2.1 Vertrauen mit dem ersten Klick? – Über die Bildung von Vertrauen im Internet

Theorien über die Entstehung von Vertrauen nehmen an, dass sich das Vertrauen graduell über die Zeit hinweg entwickelt (Lewicki, Tomlinson, & Gillespie, 2006). Beim ersten Kennenlernen einer Person steht zunächst die Frage im Raum, ob es sich lohnt zu vertrauen oder ob eine weitergehende Interaktion zu hohe Risiken birgt. Diese Frage kann als eine reine Kosten-Nutzen-Abwägung verstanden werden und wird entsprechend auch als kalkulatives Vertrauen bezeichnet (Lewicki & Bunker, 1995; 1996). Hat man bereits eigene Erfahrungen mit dem Vertrauensgegenstand machen können oder von Dritten Wissen darüber eingeholt, wird die Vertrauenswürdigkeit einer Person anhand dreier wesentlicher Faktoren beurteilt: die wahrgenommene Kompetenz, Integrität sowie das Wohlwollen (Mayer, Davis & Schoorman, 1995). Besteht bereits längerfristiger Kontakt zu einer Person bzw. einer Institution, beruht das Vertrauen zusätzlich auf der Identifikation mit der anderen Person. Dieses emotional basierte Vertrauen drückt sich in einer von gegenseitiger Fürsorge geprägten und wohlwollenden Beziehung aus (McAllister, 1995).

Auch im Internet kann die Bildung von Vertrauen auf kalkulativen, wissensbasierten oder emotionalen Faktoren beruhen. In der Internet-Umgebung ist die Entwicklung des Vertrauens im Vergleich zu persönlichen face-to-face-Treffen jedoch mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Eine Herausforderung kann die Unklarheit darüber sein, wem eigentlich vertraut oder misstraut wird. Oftmals sind beispielsweise Herausgeber von Internet-Seiten, Online-Shops oder die Leserschaft eines Internet-Forums nicht eindeutig identifizierbar (Flanagin & Metzger, 2007). Zudem sind viele Begegnungen und Interaktionen im Internet flüchtig und schnelllebig (Corritore, Kracher & Wiedenbeck, 2003). Beispielsweise entscheidet der Nutzer mit dem Anklicken einer Website oder beim Einloggen in einen Chatroom, ob er vertraut und entsprechend die Online-Dienste weiter nutzen will oder ob er andere Seiten bevorzugt. Weiterhin ist im Netz eine Kontrolle des Gegenübers über die Distanz hinweg nur schwer möglich (Jarvenpaa, Knoll & Leidner, 1998). Internet-Nutzer kooperieren mit Personen, die sie nie zuvor gesehen oder gesprochen haben, ohne überprüfen zu können, wer diese Personen in Wirklichkeit sind oder was sie tatsächlich gerade tun.

Trotz dieser Herausforderungen kann sich Vertrauen im Netz schnell und auf Grundlage weniger Hinweisreize entwickeln (McKnight, Cummings & Chervany, 1998; Meyerson, Weick & Kramer, 1996). Dieses anfängliche, flüchtige Vertrauen wird auf Grund von Erfahrungswissen Dritter und ersten heuristischen Eindrücken gebildet. Nutzer vertrauen Websites, Online-Informationen oder anonymen Personen im Netz, weil beispielsweise Freunde von positiven Erfahrungen berichten, weil sie zu bestimmten Marken positive Assoziationen haben oder weil sie sich darauf verlassen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass einem nichts Schädliches widerfährt. Ein Nutzer zieht demnach zur anfänglichen Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Internet Hinweisreize wie beispielsweise Design-Elemente oder Informationen über Sicherheitszertifikate heran. Dieses Vertrauen wird als flüchtig beschrieben, da es mit zunehmender Erfahrung mit ein und demselben Internet-Angebot entweder verstärkt wird oder aber bei negativen Ereignissen schnell in Misstrauen umschlagen kann.