5.2 Wie stark vertraut der Internet-Nutzer Informationen im Internet?

Die Datenlage zum wahrgenommenen Vertrauen in Online-Informationen zeigt, dass Informationsangeboten im Internet eher weniger vertraut wird. Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) hat in einer Studie 2012 das Vertrauen von Jugendlichen in die Berichterstattung der Medien erfasst. Die Hälfte der Jugendlichen gab an, der Tageszeitung am meisten zu glauben. Dem Fernsehen schenkten 22 Prozent der Befragten das höchste Vertrauen, dem Radio 17 Prozent. Das Schlusslicht bildete das Internet mit elf Prozent.

Auch eine Studie der Europäischen Kommission hat ergeben, dass nur 27 Prozent der EU-Bürger im Jahr 2012 dem Medium Internet vertrauten, während den Medien Radio (66 Prozent), Fernsehen (59 Prozent) und Presse (50 Prozent) im Durchschnitt mehr als doppelt so viele Bürger vertrauten (Europäische Kommission, 2012).

Eine differenzierte Betrachtung von Umfrage-Ergebnissen zum Vertrauen in Online-Informationen lässt erkennen, dass das Vertrauen stark in Abhängigkeit der Darstellung der Inhalte variiert. Bei einer Befragung von EU-Bürgern zur Glaubwürdigkeit von Informationsquellen im Internet gaben 38 Prozent der europäischen Internet-Nutzer an, Websites von Institutionen mehr zu vertrauen als privaten Websites (Europäische Kommission, 2012). Eine Befragung zur Vertrauenswürdigkeit von Internet-Seiten zum Thema Gesundheit (Horizont, 2010) zeigt zudem, dass Internet-Nutzer ihr Urteil zur Vertrauenswürdigkeit dargestellter Informationen in Abhängigkeit vom Herausgeber einer Website variieren: So gaben 58 Prozent der Befragten an, Beratungsangeboten von Ärzten zu vertrauen. Viele vertrauten auch Seiten von Krankenkassen (56,8 Prozent) und Gesundheitsportalen (56,8 Prozent). Weniger vertraut wurde Seiten von Ministerien (44 Prozent), Zeitungen (42,9 Prozent), Gesundheitsforen (39,6 Prozent) und Blogs (30,4 Prozent). Am wenigsten vertraut wurde Seiten von Pharmaunternehmen (26,7 Prozent). Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass die Quellen sowie die vermuteten Motive eines Herausgebers einen maßgeblichen Einfluss auf die Vertrauenswahrnehmung haben.

Um dies zu untersuchen, sind experimentelle Studien hilfreich, die dieselben Informationsinhalte in unterschiedlicher Weise bzw. auf unterschiedlichen Websites präsentieren und dann Versuchsteilnehmern zur Bewertung der Vertrauens- bzw. Glaubwürdigkeit vorlegen. Mittels einer experimentellen Studie des College of New Jersey und der Pennsylvania State University konnte gezeigt werden, dass die Versuchsteilnehmer den gleichen Gesundheits-Informationen mehr Glauben schenkten, die auf einer Website einer Organisation dargestellt waren, als denen auf einer privaten Homepage oder in einem Blog (Hu & Sundar, 2010). Erklärt werden konnte dieser Effekt dadurch, dass die Teilnehmer der Studie die Wahrscheinlichkeit, dass Redakteure die veröffentlichte Information kontrollieren und publizieren, auf Websites höher einschätzten als auf privaten Homepages oder in Blogs. Auch Forscher der University of California konnten zeigen, dass Nachrichten, die auf einer Website einer Nachrichtenorganisation veröffentlicht wurden, als glaubwürdiger wahrgenommen wurden als Nachrichten von E-Commerce-Seiten, Nachrichten einer Interessensgruppe oder privater Homepages (Flanagin & Metzger, 2007). Diese Ergebnisse machen deutlich, dass sowohl die Medienwahl als auch das Darstellungsformat bzw. die Quelle der Informationen das Vertrauen der Rezipienten in die Zuverlässigkeit der Informationen maßgeblich beeinflussen können.

Bezüglich des tatsächlichen Vertrauensverhaltens liegen nur wenige Daten in Bezug auf Online- Informationen vor. Oftmals kann im Rahmen von repräsentativen Umfragen das tatsächliche Verhalten, das durch eine Online-Information beeinflusst wird, nicht beobachtet werden. Entsprechend wird in Befragungsstudien häufig rückblickend danach gefragt, wie sehr spezifische Online-Informationen das Verhalten einer Person tatsächlich beeinflusst haben. In einer Umfrage von Harris Interactive (2008) wurden die Internet-Nutzer direkt gefragt, ob sie sich in ihrem Kaufverhalten von Informationen aus dem Netz beeinflussen ließen. Der Studie zufolge ließen sich über 86 Prozent der Onliner bei der Reiseplanung von Informationen aus dem Netz beeinflussen. Beim Kauf von elektronischen Geräten gaben über 60 Prozent der Internet-Nutzer an, sich auf Online-Informationen verlassen zu haben. Auch bei persönlichen Finanzentscheidungen wie der Beantragung einer Kreditkarte, der Verlängerung einer Kfz-Versicherung oder dem Kauf von Finanzprodukten wie Aktien oder Fonds machten über 50 Prozent der Konsumenten ihre Entscheidung von Informationen aus dem Netz abhängig. Ein hohes Vertrauen scheinen insbesondere Online-Informationen über Reiseprodukte zu genießen. 77,5 Prozent der Nutzer von Online-Informationen zur Reiseplanung gaben an, Informationen auf Bewertungsportalen oder in Netzwerken vertraut zu haben. Auf Informationen aus Reiseportalen oder Blogs vertrauten 76,2 Prozent (Digital Media Center, 2010). Eine weitere Studie zeigt, dass von mehr als der Hälfte der befragten Onliner die Informationen über Reiseangebote im Netz zugleich als Bezugsquelle zur tatsächlichen Buchung von Reise- und Touristikprodukten genutzt wurde (AGOF e. V., 2012).

Umfragen in Bezug auf Gesundheitsinformationen im Internet lassen ebenfalls vermuten, dass Personen diesen Informationen Glauben schenken und in Folge dessen auch ihr Handeln ausrichten: In einer Umfrage des Pew Research Centers in den USA gaben 35 Prozent der Befragten an, im Netz Informationen zu einer bestehenden Krankheit gesucht zu haben. Das Vertrauen der Befragten in diese Informationen lässt sich nun indirekt anhand des folgenden Ergebnisses ablesen: 46 Prozent der Leser von Online-Gesundheitsinformationen sagten, dass die Informationen dazu geführt haben, dass sie einen Arzt aufgesucht haben (Pew Research Center’s Internet & American Life Project, 2013). Eine Pew-Studie von 2002 zeigt weiterhin, dass Online-Gesundheitsinformation das Verhalten der Befragten auf ganz verschiedene Art und Weise beeinflussen kann. Die Internet-Nutzer gaben an, dass die Informationen einen Einfluss darauf hatten, wie sie mit ihrer Krankheit umgegangen sind (44 Prozent), dass die Informationen dazu geführt haben, dem Arzt weitere Fragen zu stellen oder eine zweite Meinung einzuholen (38 Prozent), und dass die Informationen ihre Denkweise über Stress, Diäten und/oder Training verändert haben (30 Prozent).

Zusammengefasst zeigen diese Studienergebnisse, dass Online-Informationen sehr unterschiedlich vertraut wird. Daten zur subjektiven Einschätzung des Vertrauens verdeutlichen, dass dem Medium Internet im Allgemeinen wesentlich weniger Vertrauen geschenkt wird als den Medien Fernsehen, Radio und Print. Daten zum Verhalten in Folge des Lesens von Online-Informationen zeigen hingegen, dass Internet-Nutzer sich stark von Online-Informationen beeinflussen lassen. Dies scheint ein deutlicher Indikator zu sein, dass Personen sehr wohl den Informationen im Internet vertrauen, obwohl ihnen die Risiken in Bezug auf Fehleranfälligkeit der Informationen oder bewusst verzerrte Darstellungen bekannt sind. Auf Grund dieser tendenziellen Unterschiede zwischen subjektiven Einschätzungen des Vertrauens einerseits und Verhaltensdaten auf der anderen Seite ist es notwendig, in zukünftigen Studien sowohl subjektive als auch objektiv beobachtbare Verhaltensdaten an den gleichen Personen sowie bezüglich der gleichen Informationen zu erheben, um belastbare Aussagen über die Vertrauenslage in Online-Informationen treffen zu können.