6.2 Vertrauen – der Katalysator virtueller Zusammenarbeit

Das Vertrauen spielt für die erfolgreiche Zusammenarbeit in virtuellen Teams eine entscheidende Rolle, da es Individuen ermöglicht zu kooperieren, ohne einander überprüfen oder kontrollieren zu müssen (Costa & Bijlsma-Frankema, 2007). Für die traditionelle face-to-face-Zusammenarbeit konnte bisher mehrfach nachgewiesen werden, dass Teams, in denen ein hohes gegenseitiges Vertrauen herrscht, effektiver zusammenarbeiten als Teams, die sich weniger vertrauen (Colquitt, Scott, & LePine, 2007; Dirks & Ferrin, 2001). Eine aktuelle Studie der Universität Münster konnte zeigen, dass das gegenseitige Vertrauen für die Teameffektivität noch bedeutsamer ist, wenn Teammitglieder virtuell anstatt face-to-face zusammenarbeiten (Heckersbruch, Hüffmeier & Hertel, in Vorbereitung).

Ein möglicher Grund für die Bedeutung des Vertrauens bei der virtuellen Zusammenarbeit ist die reduzierte Sichtbarkeit des Arbeitsengagements der Kollegen (Cascio, 2000). Denn die Erwartung über die Anstrengung der anderen Teammitglieder hat nachweislich einen hohen Einfluss auf die eigene Anstrengungsbereitschaft und damit letztlich auch auf die Gruppenleistung (Karau & Williams, 1993). Vertraut man den Teamkollegen nicht, erwartet man von ihnen also einen geringen Arbeits- einsatz, würde man gleichsam die eigene Anstrengung reduzieren, um nicht ausgebeutet zu werden (Kerr, 1983).

Eine häufige Herausforderung hoch virtueller Teams ist zudem die starke Zeitverzögerung in der Kommunikation (Cramton, 2001). Ein Ausbleiben von Antworten kann ohne ein Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Kollegen schnell zu Unsicherheit führen. Hinzu kommt die Tatsache, dass Teammitglieder oftmals die Situation ihrer Kollegen vor Ort nicht kennen (Cramton, 2001). Ein psychologischer Effekt, der in diesem Zusammenhang relevant ist, ist der „fundamentale Attributionsfehler“ (Weiner, 1986). Demnach neigen Personen dazu, bei geringen Informationen über die Situation das Verhalten anderer durch stabile Persönlichkeitseigenschaften zu erklären. Ereignet sich also ein negativer Vorfall bei der Zusammenarbeit und hat man zugleich wenig Wissen über die Umgebungsbedingungen des anderen, wird man diesen eher als negative Persönlichkeitseigenschaft seines Kollegen deuten als den Grund in der Situation zu suchen.

In Bezug auf den Online-Kontext konnte in einer experimentellen Studie gezeigt werden, dass E-Mails mit Form- oder Grammatikfehlern dazu führen, dass die Absender als weniger intelligent, gewissenhaft und vertrauenswürdig wahrgenommen werden (Vignovic & Thompson, 2010). Erhalten die Probanden jedoch die Information, dass der Absender aus einer anderen Kultur stammt, nehmen sie den Absender weniger negativ wahr. Das Vertrauen spielt unter anderem im virtuellen Kontext also eine so bedeutende Rolle, weil es dazu führt, dass sich Teammitglieder auch beim Ausbleiben von Antworten darauf verlassen, dass Personen ihre Arbeit gewissenhaft machen und sich verzögerte Antworten durch Gründe in der Situation erklären, wie beispielsweise einen hohen Arbeitsaufwand oder Schwierigkeiten, einen Internet-Zugang zu bekommen. Bei hohem gegenseitigen Vertrauen ist das Team in der Lage, sich weniger auf Probleme als auf die Konfliktlösung und Aufgaben sowie Prozesse zu fokussieren (Jarvenpaa & Leidner, 1999), wodurch auch das Team effektiver funktionieren kann.