Geleitwort

Von Dr. Göttrik Wewer

Wie jede technische Innovation birgt das Internet Chancen und Risiken. Wenn das riesige Potenzial, welches das Netz für unser künftiges Leben, Arbeiten und Wirtschaften bietet, auch nur annähernd ausgeschöpft werden soll, dann müssen sich die Menschen darin sicher fühlen, dann müssen sie dem Medium vertrauen. Das gilt für E-Commerce ebenso wie für E-Government, aber auch schon für die Beschaffung von Informationen sowie soziale Kontakte.

Vertrauen ist schwer greifbar. Es ist ein Gefühl, ein Geschenk, das man nicht erzwingen kann. Man muss es gewinnen, sich erarbeiten. Es baut sich nur langsam auf, kann aber auf einen Schlag wieder zerstört werden. Es ist eine Art Risikokapital, bei dem man, wenn man es investiert, viel gewinnen, aber auch bitter enttäuscht werden kann. Vertrauen brauchen wir, wenn wir die Folgen unseres Handelns nicht völlig übersehen und uns abhängig von anderen machen. Wenn wir Risiken eingehen müssen.

In der virtuellen Welt ist Vertrauen noch schwerer aufzubauen als in der realen Welt. Weil wir das Gegenüber nicht immer persönlich kennen, weil sich jemand im Netz für etwas ausgeben kann, was er gar nicht ist, weil es Angebote gibt, die wir vorher noch nie ausprobiert haben, und weil sich alles so rasant entwickelt, dass häufig noch keine gesicherten Erfahrungen vorliegen. Außerdem tummeln sich auch Kriminelle im Internet.

Wie gehen die Menschen mit diesen Risiken um? Wie sehr vertrauen oder misstrauen sie „dem“ Internet und bestimmten Anbietern, Diensten oder Informationen? Um das zu erfahren, kann man die Menschen befragen. Der folgende Überblick über die Umfragen, die zu diesem Thema vorliegen, und deren wichtigste Ergebnisse zeigt, dass dieses Instrument auch kräftig genutzt wird. Das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) hat dazu mit der Milieu-Studie (2012) und der Entscheider-Studie (2013) auch schon eigene Beiträge geliefert.

Wie aber misst man das Vertrauen, das die Menschen dem Internet, bestimmten Anbietern und spezifischen Diensten entgegen bringen, wenn man sie nicht selbst befragen kann? Dann braucht man Indikatoren, an denen man hilfsweise ablesen kann, ob die Menschen den jeweiligen Angeboten vertrauen oder nicht. Das kann die Anzahl der Nutzer sein, die darauf zurückgreifen, die Häufigkeit und Intensität der Nutzung oder ein anderer Indikator, der Rückschlüsse zulässt auf das investierte Vertrauen. Welche Indikatoren genutzt werden, um Vertrauen im Internet zu messen, und welche Faktoren aus der Sicht der Forschung das Vertrauen beeinflussen, zeigt der folgende Überblick ebenfalls. Dabei wird unterschieden zwischen einem kalkulativen Vertrauen, das auf einer nüchternen Kosten-Nutzen- bzw. Risikoanalyse beruht, einem wissensbasierten Vertrauen, das sich auf direkte oder indirekte Erfahrungen von Kompetenz, Integrität und Wohlwollen stützt, und einem emotionalen Vertrauen auf der Grundlage von gegenseitiger Fürsorge und Unterstützung.

Die Kriminologie unterscheidet zwischen subjektivem Sicherheitsgefühl und objektiver Sicherheitslage. Beides klafft in der Regel mehr oder weniger deutlich auseinander. Das Gefühl, dem Internet und seinen Angeboten trauen zu können, und die Fakten, ob dieses Gefühl berechtigt ist oder nicht, müssen ebenfalls nicht übereinstimmen. Die Menschen verhalten sich – aus Gründen, die hier nicht zur Debatte stehen – nicht immer so, wie sie sich äußern, und sie sind in dem, was sie tun, nicht immer konsequent. So misstrauen zum Beispiel nach einer BITKOM-Umfrage 62 Prozent der Facebook-Nutzer dieser Plattform, nutzen sie aber dennoch. Bei allen abgefragten sozialen Netzwerken gab jeweils mindestens die Hälfte der Befragten an, der Plattform eher nicht oder gar nicht zu vertrauen.

Der folgende Überblick zeigt nicht nur, welche Faktoren Vertrauen stärken können, sondern auch, wie die Wissenschaft widersprüchliches Verhalten erklärt. Das alles besser zu verstehen, kann nicht schaden. Denn am Internet kommt niemand mehr vorbei.

Wir sind dem Team vom DFG-Graduiertenkolleg „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sehr dankbar für diesen ausführlichen Literaturüberblick und die ausgezeichnete Zusammenarbeit und wünschen ihrem Diskussionsbeitrag viele interessierte Leserinnen und Leser.