7. Zusammenfassung und Fazit

Wie die über 60-Jährigen am Internet teilhaben und künftig teilhaben können

Ein großer Teil der über 60-Jährigen in Deutschland ist in der digitalen Welt angekommen. 52 Prozent gehören zu den Onlinern, 15 Prozent in dieser Altersgruppe – das sind immerhin ca. 3,1 Millionen Menschen in Deutschland – sind souveräne Intensiv-Nutzer, die jüngeren Vertretern der sog. „Digitalen Avantgarde“ in puncto Online-Kompetenz in nichts nachstehen.

Zudem sehen auch viele Gelegenheitsnutzer und sogar Offliner die Digitalisierung als eine Schlüsselressource für die Zukunft unserer Gesellschaft – unabhängig davon, ob sie selbst im Internet aktiv sind oder Online-Services „mitnutzen“ (z.B. beim Skype-Interview leidenschaftliche Meinungsführer sind, ohne selbst die Verbindung hergestellt zu haben).

Wo aber fängt eigentlich digitale Teilhabe an – und warum ist sie so wichtig?

Der souveräne Umgang mit digitalen Medien und dem Internet bekommt eine immer wichtigere Rolle, wenn es um die Frage nach Chancengerechtigkeit in einer Gesellschaft geht. Wenn Alltagsorganisation und -gestaltung heute immer mehr digital gesteuert wird, bedeutet digitale Teilhabe gleichzeitig auch soziale Teilhabe. Denn „teilzuhaben“ meint die Möglichkeit, an den Infrastrukturen und Angeboten einer Gesellschaft umfassend partizipieren zu können und dadurch ein gleiches Maß an sowohl beruflichen wie auch privaten Chancen zu erlangen. Wer nicht von Online-Infrastrukturen profitieren kann oder möchte, ist von bestimmten Prozessen ausgeschlossen oder muss sich entsprechende Unterstützung organisieren, vor allem, wenn Vorgänge nicht mehr in anderer Form durchführbar sind bzw. sein werden.

48 Prozent der über 60-Jährigen sind Offliner. Das sind 10 Millionen Menschen, denen genau diese Teilhabe nicht möglich ist. Gleichzeitig ist vielen Offlinern die Bedeutung des digitalen Wandels bewusst und sie erkennen viele Vorteile, die diese Veränderungen mit sich bringen bzw. für ihre Kinder und Enkelkinder im Alltag bedeuten können. Zu beobachten ist dabei, dass Offliner häufig an die digitale Lebenswelt von Familienmitgliedern oder Bekannten „andocken“, d.h., sie nehmen als „Passiv-Onliner“ an der Online-Welt teil, indem sie andere Menschen bitten, ihnen „Dinge aus dem Netz“ zu beschaffen bzw. etwas online zu erledigen, von dem sie wissen, dass es ohne Internet „viel mühsamer“ ist.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass digitale Teilhabe mehr bedeutet als die Verfügbarkeit eines Online-Zugangs. Sie ist mit der tatsächlichen Nutzung digitaler Medien und Angebote und spezifischen Kompetenzen, aber auch einer generell aufgeschlossenen Haltung zu Fragen der Digitalisierung verbunden sowie mit einem Mindestmaß an selbst zugeschriebener Souveränität im Umgang mit Risiken und Unsicherheiten im Internet.

Wie sich dieses Konglomerat an Teilhabevoraussetzungen in der Realität tatsächlich ausprägt, zeigen die DIVSI Internet-Milieus auf besonders anschauliche Weise: Sie machen deutlich, dass in den verschiedenen digitalen Lebenswelten jeweils unterschiedliche Treiber und Hürden den Weg in die digitale Welt erleichtern bzw. erschweren.

Dabei lassen sich einerseits Internet-Milieus identifizieren, die umfassend in der digitalen Welt angekommen sind und keine „spezielle Fürsorge“ und erst recht keine „seniorengerechten“ Angebote benötigen bzw. diese rigoros ablehnen. Hierbei handelt es sich um das internetnahe Segment, dem in Deutschland 15 Prozent der über 60-Jährigen angehören:

  • Internetnahes Segment (15 Prozent): Souveräne Intensiv-Nutzer, für die das Internet nicht nur selbstverständliche Infrastruktur, sondern der digitale Lebensstil ein Distinktionsmerkmal gegenüber Gleichaltrigen ist (Internet-Milieus: Effizienzorientierte Performer, Souveräne Realisten, Netz-Enthusiasten).

Des Weiteren gibt es ein internetfernes Segment, das weder an den digitalen Entwicklungen teilhaben kann noch möchte. Vertreter dieses Segments sind nicht nur selbst überwiegend Offliner, sondern sehen auch kaum Potenziale in der generellen digitalen Entwicklung, was sich daran zeigt, dass sie auch für die eigenen Kinder/Enkelkinder nicht wünschen, dass diese früh den Zugang zur digitalen Welt erhalten.

  • Internetfernes Segment (47 Prozent): Zurückhaltende Internetnutzer oder Offliner, die dem Internet eher distanziert gegenüberstehen, Angst vor dem digitalen Wandel haben und sich selbst nicht souverän fühlen, den wahrgenommenen Risiken adäquat begegnen zu können (Internet- Milieus: Internetferne Verunsicherte).

Konkreter Handlungsbedarf ist in hohem Maße beim Segment der Potenzial-Zielgruppen angezeigt: An diesen Internet-Milieus wird sich in den nächsten Jahren entscheiden, ob es gelingt, auf die Bedürfnisse von Menschen mit Teilhabewunsch und -anspruch auch entsprechend eingehen zu können:

  • Segment mit hohem Teilhabepotenzial (38 Prozent): Internetnutzer, die gern mehr online unternehmen würden, als sie es bisher tun – teils aus Sicherheitsbedenken, teils aus selbstzugeschriebener geringer Internetkompetenz. Sie sehen den digitalen Wandel als Chance für die Zukunft, wissen aber nicht, ob sie umfassend teilhaben können oder angesichts bestehender Bedenken/Unsicherheiten wollen (Internet-Milieus: Verantwortungsbedachte Etablierte, Vorsichtige Skeptiker, Unbekümmerte Hedonisten).

Die verschiedenen Zugänge veranschaulicht die folgende Grafik im Überblick:

Kurzgefasst: Zugänge zur digitalen Welt

Teilhaben wollen, aber nicht können: Wie lassen sich die Potenzialgruppen erreichen?

Um die Menschen zu erreichen, die am digitalen Wandel teilhaben wollen, aber nicht können, ergeben sich folgende konkrete Empfehlungen:

a) Haltungen verstehen: Es erfordert ein genaues Verständnis der Treiber und Barrieren der
Internetnutzung, um Alltagshandeln im Online-Kontext nachvollziehen zu können und nicht pauschal als „Unwillen“ oder Desinteresse zu deuten. Gerade die bei den über 60-Jährigen stärker ausgeprägte Gefahrenwahrnehmung sollte ernst genommen und nicht als „Überängstlichkeit“ missverstanden werden.

b) Zugangswege bieten: Viele über 60-Jährige können sich vorstellen, ihre Online-Aktivitäten zu erweitern. Sie betonen deutlich, dass sie mehr über das Internet lernen möchten. Teilweise fehlen ihnen aber die entsprechenden Zugänge. Auch wenn Online-Angebote gemeinhin gern als „intuitiv und selbsterklärend“ angepriesen werden, muss Akzeptanz dafür geschaffen werden, dass sich nicht jeder neue Kenntnisse über den Weg des Ausprobierens erschließen möchte, sondern Erklärungen wünscht und ein genaues Verstehen der jeweiligen Angebote die Voraussetzung für deren Nutzung ist.

c) Vertrauen schaffen: Über 60-Jährige sehen sich selbst als weniger kompetent im Umgang mit dem Internet als jüngere Menschen – obwohl dies mit Blick auf die tatsächlichen Aktivitäten häufig gar nicht der Fall ist, wie die Ergebnisse der Untersuchung zeigen. Sie brauchen vor allem Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und mehr Informationen, wie sie sich im Internet vor Gefahren schützen können, ohne auf digitale Teilhabe verzichten zu müssen.