Gründen ein Graben zwischen Einstellung und Verhalten befindet: Sicherheit ist das Ideal, Convenience aber der konkrete Bedarf im eng getakteten Alltag. Gerade wenn sich der Alltag – vor allem auch im Bereich privat-geschäftlicher Angelegenheiten – immer mehr digitalisiert, braucht es klare Grundregeln, damit die Menschen Vertrauen in neue, digitale Möglichkeiten entwickeln können. Sie brauchen Sicherheit, um Neues überhaupt ausprobieren zu wollen. Es bedeutet auch, sie über mögliche Risiken, deren Konsequenzen ihnen aktuell noch kaum bewusst sind, in Kenntnis zu setzen, bevor diese eintreten.
Wer diese Vermittlungsaufgabe übernehmen will und kann, ist noch fraglich. Die Menschen sehen hier den Staat in hohem Maße in der Verantwortung. Dabei geht es ihnen weniger darum, sich selbst nicht zuständig zu sehen, denn die Ergebnisse zeigen, dass sich die Befragten auch selbst als mitverantwortlich betrachten. Sie brauchen jedoch Unterstützung bei der Einschätzung von Risiken und entsprechenden Möglichkeiten, diesen sicher begegnen zu können. Aktuell wird die Erfüllung dieser Aufgabe vom Staat zwar gefordert, aber sie wird ihm nicht zugetraut. Dieses auch in anderen DIVSI Studien festgestellte Grunddilemma erfordert unbedingt eine souveräne Auflösung, um das grundsätzliche Vertrauen darin zu stärken, dass der Staat nachhaltige Lösungen für die künftige digitalisierte Gesellschaft entwickelt, umsetzt und kompetent begleitet.