2.2 Vertrauen ausgedrückt in Zahlen – Wie man Vertrauen messen kann

Kennt man die Besonderheiten, unter denen Vertrauen im Internet entsteht, stellt sich die Frage, woran man erkennen kann, ob Menschen dem Internet vertrauen. Eine Möglichkeit zur Messung des Vertrauens besteht darin, Internet-Nutzer mittels Fragebogen-Verfahren direkt nach ihrem wahrgenommenen Vertrauen zu fragen. Beispielsweise kann gefragt werden, wie sehr sie einer spezifischen anderen Person vertrauen oder wie sehr aus ihrer Sicht eine Institution ihre Verpflichtungen oder Versprechen erfüllt (McEvily & Tortoriello, 2011). In Bezug auf das Vertrauen werden mit Fragebogen-Verfahren vor allem die subjektive Wahrnehmung und Erwartungen einer Person bezüglich des Verhaltens der anderen Seite sowie ihre damit verbundenen eigenen Verhaltensabsichten erfasst (Rousseau et al., 1998).

Darüber hinaus gibt es indirekte Wege, das Vertrauen von Internet-Nutzern zu messen. Die Befragten sollen dann nicht direkt ihr Vertrauen angeben, sondern sie werden gebeten, Eigenschaften oder Verhaltensweisen an einer Person oder einem Vertrauensgegenstand zu bewerten, von denen man aus vorherigen Forschungsstudien weiß, dass sie eng mit Vertrauen zusammenhängen. Da laut Mayer und Kollegen (1995) das Vertrauen vor allem auf der Basis der drei Vertrauenswürdigkeitsfaktoren Kompetenz, Integrität und Wohlwollen entsteht, können Personen entsprechend gefragt werden, wie kompetent und qualifiziert, wie hilfsbereit und fürsorglich oder wie gerecht und prinzipientreu sie eine andere Person, eine Website oder einen Internet-Beitrag einschätzen (Mayer & Davis, 1999).

Ein weiterer indirekter Weg, das Vertrauen zu erfassen, ist die Messung des Vertrauensverhaltens einer Person. Man sucht also Anhaltspunkte im Verhalten einer Person, die darüber Aufschluss geben, ob sie vertraut oder nicht. Beispielsweise kann das Preisgeben persönlicher Informationen in Internet-Foren ein Indikator dafür sein, wie sehr Personen der Foren-Leserschaft vertrauen. Das tatsächliche Entscheidungs- oder Kaufverhalten einer Person, die zuvor Online-Informationen gelesen hat, kann als Maß dienen, wie sehr sich der Leser auf die Empfehlungen der zuvor gelesenen Information verlässt. Auch tatsächlich durchgeführte Transaktionen sprechen für das Vertrauen des Kunden in das System bzw. die Bank. In der virtuellen Zusammenarbeit können Faktoren wie die bewusste Entscheidung für eine Zusammenarbeit bei möglichen Alternativen oder das Unterlassen von Kontrollen einen Vertrauensindikator darstellen.

Eine Schwierigkeit bei der Messung von Vertrauensverhalten im Internet besteht allerdings darin, dass das Nutzungsverhalten im Netz durch weitere Faktoren beeinflusst werden kann, wie beispielsweise eine wahrgenommene Alternativlosigkeit. Bei der Frage nach Gründen für die persönliche Internet-Nutzung wurde in einer europäischen Studie beispielsweise das Sparen von Zeit, das Aufrechterhalten von Kontakten zu Freunden sowie das Treffen besserer Entscheidungen angegeben (McRoberts & Terhanian, 2008). Diese Auskünfte allein sagen noch nichts über das Vertrauen einer Person in das Internet aus. Das Nutzungsverhalten kann jedoch dann als Indiz für eine Vertrauenshandlung interpretiert werden, wenn die Person bewusst ein Risiko bei der Ausführung ihrer Handlung in Kauf genommen hat (Mayer et al., 1995). Denn die Nutzer haben in einer Online-Risiko-Situation die zuversichtliche Erwartung, dass die eigene Verletzbarkeit nicht ausgenutzt wird (Corritore, Kracher & Wiedenbeck, 2003; Mayer et al., 1995). Will man also die Vertrauenslage im Internet betrachten, muss die subjektive Vertrauenswahrnehmung von dem Vertrauensverhalten der Nutzer unterschieden werden. Gleichzeitig ist es im Zusammenhang mit dem Vertrauen im Internet bedeutsam, das wahrgenommene Risiko der Nutzer sowie die aktuelle Risiko-Lage zu kennen.