6.1 Internetferne Verunsicherte (47%)

Internetferne Verunsicherte

Für Internetferne Verunsicherte ist das Internet Neuland, auf das sie sich kaum mehr einlassen möchten. Für die eigene soziale Teilhabe sehen sie es nicht als wichtiges Medium. Internetferne Verunsicherte sind im Umgang mit dem Netz stark überfordert und verängstigt. Die Risikowahrnehmung überlagert deutlich die Chancenperspektive. Das führt letztlich bei den meisten Vertretern dieses Internet-Milieus zu einer rigorosen Meidung des Netzes (Offliner-Anteil: 83 Prozent) und bei einigen wenigen zu einer sehr zurückhaltenden Nutzung. Weil sie sich mit dem Internet kaum auskennen, delegieren sie die Verantwortung für die Sicherheit im Netz vor allem an den Staat und die Unternehmen und nehmen sich selbst vergleichsweise wenig in die Pflicht. Viele wissen aber auch schlicht nicht, was sie zum Thema „Sicherheit im Internet“ sagen könnten, weil sie kaum konkrete Anknüpfungspunkte hierzu haben. Das Internet ist für dieses Internet-Milieu absolutes Neuland (89 Prozent Zustimmung versus Durchschnitt Ü60: 56 Prozent).

Soziodemografisches Profil

Internetferne Verunsicherte weisen einen vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt auf: Drei von vier Milieuangehörigen sind über 70 Jahre alt. In keiner anderen Gruppe ist dieser Anteil höher. Der weitaus größte Teil (75 Prozent) hat einen einfachen formalen Bildungsabschluss erreicht (Durchschnitt Ü60: 58 Prozent). Kein anderes Milieu hat einen nur annähernd so geringen Anteil an formal höher Gebildeten (9 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 21 Prozent). Bedingt durch das hohe Alter (90 Prozent sind Pensionäre) und die niedrige Bildung fällt das Haushaltsnettoeinkommen in dieser Gruppe am geringsten aus: Zwei Drittel haben ein Einkommen von unter 2.000 Euro (Durchschnitt Ü60: 52 Prozent). Ein Drittel hat weniger als 1.500 Euro monatlich (Durchschnitt Ü60: 24 Prozent).

Internetferne Verunsicherte orientieren sich stark an traditionellen Werten wie Sicherheit, Familie, Pflicht- und Akzeptanzwerten. Sie sind insbesondere darauf bedacht, das bisher Erreichte zu sichern und einen harmonischen Lebensabend bei guter Gesundheit im Kreise der Familie zu verleben. Von den großen gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte (Individualisierung, Digitalisierung) fühlen sie sich überfordert.

„Wozu brauche ich jetzt einen Computer? Für die Arbeit brauche ich das nicht. Wenn ich ein Fremdwort suchen will, ich habe mein Lexikon. Da kann ich nachschlagen. Was muss ich da den Kasten einschalten, hochfahren lassen, freischalten, dann ‚Lexikon‘ antippen oder was weiß ich, das Wort eintippen, da habe ich es zehnmal im Buch gefunden.“ (65 Jahre, weiblich)

Die Rolle des Internets in der Lebenswelt der Internetfernen Verunsicherten

Das Internet spielt in keiner anderen Lebenswelt eine so geringe Rolle wie bei den Internetfernen Verunsicherten: Nur 2 Prozent sagen explizit, dass sie am Geschehen im Internet teilhaben wollen (Durchschnitt Ü60: 38 Prozent). Auch betont kein anderes Internet-Milieu stärker, dass es am Knüpfen neuer Kontakte über das Internet kein Interesse hat. Nur ein Bruchteil von 7 Prozent nutzt das Internet mehrmals pro Woche oder täglich (Durchschnitt Ü60: 44 Prozent). Noch am ehesten besitzen Internetferne Verunsicherte einen stationären PC (16 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 41 Prozent); alle anderen digitalen Geräte sind noch viel seltener im Besitz und jeweils weit unterdurchschnittlich verbreitet.

Nutzungshäufigkeit, Gerätebesitz und subjektive Internetkompetenz

Während bei fast allen Internet-Milieus die E-Mail-Kommunikation die häufigste Internet-Aktivität darstellt, ist es bei den Internetfernen Verunsicherten die Informationssuche. Fast alle abgefragten Internet-Aktivitäten nutzen sie viel seltener als der Durchschnitt – Ausnahme ist das Telefonieren über das Internet (z.B. via Skype). Vermutlich ist diese Technologie beliebt, weil man so mit den Familienmitgliedern (v.a. den Enkeln) gut Kontakt halten kann. Soziale Netzwerke sind aber kein Thema in dieser Gruppe.

„Telefonieren oder eine E-Mail geht noch, wenn ich mit Anhängen und irgendwelchen Fotos, das ist noch okay, und dann kann man sie ausdrucken, also Papier daraus machen.“ (61 Jahre, männlich)

Vor dem Hintergrund des hohen Anteils an Offlinern und den niedrigen Nutzungszahlen der Onliner in dieser Gruppe ist es nicht überraschend, dass die Internetfernen Verunsicherten die eigene Internetkompetenz im Milieuvergleich am schlechtesten einstufen: 78 Prozent zählen sich selbst zu den „Anfängern“ (Durchschnitt Ü60: 36 Prozent). Fast durch die Bank bewegt sich diese Gruppe daher auch sehr zurückhaltend im Internet, aus Sorge, Fehler zu machen (93 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 76 Prozent). 90 Prozent geben an, mit dem Internet überfordert zu sein (Durchschnitt Ü60: 59 Prozent).

„Das Internet könnte schon hilfreich sein. Aber dann muss ich ja erst mal wissen, wie es funktioniert, damit es auch wirklich schneller geht. Also, über diesen Punkt muss ich erst hinaus.“ (64 Jahre, männlich)

„Wenn meine Tochter mich nicht umerzogen und mir nicht gesagt hätte, ich soll mir mal so etwas anschaffen, und wenn sie mir dann nicht geholfen hätte, dann hätte ich es wohl kaum alleine geschafft. Das war so, wie wenn ich früher zu ihr gesagt habe: ‚Lesen, schreiben, rechnen.’ Und so hat sie mich jetzt angeschaut und gesagt: ‚Nun probier mal selber!’ Und so habe ich eben damit angefangen.“ (71 Jahre, männlich)

„Wenn mich etwas aus dem Internet interessiert, frage ich meinen Mann: ‚Und? Kann man das auch ausdrucken?’ Der sagt dann: ‚Ja, natürlich kann man das auch ausdrucken.’ Und so kann ich es mir ja dann auch durchlesen.“ (70 Jahre, weiblich)

Einstellungen zum Internet

Vertrauen, Sicherheit und Verantwortung

Dass sich die Internetfernen Verunsicherten dem Netz in so geringem Maße zuwenden, hängt neben der technologischen Überforderung und dem geringen Selbstzutrauen mit der Einschätzung zusammen, dass das Internet ein gefährlicher, weil unübersichtlicher Ort ist. Nur 8 Prozent sehen sich in der Lage, die Sicherheitsrisiken im Internet richtig einzuordnen (Durchschnitt Ü60: 31 Prozent).

Die Verantwortung für Sicherheitsfragen im Internet wird von den Internetfernen Verunsicherten stärker als in allen anderen Gruppen delegiert. Das zeigt der Befund, dass sich dieses Internet-Milieu im Vergleich am stärksten für ein staatlich reguliertes Netz ausspricht (25 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 15 Prozent). Die empfundene Überforderung mit dem Internet spiegelt sich letztlich aber auch darin wider, dass kein anderes Internet-Milieu bei Fragen rund um Sicherheit und Verantwortung häufiger angibt, schlicht nicht zu wissen, wer zuständig sein sollte und worin die Gefahren genau liegen.

„Also, wenn man jetzt sieht, was im Bundestag passiert ist, der ganze Bundestag ist, glaube ich, im Moment noch lahmgelegt. […] Aber dass sie jetzt da diesen Virus noch nicht gefunden haben und dass das ganze System lahmgelegt wird und dass also hochgradige Spezialisten das eingerichtet haben für die Regierung … Da kann man also praktisch das ganze Vertrauen verlieren. Wenn das dort passiert, was ist dann erst bei mir hier?! Was läuft denn da ab? Also, puh, da kann man spekulieren. Aber man darf es nicht …“ (70 Jahre, männlich)

Einstellungen zum Internet

Der Blick in die digitalisierte Zukunft

Mit wesentlich mehr Nachdruck als alle anderen Internet-Milieus äußern Internetferne Verunsicherte die Sorge, dass das Internet den Alltag künftig zu sehr durchdringen wird (84 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 59 Prozent). Diese Angst ist nachvollziehbar, hat diese Gruppe doch die wenigsten Berührungspunkte mit dem Internet und entsprechend das geringste Selbstvertrauen im Umgang damit. Sie möchten sich aber auch nicht mehr darauf einlassen. Nur jeder Fünfte bei den Internetfernen Verunsicherten möchte gern mehr über das Internet lernen, bei den über 60-Jährigen insgesamt ist dies über die Hälfte (Durchschnitt Ü60: 52 Prozent).

Einstellungen zum Internet

Internetferne Verunsicherte sind weniger der Ansicht, dass Kinder möglichst früh an das Internet herangeführt werden sollen (30 Prozent versus Durchschnitt Ü60: 43 Prozent). In weiten Teilen dieser Gruppe wird die Meinung vertreten, dass es „auch ohne das Internet gehen muss“ oder dass das Internet sogar schädlich für junge Leute ist. Nicht überraschend ist daher, dass kaum internetfähige Geräte in den Wohnungen dieses Internet-Milieus zu finden sind. Zu Hause wird Technik, so weit es geht, aus dem Sichtfeld verbannt; wenn Fernseher oder Stereoanlage beispielsweise nicht genutzt werden, verschwinden sie hinter den Türen eines TV-/HiFi-Schranks.

Wohnwelten der Internetfernen Verunsichertern Ü60