5.2 Der Ansatz der DIVSI Internet-Milieus

Soziodemografische Merkmale und lebensphasenspezifische Aspekte (hier insbesondere Erwerbstätigkeit versus Ruhestand) erklären vor allem das Ausmaß der Nutzungsintensität bzw. die Zugehörigkeit zur Gruppe der Onliner bzw. Offliner. Mit Blick auf grundlegende Haltungen zu Vertrauen und Sicherheit im Internet, die wesentlich bestimmen, wie sich Menschen im Internet bewegen und welche Vorbehalte, Ängste oder Kompetenzen dabei eine Rolle spielen, helfen diese Unterscheidungsmerkmale allerdings nicht weiter.

DIVSI erforscht daher die digitalen Lebenswelten der Menschen in Deutschland und entsprechende Konsequenzen für Handlungskorridore und Umsetzungspotenziale. Die 2012 daraus entstandenen DIVSI Internet-Milieus1 bilden die jeweils aktuelle digitale Alltagswirklichkeit in der Gesellschaft mit besonderem Fokus auf den Zusammenhängen „Vertrauen und Sicherheit im Internet“ ab.

Mit der DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet wurde 2012 erstmals ein Modell zur Erfassung und Beschreibung digitaler Lebenswelten in Deutschland entwickelt. Die DIVSI Internet-Milieus ermöglichen es, die digitale Gesellschaft in ihrer Komplexität und Heterogenität zu verstehen und Differenzierungen auch jenseits soziodemografischer Merkmale zu erfassen. Mithilfe qualitativer und quantitativer Methoden der Sozialforschung wurden sieben Internet-Milieus identifiziert und in einem Modell verortet, das die vielfältigen Einstellungen zum Internet und entsprechende Nutzungsweisen bevölkerungsrepräsentativ typologisiert.

Die Darstellung der Internet-Milieus spannt sich anhand zweier Achsen auf, der sozialen Lage auf der vertikalen und der Einstellung zum Internet sowie der grundlegenden Werthaltung auf der horizontalen Achse. Je höher ein Internet-Milieu in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung und Einkommen. Je weiter rechts es angesiedelt ist, desto wichtiger und selbstverständlicher ist das Online-Sein.

Das Modell der DIVSI Internet-Milieus verknüpft somit Erkenntnisse auf verschiedenen Ebenen. Neben der sozioökonomischen Positionierung auf der vertikalen Achse (Einkommen, Bildung) bündelt die horizontale Achse drei weitere Ebenen:

  • Nutzungsintensität
  • Einstellung zum Internet
  • Grundlegende Werthaltungen

Durch die Verbindung dieser Ebenen wird die digitale Grundhaltung multiperspektivisch erfasst. Das Modell ist somit weit mehr als eine Nutzertypologie; es liefert eine anschauliche Kartografie der digitalen Gesellschaft.

Zur Pflege dieses Modells gehört die regelmäßige Aktualisierung, um eventuelle Größenveränderungen und Neuformationen der einzelnen Gruppen rechtzeitig zu erfassen und stabile Zeitreihen zu generieren. Lebenswelten verändern sich kontinuierlich im Zuge des Wertewandels und veränderter Lebensbedingungen; über die Zeit ergeben sich nicht nur quantitative Verschiebungen, sondern auch Veränderungen in der Zusammensetzung und der Abgrenzung von anderen Gruppen. Insbesondere mediennutzungsbasierte Zielgruppentypologien wie die DIVSI Internet-Milieus erfordern aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklungen Aktualisierungen in kürzeren Intervallen. Nach der Entwicklung der Internet-Milieus 2012 und einer ersten Datenaktualisierung 2013 wurde das Modell 2016 einem umfassenden Update unterzogen.2) Die in diesem Zuge erfassten aktuellen digitalen Lebenswelten in Deutschland veranschaulicht die folgende Grafik:

DIVSI Internet-Milieus 2016

Auch innerhalb der älteren Bevölkerung existiert eine große Vielfalt digitaler Lebenswelten

Im Zuge des 2016 durchgeführten Updates der DIVSI Internet-Milieus wurde erstmals auch die Verteilung der digitalen Lebenswelten innerhalb der Gruppe der über 60-Jährigen überprüft. Hierbei wurde die gleiche qualitative und quantitative Methodik angewandt wie bei der Stichprobe der Gesamtbevölkerung, d.h., es wurden die exakt gleichen Fragebatterien zur Bestimmung der Milieuzugehörigkeit verwendet.

Die folgende Grafik zeigt die Verteilung der DIVSI Internet-Milieus innerhalb der Gruppe der über 60-Jährigen:

DIVSI Internet-Milieus: Ü60

Zwar sind auch im Alterssegment der über 60-Jährigen alle Internet-Milieus vertreten, es gibt aber im Vergleich zur Gesamtbevölkerung große Unterschiede „an den Rändern“, d.h. bei den besonders internetfernen und besonders internetnahen Milieus: Bei den über 60-jährigen ist die Gesamtgröße der in Blautönen gehaltenen internetfernen Milieus weitaus größer. Dies ist insbesondere bei den Internetfernen Verunsicherten zu sehen, die deutlich mehr Raum einnehmen als in der Gesamtbevölkerung: Während dieses Internet-Milieu knapp die Hälfte der über 60-Jährigen ausmacht, umfasst es in der Gesamtbevölkerung nur einen Anteil von knapp einem Fünftel. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich auf der anderen Seite: Während es unter den Älteren gerade einmal ein Prozent Netz-Enthusiasten gibt, sind dies in der Gesamtbevölkerung 15 Prozent.

Im folgenden Kapitel werden die unterschiedlichen Internet-Milieus der über 60-Jährigen erläutert und beschrieben.

  1. Siehe DIVSI (2012). Eine Aktualisierung der identifizierten Internet-Milieus wurde in 2013 vorgenommen; siehe DIVSI (2013). []
  2. Vgl. DIVSI (2016 []