1.1 Hintergrund, Aufgabenstellung und zentrale Forschungsfragen

Silver Ager, Best Ager, X-Plus-Generation – so lauten die mehr oder weniger gelungenen Wortkreationen zur Beschreibung „älterer Menschen“ in unserer Gesellschaft. Ca. 27 Prozent der deutschen Bevölkerung sind über 60 Jahre alt – Tendenz steigend.

Kein Wunder also, dass seit Jahren Produktindustrien, Interessenvertreter und Medien um die Gunst der Ü60er ringen, sei es hinsichtlich Absatz oder Wählerstimmen. Dennoch ist das Feld der veröffentlichten empirischen Untersuchungen zu den älteren Generationen überschaubar.1 Dies erklärt unter Umständen auch, weshalb diverse Vorurteile und Verallgemeinerungen über diese Gruppe Bestand haben – sowohl in die eine Richtung („die kaufkräftigste und konsumfreudigste Altersgruppe“) wie auch in die andere („technische Analphabeten mit Faible für Volksmusik“).

Auch zur Frage der Teilhabe der älteren Generationen an der digitalen Welt gibt es jenseits der Unterscheidung zwischen Onlinern und Offlinern nur vage Vermutungen; wie sich über 60-Jährige im Internet bewegen, welche Motive und Barrieren ihr Verhalten beeinflussen und welche Haltungen sie bei Fragen zu Vertrauen und Sicherheit im Internet einnehmen, ist noch gänzlich unbekannt. Aufgrund der reinen Abfrage von Online-Zugängen im Haushalt, der Nutzungsintensität und der Gerätenutzung allein2 können hierzu zumindest keine relevanten Erkenntnisse gewonnen werden.

Die vorliegende Untersuchung nimmt daher die über 60-Jährigen in Deutschland und ihr Leben in einer zunehmend digitalisierten Welt näher unter die Lupe. Dabei zeigt sich, dass sich zwar übergeordnete Erkenntnisse zur Gruppe der Älteren in puncto Digitalisierung beschreiben lassen; wesentlicher ist aber festzuhalten, dass es auch in dieser Altersgruppe hierzu äußerst unterschiedliche Denkweisen und Zugänge gibt.

Die Zusammenfassung von über 60-Jährigen (oder gar über 50-Jährigen, wie häufig zu lesen) zu einer „Zielgruppe“, die mit gleichen Angeboten und Dienstleistungen angesprochen werden könnte, ist daher kaum Erfolg versprechend und wird der Vielfalt dieser Alterskohorte nicht gerecht – zumal es sich bei den über 60-Jährigen um eine Gruppe handelt, der in den kommenden Jahren fast jeder Dritte in Deutschland angehören wird.3 Es ist somit sinnvoll, bei den etwas Älteren, d.h. über 60-Jährigen anzusetzen und von dort aus entsprechende Differenzierungen vorzunehmen.

Aber wie unterscheiden sich die über 60-Jährigen in Deutschland voneinander und auch von der Gesamtbevölkerung hinsichtlich ihrer Einstellungen zum Internet und insbesondere mit Fokus auf Vertrauen und Sicherheit in der digitalen Welt? Welche Merkmale und Einstellungen verbinden sie? Welche trennen sie? Um sich diesen Fragen zu nähern, wurde Folgendes operationalisiert:

Zentrale Fragekomplexe der Untersuchung

Ziel der Studie ist es, Einstellungen und Verhaltensmuster der Menschen über 60 Jahren im Kontext Internet in der Tiefe zu verstehen. Dabei geht es darum, detailliert zu erfassen, ob und inwiefern ältere Menschen am digitalen Leben teilnehmen, was Teilhabe dabei genau ausmacht und was die jeweiligen Treiber und Barrieren sind.

Im Zentrum der Studie stehen die folgenden Themenbereiche:

Digitalisierungslevel

  • Wie oft, wie lange, womit und wofür gehen die über 60-Jährigen ins Internet?
  • Offenheit gegenüber dem Internet
  • Selbst zugeschriebene Online-Kompetenz

Chancen und Risiken in der digitalen Welt

  • Wahrgenommene Vor- und Nachteile der Digitalisierung
  • Bewertung von Risiken und daraus folgende Konsequenzen

Einstellungen zu Vertrauen und Sicherheit im Internet

  • Sicherheitsgefühl und Sicherheitsmaßnahmen
  • Wer ist verantwortlich, und wem vertraut man bezüglich Sicherheitsfragen im Netz?

Privatsphäre und Personal Data Economy

  • Umgang mit persönlichen Daten
  • Einstellungen gegenüber der Ökonomisierung der eigenen Daten

Mit der Thematisierung der o.g. Fragen zeichnet die vorliegende Studie erstmals ein umfassendes Bild der über 60-Jährigen in der digitalen Welt. Zusätzliche Alleinstellungsmerkmale der Untersuchung sind zum einen die Möglichkeit des zeitlichen Vergleichs mit der Situation vor vier Jahren; zum anderen können durch die zeitgleich mit der vorliegenden Untersuchung erhobenen Daten für die Gesamtbevölkerung auch etwaige Gemeinsamkeiten und Unterschiede dargestellt werden (vgl. Kapitel 1.2 Forschungsdesign).

  1. Statistisches Bundesamt: Die Generation 65+ in Deutschland. 2015: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressekonferenzen/2015/generation65/Pressebroschuere_generation65.pdf?__blob=publicationFile []
  2. BITKOM: Senioren in der digitalen Welt. 2014: https://www.bitkom.org/Presse/Anhaenge-an-PIs/2014/Dezember/141212-BITKOM-Praesentation-Senioren-in-der-Digitalen-Welt-12-12-2014.pdf []
  3. Bundeszentrale für politische Bildung: Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur: https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61541/altersstruktur []