4.4 Ü60-Strategien im Internet: Welche Auswirkungen haben Barrieren auf das Online-Verhalten?

Die Wahrnehmung von Hürden und Unsicherheiten mit Blick auf konkrete Online-Angebote, aber auch auf die Digitalisierung insgesamt führt zu unterschiedlichen Handlungsstrategien. Zusammengefasst lässt sich beobachten, dass die Menschen über 60 Jahre ihren Einstellungen zum Internet deutlicher Taten folgen lassen als die Gesamtbevölkerung. Jüngere Menschen haben sich eher – wenn auch teilweise resigniert – damit abgefunden, dass das Internet nicht sicher ist und Daten von verschiedenen Akteuren für jeweils eigene Ziele verwendet werden. Sie verzichten beispielsweise trotzdem nicht auf bestimmte Online-Angebote, u.a. auch, weil diese mittlerweile zu einer unverzichtbaren Infrastruktur im Alltag geworden sind (insbesondere Soziale Netzwerke und Messenger-Dienste).1 Bei den über 60-Jährigen lassen sich jedoch deutlich häufiger Bewältigungsstrategien identifizieren, mit denen versucht wird, die vermuteten negativen Konsequenzen zu vermeiden oder zumindest entscheidend zu verringern. Dies ist vor allem möglich, weil sich viele ältere Menschen noch vorstellen können, auch ohne Internet zu leben. Bei ihnen wird die Kündigung eines Accounts bei einem Sozialen Netzwerk nicht gleich zur existenziellen Frage, ob der Kontakt zum Freundeskreis noch aufrechterhalten werden kann.

Über 60-Jährige bewegen sich vorsichtiger im Internet

Zentrale Handlungsstrategie der Befragten ist es, sich im Internet eher zurückzuhalten und nicht jeden verlockenden Internet-Service gleich auszuprobieren. 76 Prozent (55 Prozent gesamt) betonen, dass sie hier Vorsicht walten lassen, vor allem auch, weil sie befürchten, Fehler zu machen, die möglicherweise irreversibel sind.

Ü60-Jährige bewegen sich vorsichtig im Netz

Verzicht als Ausweg: Bestimmte Online-Angebote werden allein aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht genutzt

Wie das vorherige Unterkapitel aufzeigte, existieren bei den Befragten große Vorbehalte gegenüber Online-Angeboten, die das eigene Geld und die eigenen Daten betreffen. Entsprechend werden Online-Banking und Soziale Netzwerke nicht nur skeptisch beäugt, sondern teilweise auch gänzlich vermieden bzw. die Aktivitäten darin entsprechend eingeschränkt. 43 Prozent verzichten auf Online-Banking, weil sie hier zu große Gefahren sehen; 34 Prozent stellen keine eigenen Beiträge (insbesondere Bilder und Videos) in den Sozialen Medien ein, weil sie dies für unsicher halten.

Große Vorbehalte der Ü60-jährigen Onliner beim Online-Banking und Social Media

Vor allem die Veröffentlichung persönlicher Daten im Internet wird deutlich stärker vermieden als bei der Gesamtbevölkerung: 23 Prozent der Onliner über 60 Jahren haben persönliche Daten in einem Sozialen Netzwerk hinterlassen, bei der Gesamtbevölkerung sind es 58 Prozent.

Veröffentlichung persönlicher Daten im Internet

„Und dann mit diesen Sozialen Netzwerken wie Facebook, da hört man ja immer wieder: ‚Ach, kannst mir doch schreiben, ich bin doch in Facebook.‘ Hab ich gesagt: ‚Nee, das mache
ich nicht.‘ Weil man hört so viel und liest so viel, was da alles passieren kann. Man kann ja
da ausgespäht werden in Facebook.“ (67 Jahre, weiblich)

Die über 60-Jährigen möchten kein Geschäft mit den eigenen Daten machen

Im Tausch für einen Service (z.B. Nutzung eines Messenger-Dienstes) würde jeder Zehnte der über 60-Jährigen zumindest tendenziell anderen Zugriff auf die eigenen Daten als Gegenleistung gestatten. Für drei Viertel käme dies jedoch nicht infrage. Nur 14 Prozent wären dazu bereit, Daten von sich weiterzugeben, wenn „der Preis stimmt“.

Die Mehrheit der Befragten ist sich somit einig und steht einem Handel mit den persönlichen Daten kritisch gegenüber. Die meisten vertreten damit in Bezug auf die Ökonomisierung der eigenen persönlichen Daten eine klare Meinung; unentschlossen („weiß nicht“) antworten nur die wenigsten.

Die Bezahlbereitschaft der älteren Generation für einen besseren Schutz der eigenen persönlichen Daten ist hingegen weitaus größer als die Bereitschaft zum Tausch von Daten gegen Service bzw. Geld gegen Service: 35 Prozent wären hierzu bereit.

Handel mit persönlichen Daten und Zahlungsbereitschaft zum Schutz eigener Daten

„Ich meine, das Geschäftsprinzip ist klar, die brauchen meine Daten, um mich an ihre Werbepartner zu verkaufen. Und da ich aber Ad-Blocker benutze oder technische Vorkehrungen treffe, dass mich diese Werbung überhaupt nicht erreicht, auch nicht von Google, bin ich davon eigentlich überhaupt gar nicht betroffen. Es ist sogar so, dass ich manchmal denke, oh, das ist ja auch es. Ich nutze die ganzen Dienste, ich gebe denen aber eigentlich gar nichts zurück.“ (60 Jahre, männlich)

Unterstützung suchen und Verantwortlichkeiten delegieren

Menschen über 60 möchten an dem teilhaben, was im Internet geschieht. Dies zeigen die Erkenntnisse der vorliegenden Studie deutlich. Verzicht und Einschränkung kann daher nur bedingt eine Option sein. Wenn der Wunsch zu partizipieren groß ist und die „gefühlte“ Kompetenz gering, suchen die über 60-Jährigen eher den Rat bei Bekannten und Experten, als sich unbekümmert auf Risiken einzulassen und zu hoffen, dass nichts passiert. 55 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sie ohne die Hilfe von Freunden und Bekannten im Internet verloren wären. Hilfe von anderen wird aber auch aktiv und durchaus selbstbewusst eingefordert: 52 Prozent betonen, dass sie einzelne Aktivitäten im Internet von anderen erledigen lassen. Der Nutzen bzw. die Vorteile werden also gesehen, nur für die Ausführung wird Unterstützung benötigt.

Unterstützungsbedarf der Ü60-Jährigen bei der Internetnutzung

„Der Jüngste, das ist so ein IT-Spezialist, und bevor ich dann da was mache, da sage ich ‚Uwe, wie sieht‘s denn aus?‘“ (73 Jahre, männlich)

Experten werden nicht nur im eigenen Freundeskreis gesucht. Die Befragten nehmen vor allem auch Staat und Unternehmen in die Pflicht, wenn es darum geht, übergeordnet für Sicherheit im Internet zu sorgen: 71 Prozent sind überzeugt, dass der Staat eine wichtige Rolle bei dieser Aufgabe hat, 85 Prozent sind der Meinung, dass Unternehmen (z.B. mit Blick auf Datenschutz) hier Verantwortung übernehmen müssen. Diese Zuordnung von Verantwortung bedeutet aber nicht – wie die vorausgehenden Handlungsstrategien zeigen –, dass sich die über 60-Jährigen aus der Eigenverantwortung zurückziehen: 59 Prozent betonen beispielsweise: Für Datenschutz im Internet ist jeder selbst verantwortlich.

Einstellungen zu Sicherheitsfragen

  1. Vgl. DIVSI (2016) []