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Unbekümmerte Hedonisten

Unbekümmerte Hedonisten sind leidenschaftliche, aber eher arglose Internetnutzer. Es ist ihnen relativ egal, was mit ihren Daten im Internet passiert. Sie haben sich mehr oder weniger damit abgefunden, dass das Internet unsicher ist. Besonders die zahlreichen Unterhaltungs- und Kommunikationsmöglichkeiten stehen hoch in der Gunst, v.a. im Rahmen von Social-Media-Angeboten. Trotz ihrer überdurchschnittlichen Begeisterung für das Internet bewegen sie sich online nicht sehr selbstbewusst und souverän.

In diesem Internet-Milieu befinden sich überwiegend Vertreter mit niedrigem formalem Bildungsniveau und niedrigem Haushaltsnettoeinkommen. Die Mehrheit ist 60 bis 69 Jahre alt. Unbekümmerte Hedonisten leben spontan und spaßorientiert und machen sich nicht zu viele Gedanken über Regeln und Konventionen der Gesellschaft.

„In meinem Leben gibt es nicht so viele Zwänge. Ich kann relativ frei entscheiden, ob ich mich an den Computer setze oder ob ich was anderes mache. Ich möchte in meinem Leben nicht so viel Stress haben. Das ist mir das Wichtigste.“ (65 Jahre, männlich)

Soziodemografisches Profil

Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Unbekümmerten Hedonisten

Die breite Mehrheit dieses Internet-Milieus möchte am Geschehen im Internet teilhaben (70 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 38 Prozent). Damit unterscheiden sie sich deutlich vom Durchschnitt der über 60-Jährigen. Mit Blick auf die Internetnutzung zeigt sich allerdings eine bedeutsame Kluft zwischen Intensiv-Nutzern und Offlinern: Der Anteil der täglichen Internetnutzer ist in dieser Gruppe fast doppelt so groß wie in der Gesamtheit der über 60-Jährigen (41 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 23 Prozent). Gleichzeitig nutzen 28 Prozent das Internet nie. Das sind zwar einerseits immer noch deutlich weniger als im Durchschnitt (48 Prozent), dies steht aber andererseits deutlich in Kontrast zum großen Anteil an Intensiv-Nutzern in diesem Internet-Milieu. Unabhängig von der tatsächlichen Nutzung verbindet alle Unbekümmerten Hedonisten der unbedarfte Zugang zum Internet und die Begeisterungsfähigkeit für dieses Medium.

„Ohne Internet geht gar nicht mehr. Wen ich mir jetzt überlege, ich hätte keinen Computer, ich weiß nicht, was ich teilweise für Laufereien hätte für bestimmte Dinge. Außerdem: Ich brauche auch nicht mehr so viele Briefmarken und muss nicht mehr so oft zum Briefkasten laufen.“ (62 Jahre, weiblich)

„Früher hab’ ich eBay-Kleinanzeigen noch am PC gemacht. Jetzt habe ich hier die App auf meinem Handy, mache das Foto und stelle die Kleinanzeige ein, fertig, gegessen, halbe Zeit.“ (62 Jahre, weiblich)

Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz

Das Internet ist in diesem Segment vorwiegend Unterhaltungs- und Kommunikationsmedium, um mit der Außenwelt in Kontakt zu sein. Vor allem Chat- oder Messenger-Dienste werden überdurchschnittlich genutzt. Knapp die Hälfte der Unbekümmerten Hedonisten kann sich ein Leben ohne Online-Community nicht mehr vorstellen (Durchschnitt Ü60: 8 Prozent). Nicht zuletzt deswegen nutzen überdurchschnittlich viele Milieuangehörige das Internet täglich (41 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 23 Prozent). Ein vergleichsweise großer Anteil dieser Gruppe greift dabei auf mobile Internet-Geräte zurück.

„Das Internet gibt mir die Möglichkeit, Kontakt nach außen zu halten und zu gucken, was es so Neues gibt. Das ist mir sehr wichtig.“ (65 Jahre, männlich)

Einstellungen zum Internet

Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung

In Bezug auf Sicherheitsfragen im Internet sind die Unbekümmerten Hedonisten das mit Abstand argloseste Milieu. 52 Prozent machen sich keine großen Gedanken über Sicherheitsthemen und vertreten den Standpunkt: „Was soll mir schon passieren?“ (Durchschnitt Ü60: 18 Prozent). Auch gestehen 72 Prozent ein, dass es ihnen egal ist, was mit den eigenen Daten im Internet passiert (Durchschnitt Ü60: 12 Prozent). 72 Prozent sagen von sich, dass sie sich damit abgefunden haben, dass das Internet unsicher sei (Durchschnitt Ü60: 53 Prozent). Sie sind auch überdurchschnittlich häufig der Meinung, dass nichts zu befürchten habe, wer nichts zu verbergen hat (57 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 30 Prozent).

„Alles, was jetzt hier so kommt mit Datenschutz und so, dass irgendwas überwacht und gemacht werden kann, sollen sie doch machen! Wenn ich nichts zu verbergen habe oder auch Telefongespräche, Festnetz, Handy, das macht mir nichts. Ich gebe keinem eine Anleitung zum Bombenbasteln, ich plane kein Attentat, und ich habe nichts zu verbergen. Dann ist das nicht mein Problem.“ (65 Jahre, männlich)

Diese Einstellung zu Sicherheitsfragen gründet bei den Unbekümmerten Hedonisten nicht auf einer informierten Meinung – im Gegenteil: Mehr als die Hälfte von ihnen fühlt sich mit dem Internet überfordert und ist auf fremde Hilfe angewiesen. Auch bei den Onlinern dieser Gruppe ist auffällig, dass sie trotz ihrer Unsicherheit kaum Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Sie sehen auch die Weitergabe von persönlichen Daten vergleichsweise locker.

Obwohl sich knapp die Hälfte nicht dazu in der Lage sieht, Sicherheitsrisiken richtig einzuschätzen und entsprechend darauf zu reagieren, wollen die meisten gleichzeitig nicht, dass der Staat das Internet reglementiert (58 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 40 Prozent). Unbekümmerte Hedonisten haben eine ausgeprägte Abwehrhaltung gegenüber jeglicher Kontrolle und Reglementierung und nutzen das Internet im Vergleich zu den anderen Gruppen eher sorgenfrei. Die Freiheit des Internets wird daher – trotz subjektiv wahrgenommener Kenntnisdefizite – gegenüber einer staatlichen Reglementierung bevorzugt.

Einstellungen zum Internet

Der Blick in die digitalisierte Zukunft

Unbekümmerte Hedonisten werfen einen neugierigen, aber auch ängstlichen Blick in die digitalisierte Zukunft. 70 Prozent freuen sich zwar, etwas über das Internet dazuzulernen (Durchschnitt Ü60: 52 Prozent), rund der Hälfte (53 Prozent) der Vertreter dieses Internet-Milieus macht aber auch Angst, wenn bald nichts mehr ohne Internet geht (Durchschnitt Ü60: 59 Prozent).

„Ja, Angst habe ich schon. Weiß ich, was noch kommen kann? So genau weiß man das nie!“ (63 Jahre, weiblich)

Einstellungen zum Internet

Unbekümmerte Hedonisten sehen sich eher als „Mitläufer“ des digitalen Wandels: Sie sind dabei, haben einen großen Teilhabewunsch und freuen sich über neue Möglichkeiten. Gleichzeitig haben sie aber nicht das Gefühl, diese Entwicklung aktiv „mitsteuern“ zu können und souverän damit umzugehen.

„Es wird alles noch digitalisierter als heute. Es geht ja immer weiter, man macht ja fast alles nur noch über das Internet. Solche Sachen finde ich klasse. Für mich ist es eigentlich ein Gewinn.“ (62 Jahre, weiblich)

„Es gibt ja noch ältere Leute, die sträuben sich zwar gegen alles, aber gehen dann ins nächste Internet-Café, weil sie irgendwelche Dinge erledigen müssen. Ich glaube, in zehn Jahren wird das ganz anders aussehen. Dann wird kein Leben mehr ohne Internet möglich sein.“ (65 Jahre, männlich)

Wohnwelten der Unbekümmerten Hedonisten Ü60