8.3 Die Risikowahrnehmung der Eltern ist auf das Internet fokussiert

Grundunsicherheit gegenüber dem Internet aufseiten der Eltern

Eltern plädieren grundsätzlich dafür, dass Kinder den Umgang mit digitalen Medien rechtzeitig erlernen sollten, auch für die Sicherstellung ihrer Teilhabechancen. Wird Eltern gegenüber jedoch explizit das Internet und vor allem ein früher Umgang von Kindern mit diesem thematisiert, lässt sich eine Grundunsicherheit bei ihnen erkennen. Eltern 3- bis 8-jähriger Kinder zeigen sich zurückhaltend bis skeptisch bei der Beurteilung, ob Kinder das Internet früh nutzen sollten oder nicht. Eine knappe Mehrheit der Eltern stimmt der Aussage, dass man Kinder „so lange wie möglich vom Internet fernhalten“ sollte, voll und ganz oder eher zu. 66 Prozent der Eltern können „gut verstehen, wenn Eltern ihren Kindern die Internetnutzung verbieten“. Das im Medienalltag von Kindern häufig praktizierte Verbot der Internetnutzung deckt sich mit diesem Befund: Bei 93 Prozent der Kinder, die das Internet nicht nutzen, ist der Grund das Verbot seitens ihrer Eltern.

Skepsis gegenüber früher Nutzung des Internets durch Kinder

Ein Blick auf die DIVSI Internet-Milieus macht klar, dass diese skeptische und zurückhaltende Einstellung gegenüber einer frühen Nutzung des Internets durch Kinder sich besonders ausgeprägt bei den eher vorsichtig agierenden Internet-Milieus findet. Ganz besonders die hinsichtlich des Internets sehr unsicheren und ängstlichen Internetfernen Verunsicherten plädieren am deutlichsten für ein Fernhalten der Kinder vom Netz. Vertreter dieses Milieus, aber auch Ordnungsfordernde Internet-Laien haben überdurchschnittlich häufig Verständnis dafür, wenn Eltern ihren Kindern die Internetnutzung verbieten.

Skepsis gegenüber früher Nutzung des Internets nach Milieus

Nicht kindgerechte Inhalte und ein noch nicht erlerntes Schützen der persönlichen Daten als die herausragenden Gefahren des Internets für Kinder

Wird das umfangreiche Informations- und Wissensangebot im Netz, auf welches auch Kinder zugreifen können, als Chance des Internets bewertet, stellt der Umgang mit eben diesen Informationen aus Elternsicht einen vielschichtigen Risikokomplex für Kinder dar. Die eingeschränkte Fähigkeit von Kindern, „richtige von falschen Informationen“ zu unterscheiden, bezieht sich sowohl auf recherchierte Informationen im Kontext Lernen oder Schule als auch auf die noch nicht erlernte Fähigkeit von Kindern, relevante Informationen oder Angebote von Werbung zu unterscheiden oder von Inhalten, die unverhofft Kosten oder Schäden (bspw. durch Viren) verursachen. Ein Vergleich der Chancen- und Risikowahrnehmung seitens der Eltern verdeutlicht die Bedeutung dieses Risikokomplexes: So empfinden immerhin 31 Prozent der Eltern 3- bis 8-Jähriger das umfangreiche Informationsangebot durch das Internet eindeutig als Nutzen, 47 Prozent bestätigen allerdings voll und ganz, dass Kinder nicht in der Lage sind, richtige von falschen Informationen im Internet zu unterscheiden.

Der Schutz der Privatsphäre, das heißt ein nicht ausreichend versierter Umgang mit persönlichen Daten und Informationen, wie beispielsweise Bildern und Angaben zur eigenen Person, stellt einen weiteren relevanten Risikobereich aus Sicht der Eltern dar. Eltern befürchten, dass Kinder im Internet zu viel von sich preisgeben (dies trifft für 42 Prozent der Eltern voll und ganz zu). Das unvorsichtige Online-Stellen persönlicher Daten kann einen nicht gewollten Kontakt mit unbekannten Personen nach sich ziehen (37 Prozent der Eltern empfinden dies voll und ganz als eine Gefahr des Internets) oder zu Mobbing führen (38 Prozent stimmen voll und ganz zu).

Nicht kindgerechte Inhalte stellen aus Elternsicht ein gravierendes Problem des Internets für 3- bis 8-jährige Kinder dar. Dass Kinder im Netz versehentlich auf gewalthaltige oder pornografische Inhalte stoßen, sehen 40 Prozent der Eltern eindeutig als Gefahr. Die qualitativen Ergebnisse verdeutlichen diese Befürchtung seitens der Eltern. Sie berichten von vielfältigen Situationen, in denen Kinder ungewollt über vorgeschaltete „zu brutale“ Trailer bei ausgewählten Videos oder Sendungen für Kinder oder über unangemessene (z.B. sexuell freizügige) Werbung auf Video-Portalen „stolpern“.

Risiken des Internets aus Elternsicht

Die Risikowahrnehmung unterscheidet sich entlang der lebensweltlich geprägten Zugänge der Eltern zum Internet. Insbesondere die Eltern der weniger internetversierten Milieus der Ordnungsfordernden Internet-Laien und der Internetfernen Verunsicherten, aber auch die Verantwortungsbedachten Etablierten schätzen gewalthaltige Inhalte im Internet stärker als Risiko für Kinder ein als Eltern anderer Internet-Milieus. Auch die Gefahr, dass unbekannte Personen durch unbedacht weitergegebene Informationen oder Daten Kontakt zum eigenen Kind aufnehmen könnten, stellt im Vergleich zu den anderen Milieus für sie ein größeres Risiko für Kinder dar. Die Eltern im Internet-Milieu der Unbekümmerten Hedonisten zeichnen sich dagegen durch eine unterdurchschnittlich ausgeprägte Risikowahrnehmung aus.

Risiken des Internets aus Elternsicht nach Milieus

„Wenn sie mehr im Internet arbeitet, und auch das Verlinken und die Links, da drückt sie auch drauf und ist nicht ängstlich, so: Was habe ich denn jetzt für eine neue Seite aufgemacht? Dass sie dann auch einfach irgendwo hinkommt, wo ich sage: „Oje, das ist jetzt nicht das Richtige“. Weil ich einfach selber da auch ängstlich bin. Wenn sie Richtung Internet geht, dass sie da was anklickt, wo Kosten auf mich zukommen, da sehe ich schon Gefahr.“ (Vater, Verantwortungsbedachte Etablierte, Tochter 5 Jahre)

„Ja, heute gibt man das einfach ein. Ob man den Antworten auch immer zu 100 Prozent glauben kann, das ist die nächste Frage. Da versuche ich auch so eine gewisse Kritikfähigkeit, also so ein … ja, Kritikfähigkeit zu vermitteln, dass man sagt, nicht alles, was da steht, ist wahr, ja. Wenn man jetzt irgendwas für die Schule sucht, dann muss man schon noch überlegen, wer hat das geschrieben, ja, kann das wahr sein, ja, und wenn nicht, zeige es mir noch mal.“ (Mutter, Effizienzorientierte Performer, Tochter 8 Jahre)

„Es müsste halt auch viel mehr drauf geachtet werden in diesen ganzen Foren, die es da gibt, und über Facebook und Wer-kennt-Wen und wo da geschaut werden muss, dass da kein Missbrauch mit den Kindern passiert, weil das ist mir zu lasch.“ (Vater, Ordnungsfordernde Internet-Laien, Söhne 4 und 6 Jahre, zwei weitere Kinder, 10 und 17 Jahre)

„Ja, klar habe ich da Angst. Also, jetzt betrifft es ihn noch nicht, aber wenn er dann irgendwann mal schreiben kann und dann halt in die Tastatur was eingeben kann, was ihn gerade interessiert. Das ist schon beängstigend, ja.“ (Mutter, Digital Souveräne, Sohn 3 Jahre)

„Das Einzige, wo ich mir manchmal Gedanken mache, ist, wenn der so einfach frei, unkontrolliert bei YouTube hängt und sich Sachen anguckt. Weil er kann ja auch, bei dem Kindle, da hat er ja alleine Zugang. Der kann ja, das wird ja quasi nicht kontrolliert.“ (Vater, Effizienzorientierte Performer, Sohn 8 Jahre)

Je ausgeprägter die Risikowahrnehmung der Eltern, desto häufiger verbieten sie ihren Kindern, ins Internet zu gehen

Die Risikowahrnehmung in puncto Internet aufseiten der Eltern zeigt einen klaren Zusammenhang mit den ausgesprochenen Verboten der Internetnutzung. So werden die als problematisch empfundenen Aspekte des Internets von denjenigen Eltern, die ihren Kindern verbieten, ins Netz zu gehen, auch deutlich ausgeprägter als konkrete Gefahren für ihre Kinder gesehen. 42 Prozent der Eltern, die ihrem Kind die Internetnutzung verbieten, sind voll und ganz der Meinung, dass das Internet gefährlich für ihr Kind sei, da dort „unbekannte Personen versuchen, Kontakt zu ihm aufzunehmen“. Die Eltern, deren Kind das Internet nutzt, schätzen diese Gefahr weitaus geringer ein. Bei ihnen sind es 24 Prozent, die diese Auffassung voll und ganz teilen. Vor allem die unsicheren und vorsichtigen DIVSI Internet-Milieus der Ordnungsfordernden Internet-Laien und der Internetfernen Verunsicherten haben eine ausgeprägte Risikowahrnehmung, wenn es um das Internet und ihre Kinder geht, und schränken das Online-Verhalten der Kinder vergleichsweise häufiger ein.

Internetverbot und Risikenwahrnehmung