3.1.1. Global Governance, Wettbewerb, Standards, Infrastruktur, Netzneutralität

„Netzpolitik ist ein zentrales Zukunftsthema und kann verantwortungsvoll nur als Querschnittsaufgabe bearbeitet werden“, heißt es im Wahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Um eine Wende zur bisherigen Politik einzuleiten, wolle man „eine bessere Koordinierung innerhalb der Bundesregierung“ herstellen. Ziel müsse es sein, „eine globale Internet-Governance-Struktur einzuführen, die möglichst alle Interessen und Akteure berücksichtigt.“

Es sei notwendig, die Freiheit im Netz politisch zu sichern. Sie sei durch Monopole und Oligopole bei zentralen Diensten wie Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken bedroht, aber auch durch staatliche „Überwachungsphantasien wie etwa die Vorratsdatenspeicherung“. Man wolle kein Zwei- Klassen-Internet und daher „den Grundsatz der Netzneutralität gesetzlich verankern.“ Die Grünen sehen eine zunehmende Verschmelzung von Infrastruktur- und Inhalte-Anbietern, die die Netzneutralität gefährde, den Wettbewerb einschränke und Nutzungsfreiheiten senke. Man setze sich dafür ein, dass Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt im Rahmen ihrer Kompetenzen Missbräuchen nachgehen.

Staatliche Eingriffe in die Internet-Freiheit lehne man ab, der Export von Know-how, Technik und Software zur Zensur und Überwachung des Netzes in solche Länder müsse ein Ende haben. Hier wolle man eine effektive Ausfuhrkontrolle sicherstellen. „Freier und offener Netzzugang ist zum Menschenrecht geworden. Es braucht weltweit transparente Übereinkünfte über Regeln, die das Internet dauerhaft frei und offen halten. Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft gehören dabei an einen Tisch, um zu einem globalen Kodex zur Sicherung der Freiheits- und Bürgerrechte im Internet zu kommen.“

Der Zugang zum Internet ist für die Grünen „Teil der Daseinsvorsorge“. Deshalb wolle man den „Breitband-Internet-Zugang über einen verpflichtenden Universaldienst – wie bei der Postzustellung –“ sicherstellen. „Wie die Postzustellung bis in die abgelegenen Regionen unseres Landes geregelt ist, wollen wir auch den Zugang zu einem Breitbandanschluss für alle Menschen über einen Universal- dienst sicherstellen.“ Darüber müssten überall mindestens 6 Mbit/s verfügbar sein, bis Ende der Legislaturperiode flächendeckend Anschlüsse im zweistelligen Mbit/s-Bereich. Ziel bleibe der Aufbau eines flächendeckenden Glasfasernetzes.

Öffentliche und private Vorhaben, die den Ausbau von kostenfrei nutzbaren und öffentlich zugänglichen WLAN-Netzen zum Ziel hätten, wolle man aktiv unterstützen. Für die sogenannte Störerhaftung suche man pragmatische Lösungen. Außerdem wolle man eine möglichst weitgehende Barrierefreiheit im Internet erreichen.

Im öffentlichen Bereich müsse freie und offene Software Vorrang genießen, soweit dies vergaberechtlich möglich sei. Entwicklungen von und für Behörden müssten stets mit Quellcode unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden. Zentral für eine solche Strategie sei die Verwendung offener Standards und Schnittstellen.

In Wissenschaft und Forschung setzen sich die Grünen für ein gesetzliches Recht auf die Veröffentlichung von mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Werken (Open Access) und für freie Forschungsdaten (Open Data) ein. Im Rahmen der öffentlichen Forschungsförderung solle die verbindliche Veröffentlichung und der freie Zugang zur verpflichtenden Bedingung gemacht werden. Zudem wolle man ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht schaffen.

Zugleich wolle man eine umfassende Wissenschaftsschranke einführen: „Die Nutzung publizierter Werke jedweder medialer Art sollte für den nicht gewerblichen, wissenschaftlichen Gebrauch grundsätzlich genehmigungsfrei und ohne Einschränkungen erlaubt sein.“

Die Depublikationspflicht bei ARD und ZDF wollen die Grünen beenden. Die Inhalte sollten stattdessen künftig frei zugänglich und durch freie Lizenzen nutzbar sein, bei angemessener Vergütung der Urheber.

Bei Produktion, Vertrieb, Nutzung und Entsorgung der technischen Geräte setze man sich für klare rechtliche Vorgaben ein, die Menschenrechtsstandards ebenso wie Energie- und Rohstoffeffizienz verbindlich machen würden, und dafür, die Wiederverwendung von wertvollen Rohstoffen so weit wie möglich zu steigern. Green IT wolle man fördern.

Deutschland brauche eine Strategie zur Förderung und Entwicklung nachhaltiger ITK-Konzepte. Für die Strommenge der rund 52.000 Rechenzentren hierzulande seien ca. vier mittelgroße Kohlekraftwerke notwendig. Um deren Effizienz zu steigern, setze man sich für eine Initiative „Klimaneutrale Rechenzentren für Deutschland“ ein.

Was immer man im Einzelnen davon halten mag: Keine andere Partei lässt erkennen, dass sie sich ähnlich viele Gedanken zur „Verfassung“ des Internets gemacht hat – auch die Piraten nicht.