6.1 Die Bedeutung virtueller Arbeitsformen

Der starke Entwicklungsfortschritt elektronischer Kommunikationsmedien sowie die zunehmende Globalisierung fördern und fordern flexiblere, virtuelle Formen der Zusammenarbeit. Laut einer repräsentativen Umfrage des Hightech-Verbands BITKOM wünschen sich 62 Prozent der Erwerbstätigen regelmäßige Arbeit im Home-Office, 41 Prozent an einigen Tagen in der Woche und 21 Prozent sogar täglich. Zehn Prozent der Berufstätigen in Deutschland arbeiten ganz oder zeitweise von zu Hause aus, anstatt ins Büro zu gehen (BITKOM, 2009). Nicht nur das „Home Office“ wird durch neue Kommunikationstechnologien möglich. Menschen aus aller Welt kooperieren via E-Mail, Chat, Videokonferenzsysteme und firmeninterne soziale Netzwerke, um gemeinsame Arbeitsprojekte zu realisieren. Selbst an ein und demselben Standort findet die Abstimmung mit Kollegen und Vorgesetzten mehr und mehr mittels elektronischer Kommunikationstechnologien statt (Kirkman & Mathieu, 2005). Zudem nutzen Teams spezifische Software-Systeme, sogenannte Groupware, zur elektronischen Unterstützung ihrer Zusammenarbeit (Gunnlaugsdottir, 2003). Neben Tools zur gemeinsamen Kommunikation bieten Groupware-Systeme u. a. Möglichkeiten des Zugriffs auf gemeinsame Datenbestände (File Sharing) und Organisationshilfen wie gemeinsame Kalender (Becker, Bergener, & Voigt, 2010).

Diese virtuellen Formen der Zusammenarbeit werden mehr und mehr von Arbeitnehmern akzeptiert und sogar gewünscht. In einer Umfrage von accenture (2009) wurden sogenannte „Millenials“, also 14- bis 32-jährige Deutsche, die mit Internet und mobilen Endgeräten aufgewachsen sind, zu ihren Einstellungen gegenüber neuen Technologien am Arbeitsplatz befragt. 67 Prozent der berufstätigen Befragten gaben an, dass für die Wahl ihres nächsten Arbeitgebers entscheidend ist, ob er seinen Mitarbeitern neueste Technologie zur Verfügung stellt. Der Studie zufolge erwarten die „Millenials“ webbasierte Echtzeit-Interaktion und neue Plattformen der Internet-gestützten Zusammenarbeit. Sie erwarteten zudem ein mobiles und flexibles Arbeiten. Aktuell kommunizierten 31 Prozent der jungen Berufstätigen am Arbeitsplatz über soziale Netzwerke, 23 Prozent kommunizieren über Instant Messenger. Über ein Drittel der Befragten wünschte sich, in Zukunft noch stärker im Beruf via Instant Messenger und soziale Netzwerke zu kommunizieren. Ein gänzlich virtuelles Arbeiten von einem Ort ihrer Wahl wünschen sich 51 Prozent der Befragten, von denen 22 Prozent momentan virtuell arbeiten. Nicht nur für jüngere Arbeitnehmer hat die Bedeutung virtueller Teamarbeit in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen: Eine Befragung von 376 Führungskräften verschiedener Branchen in Deutschland ergab, dass ca. 20 Prozent der Befragten dauerhaft sowie 42 Prozent der Befragten kurzfristig in virtuellen Teams arbeiten (Akademie der Führungskräfte, 2002).

Als „virtuelle Teams“ werden Arbeitsgruppen bezeichnet, in denen zwei oder mehr Personen zur Erreichung gemeinsamer Ziele kooperieren, sich dabei aber selten oder nie in demselben Raum (face-to-face) aufhalten sowie vorwiegend mittels elektronischer Medien kommunizieren und kooperieren (Hertel, Geister & Konradt, 2005). Drei wesentliche Faktoren können dabei zur Bestimmung der Virtualität eines Teams herangezogen werden (Kirkman & Mathieu; 2005): das Ausmaß der Nutzung elektronischer Medien, der Informationswert der ausgetauschten Informationen sowie die Synchronizität der Kommunikation, also die Kommunikation ohne Zeitverzögerung. Ein Team ist dann hoch virtuell, wenn es ausschließlich über elektronische Medien kommuniziert, sich selten bis gar nicht persönlich austauschen kann, wenn die ausgetauschten Informationen und Daten auf Grund beschränkter Kommunikationsmöglichkeiten wenig reichhaltig und zielführend sind und eine große Zeitverzögerung zwischen den Antworten liegt.

Durch die wachsenden Möglichkeiten für virtuelle Kooperationsformen können Teams flexibel, unabhängig von ihrer räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit und ohne einen Kostenmehraufwand durch Reisen auf der Grundlage ihrer fachlichen Qualifikation zusammengesetzt werden (Snow, Lipnack & Stamps, 1999). Diese Vorzüge virtueller Teamarbeit gehen jedoch mit technischen sowie psychologischen Herausforderungen einher. Studien haben gezeigt, dass die virtuelle Zusammenarbeit zu geringerer Leistung (Baltes, Dickson, Sherman, Bauer & LaGanke 2002) und Zufriedenheit (Warkentin, Sayeed & Hightower, 1997) und vor allem auch zu geringerem Vertrauen und weniger kooperativem Verhalten der Teammitglieder führen kann (Bos, Olsen, Gergle, Olson & Wright, 2002).