4.3 Soziale Funktionen in Websites – Trust needs touch

Ein Mangel an zwischenmenschlichem Kontakt wird von Konsumenten teilweise als Vertrauensbarriere gegenüber dem Online-Händler empfunden (Riegelsberger & Sasse, 2002). Insbesondere durch die Trends des sogenannten Web 2.0 gibt es viele Möglichkeiten, diese Barriere zu überwinden. Soziale Funktionen in Websites reichen von der persönlichen Gestaltung der Internet-Seiten, beispielsweise durch Mitarbeiterfotos, bis hin zu interaktiven Elementen wie Kundenchats und Bewertungsmöglichkeiten von Kunden (z. B. Cyr, Head, Larios, & Pan, 2009; Hess, Fuller, & Campbell, 2009; Kumar & Benbasat, 2006). Darüber hinaus liegt nahe, dass eine Vertrauensbildung häufig zwischenmenschlichen Kontakt benötigt, „trust needs touch“ (Handy, 1995, S. 46). Umfragen zum Autokauf im Internet haben gezeigt, dass für 14 Prozent der Befragten eine der wichtigsten Website-Funktionalitäten die Kontaktmöglichkeit zu Mitarbeitern darstellt (Capgemini, 2010, S. 14). Wenn man bedenkt, dass zudem etwa jeder fünfte Autokäufer mangelnde Kontaktmöglichkeiten über die Website oder per Telefon als Hindernis beim digitalen Einkauf empfindet (Capgemini, 2010, S. 14), wird insgesamt deutlich, dass der persönliche Kontakt zum Online-Verkäufer bzw. zum Unternehmen ein nicht zu vernachlässigender Aspekt im Internet-Handel ist.

Beim Kontakt mit Online-Händlern nutzen Konsumenten viele verschiedene Kommunikationskanäle. Dabei spielt nach wie vor der telefonische Kontakt noch vor der E-Mail und der Kontaktaufnahme über soziale Netzwerke die größte Rolle (Mind Business Consultants, 2011, S. 56). Wenn ein Mitarbeiter sich über einen Chat oder auch seine E-Mail-Signatur klar als Individuum zu erkennen gibt, kann dies zum Vertrauensaufbau beitragen. Durch die Handlung, sich identifizierbar zu machen, setzt sich der Mitarbeiter der Gefahr zielgerichteter Beschwerden aus. Die Beratung und Hilfestellung kann genau auf einen individuellen Mitarbeiter zurückgeführt werden, wodurch Missfallen und Fehler auch vom Unternehmen bzw. den Vorgesetzten des Mitarbeiters registriert werden können. Das Bewusstsein, für seine eigenen Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden zu können und verantwortlich zu sein, ist für soziales Handeln wichtig. Studien haben gezeigt, dass sich unter medialen Bedingungen mit gefühlter Anonymität häufiger asoziales Verhalten feststellen lässt (Rockmann & Northcraft, 2008; Zimbardo, 1969).

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Vertrauenseinschätzung ist die Rolle von Erwartungen. Allgemein entwickelt sich Vertrauen zwischen zwei Parteien, wenn das Gegenüber sich gemäß der eigenen Erwartungen verhält (Blau, 1964; Giffin, 1967; Luhmann, 1979). Dies hängt auch damit zusammen, welches Verhalten als subjektiv „normal“ für bestimmte Situationen empfunden wird. Wer durch „anormales“ Verhalten ohne Erklärung des Verhaltens aus der Reihe fällt, wird als eher nicht vertrauenswürdig wahrgenommen (McKnight et al., 1998). In Bezug auf die Online-Kommunikation kann dies bedeuten, dass beispielsweise ein Kunde die zügige Beantwortung seiner gesendeten Nachricht erwartet, der Online-Händler sich jedoch mit der Beantwortung der Nachricht Zeit lässt. Dies kann schnell zu einem Vertrauensverlust führen, wenn die Gründe für das Verzögern der Nachricht (z. B. hohe Arbeitsbelastung durch Weihnachtsgeschäft) im Verborgenen bleiben (Cramton, 2001).

Neben der Kommunikation zwischen Kunden und Mitarbeitern von Online-Shops nimmt der Stellenwert der Kommunikation von Kunde zu Kunde durch die zunehmende Bedeutung von Kundenbewertungen und -rezensionen im Internet zu (Deutsche Post DHL, 2012, S. 31). Umfragen zeigen, dass die meisten Internet-Nutzer Kundenrezensionen lesen und diese vor ihrem Kauf nutzen (Fittkau & Maaß Consulting, 2009). Die hohe Beliebtheit liegt sicher auch an der empfundenen Nützlichkeit sowie der positiven Wirkung auf das Vertrauen (8thBridge, 2012; Benlian, Titah, & Hess, 2012; Utz, Kerkhof, & van den Bos, 2012; Nielsen, 2010; Kumar & Benbasat, 2006).

Obwohl sich allgemein feststellen lässt, dass Kundenbewertungen und -rezensionen vertrauensfördernd sind, zeigen manche Nutzer kein Vertrauen, da sie Angst vor vorgetäuschten Bewertungen haben (Nielsen, 2010; Smavel, 2011). Dass diese Angst nicht unbegründet ist, zeigt ein Fall, in dem Herausgeber von Büchern gezielt Kundenrezensionen veranlasst haben (Die Welt, 2012; Rosmann, 1999). Bei der Beurteilung, ob eine Kundenrezension vertrauenswürdig ist oder nicht, spielt die Absicht des Gegenübers eine entscheidende Rolle. Auch wenn diese Intentionen von Individuum zu Individuum unterschiedlich sein mögen und sich von Fall zu Fall ändern können, lässt sich allgemein feststellen, dass Unternehmen primär ein geschäftliches Interesse und Konsumenten im gegenseitigen Informationsaustausch kein geschäftliches Interesse verfolgen. Daraus resultiert, dass Unternehmen Informationen in der Regel unter dem Gesichtspunkt einstellen, inwieweit die Information zur Kaufentscheidung förderlich ist, während Kunden auch abratende Informationen bzw. Negativbewertungen kommunizieren. In letzterem Fall ist demnach von einer größeren Unabhängigkeit und somit Unverfälschtheit auszugehen. Die Folge ist, dass die Meinung der Kunden als vertrauensvoller als die des Online-Händlers wahrgenommen wird (Kumar & Benbasat, 2006).

Ein ähnliches Beispiel für den Vertrauensaufbau durch soziale Funktionen auf Websites sind die Profile von Online-Shops in sozialen Netzwerken. In Facebook haben mittlerweile viele Internet-Händler ein Profil, obgleich der direkte Einkauf über Facebook noch als relativ unattraktiv eingestuft wird (EHI Retail Institute, 2012, S. 44; Fittkau & Maaß Consulting, 2012). Da die Anzahl der „Fans“, d. h. Internet-Nutzer, die ihre persönliche Seite mit der des Shops verbunden haben, für Unternehmen als wichtigste Erfolgsmessung gilt (ibi research, 2011), kann diese als eine Art der Kundenbewertung des eigenen Shops eingeschätzt werden. Auch für die Internet-Nutzer mag eine hohe Anzahl an „Fans“ dafür sprechen, dass ein Unternehmen vertrauenswürdig ist. Hierbei ist unter Vertrauensgesichtspunkten eher der Aspekt der Reputation als der der Unternehmensgröße relevant, da auch ein kleines Unternehmen eine hohe Reputation haben kann bzw. ein großes Unternehmen nicht zwangsläufig eine gute Reputation haben muss (Koufaris & Hampton-Sosa, 2004). Diese Erfolgsmessung ist allerdings manipulierbar (FAZ.NET, 2011). „Fans“ lassen sich kaufen, beispielsweise „100 echte Fans“ bereits für 24,90 Euro (fanslave, 2012). Ab 200 gekauften Fans gibt es bereits Mengenrabatt. Die Einschätzung, dass viele „Fans“ ein vertrauenswürdiges Signal sind, kann also trügerisch sein. Es lässt sich insgesamt feststellen, dass Kundenbewertungen oder „Fans“ nicht nur für Produkte, sondern auch für die Bewertung von Online-Shops selbst sehr wichtig geworden sind. Dies zeigt auch eine Umfrage über aktuelle Trendthemen wie dem Kauf über Facebook oder die Nutzung von Youtube und Twitter, in der Online-Händler in Bewertungs- und Verbraucherportalen die größte Bedeutung für ihren Erfolg sehen (Der Handel, 2011, S. 12). Dies wird auch von der Kundenseite so gesehen, da in einer Umfrage 80 Prozent der Befragten der Aussage „Andere Kunden bewerten den Shop positiv“ eine hohe Wichtigkeit zusprechen (D21 & bvh, 2012b).

Der Einblick in die Risiken des Internets im vorigen Abschnitt sowie die Ausführungen in diesem Abschnitt haben gezeigt, dass es trotz Risiken und Unsicherheiten eine breite Vertrauensbasis für den Einkauf im Internet gibt. Es gibt viele Möglichkeiten, Online-Shops vertrauenswürdig zu gestalten. Davon können auch Betrüger Gebrauch machen. Obgleich somit viele Indikatoren, die für eine vertrauenswürdige Website sprechen, unter Vorbehalt zu sehen sind, gibt es Gründe für einen optimistischen Ausblick. Einerseits bieten Online-Gütesiegel eine Einschätzung von Online-Shops aus unabhängiger Quelle, andererseits gewinnen die Kunden selbst an Einfluss gegenüber den Online-Händlern: Sowohl die Bewertung von Produkten als auch die von Online-Shops gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Konsumenten haben es somit selbst in der Hand, durch ihre Meinung die Vertrauenswürdigkeit von Internet-Angeboten zu beurteilen und somit auch unerfahrenen Nutzern unterstützend zur Seite zu stehen.