3.3 Mobilitätschancen durch autonome Fahrzeuge?

In Anbetracht der auch mit Assistenzsystemen nicht überbrückbaren „Fehlerquelle Mensch“ ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Einsatz von autonomen Fahrzeugen auch im urbanen Raum mehr als nur eine verfolgenswerte Option ist. Die technischen Fortschritte lassen – ungeachtet der Anfangsschwierigkeiten – prinzipiell einen Wandel hin zu einer anderen „Mobilitätskultur“ für Personen- und Gütertransport zu. Von einer entwickelten Strategie kann noch keine Rede sein, weil über lange Zeit im Mischverkehr die von Menschen gebildete Fahrkultur bestimmend sein wird. In den internationalen Szenarien und Studien für den intelligenten Verkehr der Zukunft wird im Allgemeinen nicht auf heute unterschiedliche „Fahrkulturen“ eingegangen. In südamerikanischen Ländern kann man als Deutscher erstaunt erleben, dass ohne Nutzung (oder gar Vorhandensein) der Innen- und Außenspiegel auffahrunfallarmes Fahren selbst im dichten Stadtverkehr möglich ist. Das intrinsische Leitbild dafür ist, dass jeder selbst bei Spurwechsel nur konsequent auf das Vorderfahrzeug zu achten hat, was allerdings in der Praxis permanent kurze Reaktionszeit des nachfolgenden Fahrers voraussetzt. Unterschätzt werden scheinbare Nebensächlichkeiten wie zum Beispiel der in Frankreich übliche permanente Blinker beim Überholen, was in der Realität eine völlig unterschiedliche semiotische Signalgebung darstellt.

In der Autonation USA hingegen unterscheidet sich schon seit 50 Jahren die Fahrkultur diametral von der europäischen: Hinter dem markanten Leitsatz des Brüsseler US-Experten Harry U. Elhardt „My car drives me!“ steckt ein völlig anderes Verständnis als hinter dem hier bekannten „I drive my car“. Der Leitsatz erklärt schlagartig, warum viele US-Amerikaner in Europa einen Mietwagen mit Gangschaltung gar nicht übernehmen können. Nicht nur die Automatik, sondern viele Ausstattungsdetails sind auf Komfort und Bequemlichkeit ausgerichtet und enkulturiert, ganz zu schweigen von den dort zugelassenen Höchstgeschwindigkeiten1 und den multikausalen unterschiedlichen Wegelängen (vgl. Rutgers/DIW 2008:32f.).

Für das Vorpreschen von Tesla und Google in den USA ist aus dieser Sicht nicht das (von den USA nicht unterzeichnete) Wiener Abkommen von 1967, das fahrerlosen Fahrbetrieb untersagt, sondern der seit Generationen enkulturierte Umgang mit Automatiken seitens der Benutzer Grund für die initiierenden Schritte hin zu Pilotversuchen. „Kalifornien ist deshalb ein bedeutender US-Bundesstaat, weil hier Firmen wie Tesla, Apple und Google sitzen, die am autonomen Auto forschen. Voriges Jahr bekamen Audi, Google und Mercedes die ersten drei Genehmigungen für den Probebetrieb solcher Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen. Ford will nächstes Jahr mit Probefahrten beginnen; weitere Unternehmen, die Anfang Dezember die Erlaubnis bekamen, sind Delphi Automotive, Tesla, Bosch, Nissan, Cruise Automation und Honda. Die neuen kalifornischen Vorschriften könnten anderen US-Bundesstaaten als Vorbild dienen“ (Wilkens 2015:2). Letzteres deutet bereits darauf hin, dass es beim autonomen Fahrzeug keine regionalen unterschiedlichen Grundprinzipien und Regeln geben kann. „Die US-Regierung will dafür sorgen, dass es in dem Land möglichst bald einheitliche Regeln für selbstfahrende Autos gibt. Aus einem Grundsatzpapier des US-Verkehrsministeriums geht hervor, dass die Behörde National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) zusammen mit der Autoindustrie in den nächsten sechs Monaten eine Vorlage für Bestimmungen für den sicheren Betrieb autonomer Fahrzeuge erarbeiten will. Hinzugezogen werden sollen auch Vertreter der US-Bundesstaaten, wie die Washington Post berichtet. (…) US-Verkehrsminister Anthony Foxx erwartet eine rapide Entwicklung der autonomen Autos. Es werde nicht mehr lange dauern, bis diese regulär am Straßenverkehr teilnehmen; als Stichjahr wird zumeist 2020 genannt. Zuvor sei aber ein striktes Reglement und dessen Überwachung nötig, (es) solle nun die Grundlage gelegt werden, damit die Industrie die Technik voll entwickeln kann, und zwar mit allen sicherheitsrelevanten Aspekten“ (Wilkens 2016:1). Es ist durchaus bedeutsam, wenn der US-Verkehrsminister gerade in Bezug auf den Verkehr von Anfang an im föderalistischen System eine zentrale Normierung verlangt. “Foxx says that within six months, his agency will work with states, manufacturers, and others to develop a ‘model’ state policy for autonomous cars with the goal of creating a consistent national policy. This has become a hot-button topic as of late – different rules for self-driving cars in different states – to the point where Volvo issued a press release about it. ‘The absence of one set of rules means car makers cannot conduct credible tests to develop cars that meet all the different guidelines of all 50 US states’” (ebd.).

Einheitlichkeit auch in föderalen Verkehrssystemen erforderlich

Weder Kalifornien noch die US-Regierung lassen einen Zweifel daran, dass diese Leitlinien vorab auch in einen verbindlichen Rechtsrahmen gebracht werden müssen, wofür die Ausgestaltungsdetails (zum Beispiel Beibehaltung Lenkrad und Bremse) zwischen den Akteuren in intensiven Gesprächen für die Legislative festgelegt werden sollten. “The policies are part of a $4 billion proposal in President Obama’s fiscal 2017 budget — which will be unveiled in full on February 9th — laying out a decade’s worth of pilot programs to test (and create regulations around) connected and autonomous car technologies. Exact details of those pilots programs, however, aren’t yet available. But this may be the biggest part of today’s announcement: DOT and NHTSA will develop the new tools necessary for this new era of vehicle safety and mobility, and will seek new authorities when they are necessary to ensure that fully autonomous vehicles, including those designed without a human driver in mind, are deployable in large numbers when demonstrated to provide an equivalent or higher level of safety than is now available. In other words, DOT is pushing for ways to permit legitimately driverless cars on the road — the kind that could be summoned to your doorstep without someone behind the wheel. That’s huge, especially in light of unusually restrictive rules that California just put in place that have ruf ed Google’s feathers. The ‘demonstrated to provide an equivalent or higher level of safety than is now available’ part is just as big, though – and depending on the level of proof DOT asks for, automakers could be many miles away from being able to scientifically demonstrate that safety, especially in light of a new Backchannel report that shows just how often today’s Google car test drivers must disengage the self-driving system. ‘We don’t public test until we’re safe. End of story’” (Ziegler 2016:2). Noch weiter als Google im Verlass auf Automatisierung geht Tesla: „Das größte Versprechen autonomer Fahrzeuge ist ihre Fehlerlosigkeit: Sie passen ihre Geschwindigkeit korrekt und perfekt an die Verkehrslage an, sie machen keine Vorfahrtsfehler, sie überfahren keine roten Ampeln, sie parken nur da, wo sie parken dürfen. Googles Fahrzeuge zum Beispiel waren während ihrer 1,7 Millionen Kilometer langen Testfahrt nur elfmal in Verkehrsunfälle verwickelt. In keinem Fall lag die Schuld bei dem fahrerlosen Fahrzeug. Ähnliche Bilanzen können auch die Testautos von Tesla, Mercedes und anderen vorweisen. Tesla-Chef Elon Musk glaubt, dass schon in der nicht allzu fernen Zukunft ein Verbot des manuellen Fahrens2 diskutiert werden wird“ (Schulzki-Haddouti 2015).

Eine gut begründete restriktive Haltung schon bei den Tests zeigt, dass sich die Administration selbst gegenüber den Lobbyisten hart zeigt. “The SDS is an artificial-intelligence (AI) ‘driver,’ which is a computer designed into the motor vehicle itself that controls all aspects of driving by perceiving its environment and responding to it. Thus, Google believes that the vehicles ‘have no need for a human driver.’ In this response, NHTSA addresses each of Google’s requests for interpretation, and grants several of them. In some instances, the issues presented simply are not susceptible to interpretation and must be resolved through rulemaking or other regulatory means. NHTSA believes that many of these issues may be resolved on an interim basis through well-supported exemption petition(s), and invites Google to file such petitions” (NHTSA 2016:1). Obwohl die NHTSA erklärt, dass “Google’s insistence on removing the steering wheel and pedals from the car completely should be reconsidered, something which California regulators already insisted the search giant do, earlier this year”, wurden die als „Fahrereigenschaft“ bejahten einzelnen Systemmerkmale in der internationalen Fachpresse3 dergestalt interpretiert, dass die NHTSA auf dem Weg sei, “artificial intelligence as a viable alternative to human-controlled vehicles” anzusehen. Die Gestaltungsdiskussion4 erscheint jedoch noch offen, weshalb eine kooperative synchrone Anstrengung der Europäer (anders als beim Beginn der „Highway-Diskussion“ vor 20 Jahren) anzuraten ist. Dies gilt umso mehr, als auf dem Weg zum autonomen Fahren („Robot-Fahrer“, in den USA: „AI driver“) eine lange Übergangsphase steht, in der neben „Car-to-Car“ vor allem die Kommunikation „Mensch–Maschine“ in Gestalt von Fahrer und „Robot-Fahrer“ sichergestellt sein muss.

Nicht zuletzt müssen dafür auch vor dem konsensuellen Hintergrund von Unfallvermeidung und Nachhaltigkeit einer „Smart Mobility“ neue Konzepte für eine umfassend verbesserte Mobilitäts-Semiotik5 skizziert werden. So bizarr es auf den ersten Blick erscheinen mag: In einem Mischverkehr muss einem Fahrer eindeutig signalisiert werden, dass vor ihm ein „fehlerfreies und vorschriftenbeachtendes Fahrzeug mit kurzen Bremswegen“ fährt. Ebenso notwendig wäre eine Koppelung mit Elementen einer zu schaffenden „Intelligenten Trasse“, wobei auch in den USA die Finanzrestriktion stets Pate steht: „Das (US-)Verkehrsministerium plant Vorschriften, die Neuwagen in einigen Jahren dazu verpflichten werden, ein Funkmodul zu haben, mit dem sie sich identifizieren und mit anderen Fahrzeugen kommunizieren“, sagte Kevin Dopart am Sonntag auf der Jahreskonferenz des Transportation Research Board in Washington, D.C. Dopart leitet im US-Verkehrsministerium (DOT) das Programm für Fahrzeugsicherheit und Automatisierung: „Das früheste Modelljahr (für die neue Vorschrift) ist 2020. Von einer Vorschrift, auch Straßeneinrichtungen verpflichtend aufzurüsten, ist indes keine Rede. „Das käme den Staat teuer“ (Sokolov 2016:1).

„Auch Fußgänger sollen funken“

Für die Fahrzeugvernetzung werden erneut nicht die Gründe der Entzerrung von Verkehrsflüssen oder die Erreichung von Stauverkürzungen genannt: „Größter Vorteil der Fahrzeugvernetzung soll eine Reduzierung der Unfälle sein. Im Vordergrund steht dabei die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander (Vehicle-to-Vehicle Communication, V2V, in Europa oft auch Car-to-Car-Communication, C2C, genannt). Sie sollen einander warnen oder sich sonst koordinieren. Das soll beispielsweise Auffahrunfälle oder Kollisionen bei Spurwechseln vermeiden. Dopart ortet ein ‚signifikantes Interesse‘ an der Nachrüstung bestehender Fahrzeuge mit V2V-Modulen. Aus dem Ziel ‚Unfallfreiheit‘ resultiert auch konsequent die Einbeziehung der anderen, weitaus gefährdeteren Verkehrsteilnehmer: ‚Auch Fußgänger sollen funken‘. Eine offizielle Ankündigung der V2V-Pflicht hat das DOT bereits im August 2014 herausgegeben. Seither sammelt das Ministerium online Kommentare zu seinem Vorhaben. Rund 900 Stellungnahmen sind in den knapp eineinhalb Jahren eingegangen. Und es wurden Feldversuche eingeleitet. Beispielsweise soll in Tampa, Florida, die Funkkommunikation zwischen Fahrzeugen und Fußgängern (V2X) erforscht werden. Dafür werden Fußgänger mit Handys ausgestattet, die laufend ein Funksignal aussenden und so ihren Aufenthaltsort preisgeben. Das Signal kann von entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen erkannt und ausgewertet werden. Das soll Kollisionen mit Fußgängern reduzieren helfen. Auch wenn derzeit keine offiziellen Pläne für einen Funkzwang für Fußgänger bekannt sind, könnte er sich über die Hintertür einschleichen: Im Falle eines Unfalls könnten Gerichte zu dem Schluss kommen, dass Fußgänger, die nicht funken, Mitschuld tragen. Und Eltern könnten in Bedrängnis kommen, wenn sie ihre Kinder nicht entsprechend ausrüsten“ (Sokolov 2016b:2).

Auf derartige Fragen, die allein in Bezug auf die Lokationsdaten jede Privatheitsvorstellung sprengen, ist die deutsche und europäische Akteursarena noch gar nicht gefasst. Gemäß der heutigen Konsenslage im Hinblick auf Privatheitsschutz müsste eine neu strukturierte Erarbeitung folgen, bei der in einer „Technikgestaltung“ mehr als nur Mitsprache von erweiterten Akteursgruppen erfolgt. Sicher erscheint damit, dass vor dem Hintergrund einer wünschenswerten „digitalen urbanen Mobilität“ auch eine verkehrsstrategische Grundsatzdiskussion verstärkt und strukturiert werden muss. Es kann auch am Standort nicht früh genug gefragt werden: „Wie wirkt es sich aus, wenn selbstfahrende Autos serienreif werden? Dieser Frage sind schon viele Forscher nachgegangen. Regina Clewlow und Osman Yagci von der University of California Davis haben einschlägige Untersuchungen für eine Metastudie ausgewertet. Das Ergebnis hat Clewlow auf dem Jahrestreffen des Transportation Research Board in Washington, D.C., präsentiert. Alle Studien sagen einen Anstieg der Fahrleistung für den Personentransport voraus“ (Sokolov 2016b:1). Wie auch immer die Herleitung sein mag, sind vor allem für die diskussionsleitenden Ziele der Nachhaltigkeit des Fahrzeugverkehrs im urbanen Raum neue Wege der Umsetzung zu suchen.

Verkehrsprognosen ohne Rebound-Effekt

Für kundige Beobachter ist bereits absehbar, dass selbst mit umfassender „Big-Data-Auswertung“ die urbane Mobilität heutiger Ausprägung weder die Ziele der Staufreiheit noch die Nachhaltigkeits- und Effizienzziele erreicht. „Weil man dann beim Autofahren wahrscheinlich ganz andere Dinge tun kann, könnten die Menschen es als weniger mühsam empfinden. Wie viel Verkehrszuwachs das nach sich zieht, ist offenbar unerforscht. Gleiches gilt für einen möglicherweise starken Zuwachs von Lieferdiensten. Aus dem kurzen Leitbild ‚anstatt einkaufen zu gehen, lassen wir uns morgen vielleicht alles von Roboterautos liefern‘ folgt in der Diskussion keinerlei Plausibilitätsbetrachtung im Hinblick auf die Entwicklung der Fahrzeugbewegungen. Immer wieder erwähnt wird nur der umweltschonende (‚nachhaltige‘) Effekt des effizienten Selbstparkens von Autos, bei dem der Parksuchverkehr wegfällt. Das soll aber nur bis zu vier Prozent der gesamten Fahrleistung einsparen“ (Sokolov 2016b:1). Es wurde in der Analyse deutlich, dass solche berechneten Erwartungen durch „Rebound-Effekte“6 zunichtegemacht werden können.

Wie gezeigt, gibt es in der US-Arena von Wirtschaft, Wissenschaft und Staat immer wieder (neben den bekannten einschneidenden Werteverstößen) verlässlich auch visionäre Ansätze für die Lösung von Problemen dieser Welt. Zumindest können Vorschläge gemacht werden, deren Proponenten auf jeden Fall nach einem Scheitern eine zweite Chance bekommen. Ein ganz aktuelles Beispiel: Schnell zurückgezogen wurde von General Motors eine völlig neuartige Strategieüberlegung für die Einführung von autonomen Stadtfahrzeugen: “The first mainstream deployment of autonomous vehicles won‘t be to customers but to a ride-share platform. General Motors President Dan Ammann told Mashable at the North American International Auto Show. ‘We’re going to have a car that operates only in downtown Austin that has a maximum speed of 30 mph and operates in controlled conditions.’ Ammann later clarified he was speaking hypothetically; although GM recently announced a partnership with Lyft, self-driving robo-taxis in Austin are not imminent” (Jaynes 2016). Die Expertise in Europa hat nach Überwindung der partikularistischen Strukturen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik die Kapazität, nachhaltigkeits- wie gesellschaftskonforme Infrastrukturen zu entwerfen, wofür es (s.u. Kap. 4) durchaus schon ermutigende deutliche Wegmarken gibt.

Für Überlegungen, ob es mit autonomen Fahrzeugen und virtueller Steuerung sogar zu einem neuartigen ÖPNV oder zu einem neuen „automatischen“ Gütertransportsystem kommen könnte, ist ceteris paribus allerdings weder in Deutschland noch in Europa derzeit irgendeine Denkvoraussetzung gegeben.

Dass auch in globaler Hinsicht die verlässliche Information über den Ist-Zustand noch nicht gegeben ist, macht die umfassende Studie der RAND Corporation über die Zukunft der Mobilität, Szenarien bis 2030 sehr deutlich: “Telematics includes relatively widespread applications, such as global positioning systems (GPSs), as well as fairly recent applications, such as real-time traf c information. We were unable to locate any reliable information about the percentage of the current vehicle fleet equipped with these technologies, let alone any past information. Similarly, we were unable to locate reliable information about the market penetration of ADASs, which include such technologies as crash-warning systems, adaptive cruise control, and automated parking. Autonomous vehicles have been tested, and three states allow them to be operated on public roads for test purposes, but they are not available commercially as of this writing” (RAND 2013:21).

Und immer wieder stockt der Stau

Während sich also die Diskussion über Nachhaltigkeit im urbanen Verkehr einschließlich der gesellschaftlichen Verträglichkeit einer datenhaften Privatheit im Laufe von 20 Jahren auf gemeinsame Ansätze einzupegeln beginnt, steht das Desiderat der „Staufreiheit“ immer noch wie damals auf dem Wunschkatalog. In Europa stehen die Kommunen wie in den USA und Asien vor der Aufgabe, gemeinsam Lösungen zu finden oder dieses Ziel zu modi zieren. Datengestützte Verkehrslenkung stellt sich im heutigen Verkehrsträger-Mix trotz aller technischen (und „technologischen“) Fortschritte als ein komplexes Problem dar, für dessen Lösung sich auf der strategischen Ebene weder ein verkehrspolitischer Impetus noch eine marktinduzierte Investitionsbereitschaft abzeichnet. Unverändert ist das gesellschaftliche Bedürfnis nach Staufreiheit, für das allerdings nirgends kaufkräftige Nachfrage vorhanden ist. Ein solches Strategiedefizit bei Politik und Ökonomie ohne Marktnachfrage7 lässt für gesellschaftliche Bedürfnisse nur noch publizistische und künstlerische Spielräume. Und dann und wann ein Forschungsprojekt.

  1. Innerorts sind zwischen 40 und 48 km/h erlaubt, auf den Interstates wird in Texas mit bis zu 105 km/h gerast, auf Salzseen in Utah gelten überhaupt keine Geschwindigkeitsbeschränkungen. []
  2. Eine konsequente Weiterführung der Überlegungen für Robot-Fahrzeuge in Deutschland würde zu gesellschaftlich überwiegend nicht akzeptierten Geschwindigkeitsobergrenzen für alle Verkehrsteilnehmer führen. []
  3. Vgl. www.ibtimes.com/googles-driverless-car-effort-gets-green-light-us-government-says-robots-qualify-2301270 []
  4. Der Unterschied schon in der Konferenzkultur wird deutlich: “The 95th TRB Annual Meeting (January 10–14, 2016, Washington Convention Center) covers all transportation issues, with more than 5,000 presentations in more than 800 sessions. A number of sessions and workshops will focus on: Research Convergence for a Multi-Modal Future. The meeting attracts nearly 13,000 transportation professionals from throughout the United States and 70 other countries” (Vgl. www.trb. org/AnnualMeeting/Blurbs/172987.aspx). []
  5. Vgl. Klumpp: Der informationelle Turmbau zu Babel, oder: Was man aus dem Themenheft „Kommunikation im Straßenverkehr“ lernen kann. In: Posner, R. (Hrsg.): Zeitschrift für Semiotik, Bd. 18, Heft 1, Tübingen, 1996, S. 93–100 []
  6. Vgl. Radermacher (1997:2) mit der immer noch gültigen Diagnose: „Die ‚Falle‘, in die wir im Rahmen des technischen Fortschritts bisher immer wieder gelaufen sind, besteht darin, daß wir den Fortschritt ‚on top‘, also additiv genutzt haben (‚Rebound- bzw. Bumerang-Effekt‘).“ []
  7. Für die Strategie-Akteure wie für die Betroffenen bleibt auch im Rahmen der Entscheidungstheorie nur die gesellschaftliche Dissonanzauflösung. Der Wunsch nach Staufreiheit nimmt plausiblerweise mit dem Rückgang der Wünsche (Fuchs-Trauben-Parabel) nach fahrzeugbezogener Mobilität ab. []