Interview mit Prof. Dr. Sara Hofmann: „Vor allem muss es darum gehen, Hürden abzubauen“

Was bedeutet Vertrauen in digitale Kommunikation?

Sara Hofmann: Eine gute Frage – sie wird in der Wissenschaft gerade ziemlich heiß diskutiert. Wir würden typischerweise unterscheiden zwischen Vertrauen in eine Technik – also in das Internet als Kommunikationskanal zum Beispiel oder in Facebook als Plattform – und Vertrauen in den potenziellen Kommunikationspartner. Das können Organisationen oder Verwaltungen sein, aber auch Privatpersonen.

Wenn wir es eingrenzen auf die Frage des Vertrauens zwischen Bürgern oder Kunden auf der einen Seite und staatlichen Stellen oder Unternehmen auf der anderen Seite: Was sind die Bedingungen, damit Vertrauen in Kommunikation gerechtfertigt ist? Wann ist es gestört?

SH: Vertrauen ist ja eine Art unbegründete Erwartung, dass sich mein Gegenüber in einer bestimmten Art und Weise verhält. Es ist unglaublich schwierig, so etwas nachzuprüfen, gerade wenn es um digital vermittelte Kommunikation geht. Bei digitaler Kommunikation geht es typischerweise darum, dass mit meinen Daten oder Informationen nichts passiert, was ich nicht möchte. Das nachzuweisen – oder wenigstens glaubhaft zu versichern – ist nicht einfach. Es lässt sich nur im Nachhinein feststellen, dass meine übermittelten Informationen tatsächlich so verwendet wurden, wie ich das erwartete. Dann war mein Vertrauen gerechtfertigt.

DIVSI hat eine Erhebung dazu gemacht. Sie ergab, dass das Vertrauen in digitale Kommunikationsmittel und in ihre technische Sicherheit eher gering ist. Wie schätzen Sie das ein? Welchen Stellenwert hat das Vertrauen in die eigenen Kommunikationsmittel? Wo ist die Abwesenheit von Vertrauen problematisch?

SH: Wenn man sich Dienste wie Facebook oder WhatsApp anschaut, würden wahrscheinlich sehr viele Menschen sagen, sie sind mit den Datenschutzrichtlinien nicht einverstanden. Aber trotzdem werden diese Dienste von unglaublich vielen Menschen genutzt. Das liegt daran, dass der persönliche Nutzen überwiegt und einen viel höheren Stellenwert hat als das Vertrauen in die Technologie. Nutzer machen in solchen Fällen Abstriche bezüglich der Erwartung, wie ihre Daten behandelt werden. Sie vergleichen das mit den Möglichkeiten, die sie dadurch haben: dass sie mühelos mit ihren Freunden kommunizieren und Kontakt halten können mit der ganzen Welt.

Problematisch wird das im Bereich E-Government, also Informationstechnologie in der Verwaltung. Dort haben wir ein ziemlich großes Problem beim Vertrauen. Es gibt eine unbegründete Angst, dass der Staat den Bürger überwacht nach dem Motto „Der Staat hat meine Daten, und ich werde ein gläserner Bürger.“ Sehr viele Dienste werden nicht genutzt, die aber eigentlich einen sehr großen Nutzen haben würden. Aus einer Forscherperspektive ist dieses Misstrauen an dieser Stelle selten angebracht, sondern sollte eher woanders stattfinden.

Welche Erklärung haben Sie, woran das liegen könnte?

SH: Typischerweise hat man nicht so viele Verwaltungskontakte pro Jahr. Wenn ich meine Steuererklärung einmal im Jahr per Papier einreiche, ist der Aufwand für mich eigentlich nicht so viel höher, als wenn ich das elektronisch mache. Bei Facebook aber gehen mir Möglichkeiten komplett verloren, wenn ich den Dienst nicht nutze.

Wie kann man die Menschen davon überzeugen und das Vertrauen stärken?

SH: Das ist ein schwieriges Thema im öffentlichen Sektor. Der Staat, oder besser gesagt, die Verwaltung, müsste sehr viel mehr Mittel und Zeit investieren, um uns Bürgerinnen und Bürgern bestimmte Dienste zu erklären, sodass wir ein Verständnis dafür entwickeln, was geht und was nicht geht. Vertrauen muss häufig fehlendes Wissen ersetzen. Wenn ich nicht weiß, wie Dinge funktionieren, dann muss ich darauf vertrauen, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Wenn ich aber als Bürgerin weiß, wie bestimmte Dienste ablaufen, dann brauche ich gar nicht mehr so viel Vertrauen.

Es würde möglicherweise helfen, wenn der Staat sich andere Akteure mit ins Boot holt, die mehr Vertrauenswürdigkeit genießen. Bei Themen wie E-Government könnten das kritische Organisationen wie der Chaos Computer Club sein. Damit signalisiert man: „Uns ist die Sicherheit sehr wichtig. Dazu arbeiten wir mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen.“ Das könnte das Vertrauen stärken.

Brauchen wir für bestimmte Kommunikationsfälle auch technische Sicherheitsmaßnahmen, also zum Beispiel eine verpflichtende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung?

SH: Das sollte auf jeden Fall verpflichtend sein. Es ist aber schwierig, hier Standards durchzusetzen. Auf staatlicher Seite kann man das machen, aber wenn es um die privaten Geräte der Bürgerinnen und Bürger geht, wird das komplizierter.

Aber wenn eine staatliche Seite nur eine Ende- zu-Ende verschlüsselte Kommunikationslösung anbietet, dann könnte ja auch nur jemand mit seinem Gerät dieses wahrnehmen, wenn er auch verschlüsselt. Wäre das eine Lösung?

SH: Wenn man bestimmte Technologien vorgibt, die genutzt werden müssen, und anders geht es nicht, kann man das natürlich durchsetzen. Das sehen wir zum Beispiel beim Personalausweis. Die Daten dort sind sicher verschlüsselt, aber ohne Weiteres nicht zugänglich. Um ihn auslesen zu können, braucht man spezielle Lesegeräte. Die kann man sich zwar besorgen, aber es schafft eine unglaubliche Hürde. Der Ausweis ist zwar sicherer, aber auf Kosten der Nutzbarkeit. Die meisten Leute sind nicht bereit, diesen Aufwand in Kauf zu nehmen.

Immer mehr Kommunikation findet digital statt, auch zwischen Staat und Bürger. Aber manche Menschen möchten ihre Behördengänge weiterhin analog erledigen – und das wird eine gewisse Zeit lang auch so bleiben. Wie kann man diesen Übergang vernünftig gestalten?

SH: Der Staat hat die Verpflichtung, jeden Bürger zu bedienen. Daher muss es für Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht online sind, immer die Möglichkeit geben, ihre Interaktionen mit dem Staat analog abzuwickeln. Es sollte also immer irgendwie Offline-Kontaktpunkte geben. Das gilt auch für die digitale Generation: Vertrauen spielt zwar eine große Rolle, aber vor allem muss es darum gehen, Hürden abzubauen und es einfacher zu machen, Dienste zu nutzen.

Sara Hofmann

Foto: Imago Photoatelier

Prof. Dr. Sara Hofmann

Sara Hofmann ist seit Januar 2016 Juniorprofessorin für Digitale Medien im öffentlichen Sektor an der Universität Bremen und Wissenschaftlerin am Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH (ifib). Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik promovierte sie 2014 am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und war dort bis zu ihrem Wechsel nach Bremen Postdoktorandin. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich u. a. mit der Nutzung von E-Government-Technologien durch Bürger*innen und Verwaltungen, der Anwendung Sozialer Medien im öffentlichen Sektor sowie mit Prozessen der IT-Nutzung und -Akzeptanz im Allgemeinen.